Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Eh' des Tyrannen Faust sie frech erschlug. -- -- Da weckt mich einer Quelle nahes Rauschen Zurück vom nächtlichen Gedankenflug. Ich seh' das schlanke Reh im Dickicht lauschen, Nun schrickt es auf, und fort ist seine Spur. Süß mahnt mich, meinen Schmerz um Lust zu tauschen Mit Blüthen und Gesängen die Natur; Doch kann ich's meiner Seele nimmer wehren, Daß sie verfolge Trauerscenen nur, Und sich für Blumen sammle bittre Zähren; Und in den Kerker dort zu Jenem wandre, Dem Dulder, bis der Tod, sein heiß Begehren, Aus einer Nacht ihn senket in die andre. Eh' des Tyrannen Fauſt ſie frech erſchlug. — — Da weckt mich einer Quelle nahes Rauſchen Zuruͤck vom naͤchtlichen Gedankenflug. Ich ſeh' das ſchlanke Reh im Dickicht lauſchen, Nun ſchrickt es auf, und fort iſt ſeine Spur. Suͤß mahnt mich, meinen Schmerz um Luſt zu tauſchen Mit Bluͤthen und Geſaͤngen die Natur; Doch kann ich's meiner Seele nimmer wehren, Daß ſie verfolge Trauerſcenen nur, Und ſich fuͤr Blumen ſammle bittre Zaͤhren; Und in den Kerker dort zu Jenem wandre, Dem Dulder, bis der Tod, ſein heiß Begehren, Aus einer Nacht ihn ſenket in die andre. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0022" n="8"/> <l>Eh' des Tyrannen Fauſt ſie frech erſchlug. — —</l><lb/> <l>Da weckt mich einer Quelle nahes Rauſchen</l><lb/> <l>Zuruͤck vom naͤchtlichen Gedankenflug.</l><lb/> <l>Ich ſeh' das ſchlanke Reh im Dickicht lauſchen,</l><lb/> <l>Nun ſchrickt es auf, und fort iſt ſeine Spur.</l><lb/> <l>Suͤß mahnt mich, meinen Schmerz um Luſt zu tauſchen</l><lb/> <l>Mit Bluͤthen und Geſaͤngen die Natur;</l><lb/> <l>Doch kann ich's meiner Seele nimmer wehren,</l><lb/> <l>Daß ſie verfolge Trauerſcenen nur,</l><lb/> <l>Und ſich fuͤr Blumen ſammle bittre Zaͤhren;</l><lb/> <l>Und in den Kerker dort zu Jenem wandre,</l><lb/> <l>Dem Dulder, bis der Tod, ſein heiß Begehren,</l><lb/> <l>Aus einer Nacht ihn ſenket in die andre.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0022]
Eh' des Tyrannen Fauſt ſie frech erſchlug. — —
Da weckt mich einer Quelle nahes Rauſchen
Zuruͤck vom naͤchtlichen Gedankenflug.
Ich ſeh' das ſchlanke Reh im Dickicht lauſchen,
Nun ſchrickt es auf, und fort iſt ſeine Spur.
Suͤß mahnt mich, meinen Schmerz um Luſt zu tauſchen
Mit Bluͤthen und Geſaͤngen die Natur;
Doch kann ich's meiner Seele nimmer wehren,
Daß ſie verfolge Trauerſcenen nur,
Und ſich fuͤr Blumen ſammle bittre Zaͤhren;
Und in den Kerker dort zu Jenem wandre,
Dem Dulder, bis der Tod, ſein heiß Begehren,
Aus einer Nacht ihn ſenket in die andre.
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/22>, abgerufen am 22.07.2024. |