Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.ihr Füllhorn von Freuden ausgiesst, und verdrängt wird, eh es leer ist. Da ist kein andrer Wechsel, als sanftre Freuden für lebhaftre, der das Leben zu einem Blumenbeet macht, das hier durch die prächtige Rose, und dort durch das bescheidne Veilchen reizt. Aber Sie -- ich habe Sie neulich am Brautaltar Jhres Bruders ausgespäht! War doch in Jhrem Auge so gar nichts von dem, was ich in jedem andern sahe. -- Andenken oder Ahn- dung der Liebe! Caelilia. Wer dich so predigen hörte, gute Portia, solte glauben, Du wärst nie verheurathet gewesen. Portia. Und glauben Sie dann auf immer vor der Liebe sicher zu seyn. Man kann sie wie das Gewissen mit Mühe auf eine Zeitlang ein- schläfern, aber beide erwachen zulezt -- und was das schlimmste ist, gemeiniglich zu spät. Caecilia. Der Prinz verweilt mir zu lange -- Komm mit mir auf mein Zimmer. Portia O daß die Starrköpfe durch Gegen, gründe nur noch starrer werden. (gehn ab.) ihr Fuͤllhorn von Freuden ausgieſſt, und verdraͤngt wird, eh es leer iſt. Da iſt kein andrer Wechſel, als ſanftre Freuden fuͤr lebhaftre, der das Leben zu einem Blumenbeet macht, das hier durch die praͤchtige Roſe, und dort durch das beſcheidne Veilchen reizt. Aber Sie — ich habe Sie neulich am Brautaltar Jhres Bruders ausgeſpaͤht! War doch in Jhrem Auge ſo gar nichts von dem, was ich in jedem andern ſahe. — Andenken oder Ahn- dung der Liebe! Caelilia. Wer dich ſo predigen hoͤrte, gute Portia, ſolte glauben, Du waͤrſt nie verheurathet geweſen. Portia. Und glauben Sie dann auf immer vor der Liebe ſicher zu ſeyn. Man kann ſie wie das Gewiſſen mit Muͤhe auf eine Zeitlang ein- ſchlaͤfern, aber beide erwachen zulezt — und was das ſchlimmſte iſt, gemeiniglich zu ſpaͤt. Caecilia. Der Prinz verweilt mir zu lange — Komm mit mir auf mein Zimmer. Portia O daß die Starrkoͤpfe durch Gegen, gruͤnde nur noch ſtarrer werden. (gehn ab.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#POR"> <p><pb facs="#f0046" n="42"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ihr Fuͤllhorn von Freuden ausgieſſt, und verdraͤngt<lb/> wird, eh es leer iſt. Da iſt kein andrer Wechſel,<lb/> als ſanftre Freuden fuͤr lebhaftre, der das Leben<lb/> zu einem Blumenbeet macht, das hier durch die<lb/> praͤchtige Roſe, und dort durch das beſcheidne<lb/> Veilchen reizt.</p><lb/> <p>Aber Sie — ich habe Sie neulich am<lb/> Brautaltar Jhres Bruders ausgeſpaͤht! War<lb/> doch in Jhrem Auge ſo gar nichts von dem, was<lb/> ich in jedem andern ſahe. — Andenken oder Ahn-<lb/> dung der Liebe!</p> </sp><lb/> <sp who="#CAE"> <speaker>Caelilia.</speaker> <p>Wer dich ſo predigen hoͤrte, gute<lb/> Portia, ſolte glauben, Du waͤrſt nie verheurathet<lb/> geweſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#POR"> <speaker>Portia.</speaker> <p>Und glauben Sie dann auf immer<lb/> vor der Liebe ſicher zu ſeyn. Man kann ſie wie<lb/> das Gewiſſen mit Muͤhe auf eine Zeitlang ein-<lb/> ſchlaͤfern, aber beide erwachen zulezt — und was<lb/> das ſchlimmſte iſt, gemeiniglich zu ſpaͤt.</p> </sp><lb/> <sp who="#CAE"> <speaker>Caecilia.</speaker> <p>Der Prinz verweilt mir zu lange<lb/> — Komm mit mir auf mein Zimmer.</p> </sp><lb/> <sp who="#POR"> <speaker>Portia</speaker> <p>O daß die Starrkoͤpfe durch Gegen,<lb/> gruͤnde nur noch ſtarrer werden.</p> <stage>(gehn ab.)</stage> </sp> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [42/0046]
ihr Fuͤllhorn von Freuden ausgieſſt, und verdraͤngt
wird, eh es leer iſt. Da iſt kein andrer Wechſel,
als ſanftre Freuden fuͤr lebhaftre, der das Leben
zu einem Blumenbeet macht, das hier durch die
praͤchtige Roſe, und dort durch das beſcheidne
Veilchen reizt.
Aber Sie — ich habe Sie neulich am
Brautaltar Jhres Bruders ausgeſpaͤht! War
doch in Jhrem Auge ſo gar nichts von dem, was
ich in jedem andern ſahe. — Andenken oder Ahn-
dung der Liebe!
Caelilia. Wer dich ſo predigen hoͤrte, gute
Portia, ſolte glauben, Du waͤrſt nie verheurathet
geweſen.
Portia. Und glauben Sie dann auf immer
vor der Liebe ſicher zu ſeyn. Man kann ſie wie
das Gewiſſen mit Muͤhe auf eine Zeitlang ein-
ſchlaͤfern, aber beide erwachen zulezt — und was
das ſchlimmſte iſt, gemeiniglich zu ſpaͤt.
Caecilia. Der Prinz verweilt mir zu lange
— Komm mit mir auf mein Zimmer.
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Zitationshilfe: | Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/46>, abgerufen am 28.07.2024. |