Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Wie zwingt er die Donnerakkorde hervor aus den Saiten! Wie sucht sein strahlender Blick nach Gott durch die Weiten! Ihn hören die Wogen des Meeres, berauscht, und springen Vom schaukelnden Schooße des Schlummers zu Gott empor, Und taumeln entzückt in die Arme sich, und singen: "Allmächtiger Gott!" im tausendstimmigen Chor; Ihn hören die Berg', und seine gewaltigen Lieder, Sie tönen von ihrem erschütterten Busen wieder; Tief seufzen die Wälder und neigen ihr Angesicht, Die Ufer fassen den Jubel der Ströme nicht, Sehnsuchtergriffen, stürzen vom Fels sich herab Die Tannen und suchen im Wonnetumult ihr Grab. Des Sturmes Gesang durchtönt die glühende Wüste, Der grimmige Löwe, vom heiligen Klang umweht, Läßt fahren die Beut', es schweigt sein blutig Gelüste, Er flieht zur Höhl', und zittert sein Gebet. Dem Menschen entstürzt der Thränen seliger Schwall, Und lauter ruft im Busen die Nachtigall. -- Doch zogen wir fort aus dem Paradiese, Wo jedes Lüftchen uns von Gott erzählt, Wo uns von ihm jed' Blümchen auf der Wiese Ein Liebeszeichen froh entgegenhält; Wo eine Blum', aus allen Blumen ragend, Prangt, holdumstrahlt vom ew'gen Morgenlicht, Wie zwingt er die Donnerakkorde hervor aus den Saiten! Wie ſucht ſein ſtrahlender Blick nach Gott durch die Weiten! Ihn hoͤren die Wogen des Meeres, berauſcht, und ſpringen Vom ſchaukelnden Schooße des Schlummers zu Gott empor, Und taumeln entzuͤckt in die Arme ſich, und ſingen: „Allmaͤchtiger Gott!“ im tauſendſtimmigen Chor; Ihn hoͤren die Berg', und ſeine gewaltigen Lieder, Sie toͤnen von ihrem erſchuͤtterten Buſen wieder; Tief ſeufzen die Waͤlder und neigen ihr Angeſicht, Die Ufer faſſen den Jubel der Stroͤme nicht, Sehnſuchtergriffen, ſtuͤrzen vom Fels ſich herab Die Tannen und ſuchen im Wonnetumult ihr Grab. Des Sturmes Geſang durchtoͤnt die gluͤhende Wuͤſte, Der grimmige Loͤwe, vom heiligen Klang umweht, Laͤßt fahren die Beut', es ſchweigt ſein blutig Geluͤſte, Er flieht zur Hoͤhl', und zittert ſein Gebet. Dem Menſchen entſtuͤrzt der Thraͤnen ſeliger Schwall, Und lauter ruft im Buſen die Nachtigall. — Doch zogen wir fort aus dem Paradieſe, Wo jedes Luͤftchen uns von Gott erzaͤhlt, Wo uns von ihm jed' Bluͤmchen auf der Wieſe Ein Liebeszeichen froh entgegenhaͤlt; Wo eine Blum', aus allen Blumen ragend, Prangt, holdumſtrahlt vom ew'gen Morgenlicht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0188" n="174"/> <l>Wie zwingt er die Donnerakkorde hervor aus den Saiten!</l><lb/> <l>Wie ſucht ſein ſtrahlender Blick nach Gott durch die Weiten!</l><lb/> <l>Ihn hoͤren die Wogen des Meeres, berauſcht, und ſpringen</l><lb/> <l>Vom ſchaukelnden Schooße des Schlummers zu Gott empor,</l><lb/> <l>Und taumeln entzuͤckt in die Arme ſich, und ſingen:</l><lb/> <l>„Allmaͤchtiger Gott!“ im tauſendſtimmigen Chor;</l><lb/> <l>Ihn hoͤren die Berg', und ſeine gewaltigen Lieder,</l><lb/> <l>Sie toͤnen von ihrem erſchuͤtterten Buſen wieder;</l><lb/> <l>Tief ſeufzen die Waͤlder und neigen ihr Angeſicht,</l><lb/> <l>Die Ufer faſſen den Jubel der Stroͤme nicht,</l><lb/> <l>Sehnſuchtergriffen, ſtuͤrzen vom Fels ſich herab</l><lb/> <l>Die Tannen und ſuchen im Wonnetumult ihr Grab.</l><lb/> <l>Des Sturmes Geſang durchtoͤnt die gluͤhende Wuͤſte,</l><lb/> <l>Der grimmige Loͤwe, vom heiligen Klang umweht,</l><lb/> <l>Laͤßt fahren die Beut', es ſchweigt ſein blutig Geluͤſte,</l><lb/> <l>Er flieht zur Hoͤhl', und zittert ſein Gebet.</l><lb/> <l>Dem Menſchen entſtuͤrzt der Thraͤnen ſeliger Schwall,</l><lb/> <l>Und lauter ruft im Buſen die Nachtigall. —</l><lb/> <l>Doch zogen wir fort aus dem Paradieſe,</l><lb/> <l>Wo jedes Luͤftchen uns von Gott erzaͤhlt,</l><lb/> <l>Wo uns von ihm jed' Bluͤmchen auf der Wieſe</l><lb/> <l>Ein Liebeszeichen froh entgegenhaͤlt;</l><lb/> <l>Wo eine Blum', aus allen Blumen ragend,</l><lb/> <l>Prangt, holdumſtrahlt vom ew'gen Morgenlicht,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0188]
Wie zwingt er die Donnerakkorde hervor aus den Saiten!
Wie ſucht ſein ſtrahlender Blick nach Gott durch die Weiten!
Ihn hoͤren die Wogen des Meeres, berauſcht, und ſpringen
Vom ſchaukelnden Schooße des Schlummers zu Gott empor,
Und taumeln entzuͤckt in die Arme ſich, und ſingen:
„Allmaͤchtiger Gott!“ im tauſendſtimmigen Chor;
Ihn hoͤren die Berg', und ſeine gewaltigen Lieder,
Sie toͤnen von ihrem erſchuͤtterten Buſen wieder;
Tief ſeufzen die Waͤlder und neigen ihr Angeſicht,
Die Ufer faſſen den Jubel der Stroͤme nicht,
Sehnſuchtergriffen, ſtuͤrzen vom Fels ſich herab
Die Tannen und ſuchen im Wonnetumult ihr Grab.
Des Sturmes Geſang durchtoͤnt die gluͤhende Wuͤſte,
Der grimmige Loͤwe, vom heiligen Klang umweht,
Laͤßt fahren die Beut', es ſchweigt ſein blutig Geluͤſte,
Er flieht zur Hoͤhl', und zittert ſein Gebet.
Dem Menſchen entſtuͤrzt der Thraͤnen ſeliger Schwall,
Und lauter ruft im Buſen die Nachtigall. —
Doch zogen wir fort aus dem Paradieſe,
Wo jedes Luͤftchen uns von Gott erzaͤhlt,
Wo uns von ihm jed' Bluͤmchen auf der Wieſe
Ein Liebeszeichen froh entgegenhaͤlt;
Wo eine Blum', aus allen Blumen ragend,
Prangt, holdumſtrahlt vom ew'gen Morgenlicht,
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/188>, abgerufen am 22.07.2024. |