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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Zweiter Auftritt.
Der Fürst.

Hätt' ichs doch nicht gedacht, daß in der bis-
gen Neige meines Lebens bittres wäre, als Tod!

(er deckt Julius Gesicht auf)

Mein Sohn, mein Sohn! --

So lange war ich Vater, und muste erst
kinderlos werden, um zu wissen, was ein Vater
sey. -- Da liegen nun meine angenehmen Ent-
würfe! -- Jn deinen Kindern, dacht' ich, noch
lange zu leben, das süße väterliche Band, dacht'
ich, wird immer eine Generation mit der andern,
und mich mit einer späten Nachwelt verbinden --
Ja, Nachwelt? -- kinderlos, unbeweint werd' ich
sterben! Wer wird mich beklagen? -- Ein
Fremder drückt mir gleichgültig die Augen zu,
spricht höchstens: Gott sey seiner armen Seele
gnädig, und legt sich ruhig schlafen. -- Hält es
der Höfling der Mühe werth, um den lezten
eines Hauses unbeobachtet zu weinen? und wenn
ich vorher Klagen miethete und Seufzer bezahlte,
sie würden mir nicht Wort halten.

Schändlich, Schändlich bist du gefallen!

(er giebt dem Leichnam die Hand und schüttelt sie)
Aber ich verspreche Dir Rache! -- Was lächelst



Zweiter Auftritt.
Der Fuͤrſt.

Haͤtt’ ichs doch nicht gedacht, daß in der bis-
gen Neige meines Lebens bittres waͤre, als Tod!

(er deckt Julius Geſicht auf)

Mein Sohn, mein Sohn! —

So lange war ich Vater, und muſte erſt
kinderlos werden, um zu wiſſen, was ein Vater
ſey. — Da liegen nun meine angenehmen Ent-
wuͤrfe! — Jn deinen Kindern, dacht’ ich, noch
lange zu leben, das ſuͤße vaͤterliche Band, dacht’
ich, wird immer eine Generation mit der andern,
und mich mit einer ſpaͤten Nachwelt verbinden —
Ja, Nachwelt? — kinderlos, unbeweint werd’ ich
ſterben! Wer wird mich beklagen? — Ein
Fremder druͤckt mir gleichguͤltig die Augen zu,
ſpricht hoͤchſtens: Gott ſey ſeiner armen Seele
gnaͤdig, und legt ſich ruhig ſchlafen. — Haͤlt es
der Hoͤfling der Muͤhe werth, um den lezten
eines Hauſes unbeobachtet zu weinen? und wenn
ich vorher Klagen miethete und Seufzer bezahlte,
ſie wuͤrden mir nicht Wort halten.

Schaͤndlich, Schaͤndlich biſt du gefallen!

(er giebt dem Leichnam die Hand und ſchuͤttelt ſie)
Aber ich verſpreche Dir Rache! — Was laͤchelſt

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[95/0099] Zweiter Auftritt. Der Fuͤrſt. Haͤtt’ ichs doch nicht gedacht, daß in der bis- gen Neige meines Lebens bittres waͤre, als Tod! (er deckt Julius Geſicht auf) Mein Sohn, mein Sohn! — So lange war ich Vater, und muſte erſt kinderlos werden, um zu wiſſen, was ein Vater ſey. — Da liegen nun meine angenehmen Ent- wuͤrfe! — Jn deinen Kindern, dacht’ ich, noch lange zu leben, das ſuͤße vaͤterliche Band, dacht’ ich, wird immer eine Generation mit der andern, und mich mit einer ſpaͤten Nachwelt verbinden — Ja, Nachwelt? — kinderlos, unbeweint werd’ ich ſterben! Wer wird mich beklagen? — Ein Fremder druͤckt mir gleichguͤltig die Augen zu, ſpricht hoͤchſtens: Gott ſey ſeiner armen Seele gnaͤdig, und legt ſich ruhig ſchlafen. — Haͤlt es der Hoͤfling der Muͤhe werth, um den lezten eines Hauſes unbeobachtet zu weinen? und wenn ich vorher Klagen miethete und Seufzer bezahlte, ſie wuͤrden mir nicht Wort halten. Schaͤndlich, Schaͤndlich biſt du gefallen! (er giebt dem Leichnam die Hand und ſchuͤttelt ſie) Aber ich verſpreche Dir Rache! — Was laͤchelſt

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/99>, abgerufen am 21.11.2024.