Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.Grabe blühet. Auch öfnete sie mir ihr Herz nicht, bis es von selbst borst, und versiegelte ihr Geständnis mit einer Ohnmacht, dem Bilde des Todes, wie sie ihre Liebe mit dem Tode selbst ver- siegeln würde. Kein Geliebter war so glücklich als ich! -- ich habe zweymal die Wange eines Mädchens glühen sehn, als sie mir ihre Liebe nicht gestehen wolte, und gestand -- Wunderbar! der erste Frühlingstag in einem Jahre zweymahl. -- Aber nennen Sie mir auch etwas, das ich nicht für Blankan thun will! Die mächtigsten Triebe und Kräfte brüter der Stral der Liebe in unserm Jnnersten, das zu erreichen der Stral jeder andrer Leidenschaft zu kurz ist, und nur ein Ver- schnittener mag sagen: Die Menschheit ist schwach. Alles in meiner Seele lebet und wirket -- Ken- nen Sie den allmächtigen Hauch im Lenze, so reich an Kraft, daß es scheint, er werde die Gränzen der Schöpfung verrücken, und das Leblose zum Le- ben erwecken? Ein solcher Hauch hat mein ganzes Wesen durchdrungen -- Und alles, was ich ver- mag, seh ich nicht einmal immer. Nur zuweilen zeigt mir ein Entschluß den ganzen Reichthum der Menschheit -- zeigt ihn mir auf einen Augen- blik, wie ein Bliz, der durch eine unterirrdische Schazkammer fährt, das aufgehäufte Gold. Grabe bluͤhet. Auch oͤfnete ſie mir ihr Herz nicht, bis es von ſelbſt borſt, und verſiegelte ihr Geſtaͤndnis mit einer Ohnmacht, dem Bilde des Todes, wie ſie ihre Liebe mit dem Tode ſelbſt ver- ſiegeln wuͤrde. Kein Geliebter war ſo gluͤcklich als ich! — ich habe zweymal die Wange eines Maͤdchens gluͤhen ſehn, als ſie mir ihre Liebe nicht geſtehen wolte, und geſtand — Wunderbar! der erſte Fruͤhlingstag in einem Jahre zweymahl. — Aber nennen Sie mir auch etwas, das ich nicht fuͤr Blankan thun will! Die maͤchtigſten Triebe und Kraͤfte bruͤter der Stral der Liebe in unſerm Jnnerſten, das zu erreichen der Stral jeder andrer Leidenſchaft zu kurz iſt, und nur ein Ver- ſchnittener mag ſagen: Die Menſchheit iſt ſchwach. Alles in meiner Seele lebet und wirket — Ken- nen Sie den allmaͤchtigen Hauch im Lenze, ſo reich an Kraft, daß es ſcheint, er werde die Graͤnzen der Schoͤpfung verruͤcken, und das Lebloſe zum Le- ben erwecken? Ein ſolcher Hauch hat mein ganzes Weſen durchdrungen — Und alles, was ich ver- mag, ſeh ich nicht einmal immer. Nur zuweilen zeigt mir ein Entſchluß den ganzen Reichthum der Menſchheit — zeigt ihn mir auf einen Augen- blik, wie ein Bliz, der durch eine unterirrdiſche Schazkammer faͤhrt, das aufgehaͤufte Gold. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#JUL"> <p><pb facs="#f0048" n="44"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Grabe bluͤhet. Auch oͤfnete ſie mir ihr Herz<lb/> nicht, bis es von ſelbſt borſt, und verſiegelte ihr<lb/> Geſtaͤndnis mit einer Ohnmacht, dem Bilde des<lb/> Todes, wie ſie ihre Liebe mit dem Tode ſelbſt ver-<lb/> ſiegeln wuͤrde. Kein Geliebter war ſo gluͤcklich<lb/> als ich! — ich habe zweymal die Wange eines<lb/> Maͤdchens gluͤhen ſehn, als ſie mir ihre Liebe nicht<lb/> geſtehen wolte, und geſtand — Wunderbar!<lb/> der erſte Fruͤhlingstag in einem Jahre zweymahl.<lb/> — Aber nennen Sie mir auch etwas, das ich<lb/> nicht fuͤr Blankan thun will! Die maͤchtigſten<lb/> Triebe und Kraͤfte bruͤter der Stral der Liebe in<lb/> unſerm Jnnerſten, das zu erreichen der Stral jeder<lb/> andrer Leidenſchaft zu kurz iſt, und nur ein Ver-<lb/> ſchnittener mag ſagen: Die Menſchheit iſt ſchwach.<lb/> Alles in meiner Seele lebet und wirket — Ken-<lb/> nen Sie den allmaͤchtigen Hauch im Lenze, ſo reich<lb/> an Kraft, daß es ſcheint, er werde die Graͤnzen<lb/> der Schoͤpfung verruͤcken, und das Lebloſe zum Le-<lb/> ben erwecken? Ein ſolcher Hauch hat mein ganzes<lb/> Weſen durchdrungen — Und alles, was ich ver-<lb/> mag, ſeh ich nicht einmal immer. Nur zuweilen<lb/> zeigt mir ein Entſchluß den ganzen Reichthum der<lb/> Menſchheit — zeigt ihn mir auf einen Augen-<lb/> blik, wie ein Bliz, der durch eine unterirrdiſche<lb/> Schazkammer faͤhrt, das aufgehaͤufte Gold.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0048]
Grabe bluͤhet. Auch oͤfnete ſie mir ihr Herz
nicht, bis es von ſelbſt borſt, und verſiegelte ihr
Geſtaͤndnis mit einer Ohnmacht, dem Bilde des
Todes, wie ſie ihre Liebe mit dem Tode ſelbſt ver-
ſiegeln wuͤrde. Kein Geliebter war ſo gluͤcklich
als ich! — ich habe zweymal die Wange eines
Maͤdchens gluͤhen ſehn, als ſie mir ihre Liebe nicht
geſtehen wolte, und geſtand — Wunderbar!
der erſte Fruͤhlingstag in einem Jahre zweymahl.
— Aber nennen Sie mir auch etwas, das ich
nicht fuͤr Blankan thun will! Die maͤchtigſten
Triebe und Kraͤfte bruͤter der Stral der Liebe in
unſerm Jnnerſten, das zu erreichen der Stral jeder
andrer Leidenſchaft zu kurz iſt, und nur ein Ver-
ſchnittener mag ſagen: Die Menſchheit iſt ſchwach.
Alles in meiner Seele lebet und wirket — Ken-
nen Sie den allmaͤchtigen Hauch im Lenze, ſo reich
an Kraft, daß es ſcheint, er werde die Graͤnzen
der Schoͤpfung verruͤcken, und das Lebloſe zum Le-
ben erwecken? Ein ſolcher Hauch hat mein ganzes
Weſen durchdrungen — Und alles, was ich ver-
mag, ſeh ich nicht einmal immer. Nur zuweilen
zeigt mir ein Entſchluß den ganzen Reichthum der
Menſchheit — zeigt ihn mir auf einen Augen-
blik, wie ein Bliz, der durch eine unterirrdiſche
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