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Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

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Er hört nur seinen eignen Jammer stöhnen,
Für Nachtigallensang und Taubengirren
Hört er die Wand sein Klagen wiederhöhnen,
Und, regt er sich, die Eisenkette klirren.
Kein Strahl des Frühlings konnte mit Erbarmen,
Ein süßer Tröster, sich zu ihm verirren;
Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen,
Nur Nacht, nur Nacht, das schwarze Ungeheuer,
Hat man mit eingesperrt zu diesem Armen.
In seinem Herzen brennt ein wildes Feuer
Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande,
Von Sehnsucht nach so Manchem, das ihm theuer.
Oft springt er auf, gejagt vom innern Brande,
Er flucht, er sucht sein Schwert, er will hinaus:
Doch Hohngelächter rasseln seine Bande,
Und felsenfest verschlossen bleibt das Haus.
Ermattet sinkt er auf das faule Stroh,
Und bittrer Wehmuth weicht des Zornes Braus;
Dumpfschweigend sitzt er da, und starret so
Das schwarze Ungeheuer an, die Nacht.
Ob Stunde, Mond und Jahr vorüberfloh,
Er konnte dessen haben keine Acht;
Ihm wird in seiner dunkeln Haft die Zeit,
Die Glücklichen enteilt mit Sturmesmacht,
Er hoͤrt nur ſeinen eignen Jammer ſtoͤhnen,
Fuͤr Nachtigallenſang und Taubengirren
Hoͤrt er die Wand ſein Klagen wiederhoͤhnen,
Und, regt er ſich, die Eiſenkette klirren.
Kein Strahl des Fruͤhlings konnte mit Erbarmen,
Ein ſuͤßer Troͤſter, ſich zu ihm verirren;
Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen,
Nur Nacht, nur Nacht, das ſchwarze Ungeheuer,
Hat man mit eingeſperrt zu dieſem Armen.
In ſeinem Herzen brennt ein wildes Feuer
Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande,
Von Sehnſucht nach ſo Manchem, das ihm theuer.
Oft ſpringt er auf, gejagt vom innern Brande,
Er flucht, er ſucht ſein Schwert, er will hinaus:
Doch Hohngelaͤchter raſſeln ſeine Bande,
Und felſenfeſt verſchloſſen bleibt das Haus.
Ermattet ſinkt er auf das faule Stroh,
Und bittrer Wehmuth weicht des Zornes Braus;
Dumpfſchweigend ſitzt er da, und ſtarret ſo
Das ſchwarze Ungeheuer an, die Nacht.
Ob Stunde, Mond und Jahr voruͤberfloh,
Er konnte deſſen haben keine Acht;
Ihm wird in ſeiner dunkeln Haft die Zeit,
Die Gluͤcklichen enteilt mit Sturmesmacht,
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[5/0019] Er hoͤrt nur ſeinen eignen Jammer ſtoͤhnen, Fuͤr Nachtigallenſang und Taubengirren Hoͤrt er die Wand ſein Klagen wiederhoͤhnen, Und, regt er ſich, die Eiſenkette klirren. Kein Strahl des Fruͤhlings konnte mit Erbarmen, Ein ſuͤßer Troͤſter, ſich zu ihm verirren; Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen, Nur Nacht, nur Nacht, das ſchwarze Ungeheuer, Hat man mit eingeſperrt zu dieſem Armen. In ſeinem Herzen brennt ein wildes Feuer Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande, Von Sehnſucht nach ſo Manchem, das ihm theuer. Oft ſpringt er auf, gejagt vom innern Brande, Er flucht, er ſucht ſein Schwert, er will hinaus: Doch Hohngelaͤchter raſſeln ſeine Bande, Und felſenfeſt verſchloſſen bleibt das Haus. Ermattet ſinkt er auf das faule Stroh, Und bittrer Wehmuth weicht des Zornes Braus; Dumpfſchweigend ſitzt er da, und ſtarret ſo Das ſchwarze Ungeheuer an, die Nacht. Ob Stunde, Mond und Jahr voruͤberfloh, Er konnte deſſen haben keine Acht; Ihm wird in ſeiner dunkeln Haft die Zeit, Die Gluͤcklichen enteilt mit Sturmesmacht,

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Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/19>, abgerufen am 24.04.2024.