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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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des Paars, das heut' am Altar steht, ist wie die
Liebe unserer ersten Eltern im Paradiese. -- Sie-
he Caecilia, an einem sechs und siebenzigsten Ge-
burtstage redet ein Greis mit Entzücken von der
Liebe.
Caecilia. Ein Zeichen, daß er tugenthaft
liebte.
Fürst. Aber ich verliere meinen Faden --
der Strahl der Liebe selbst ist für mein schwaches
Herz zu stark, blos sein Widerschein von meinen
Kindern ist für mich -- Mädchen, Julius hat
ein Herz -- nicht seine glänzenden Handlungen,
seine Verirrungen sollen zeugen.
Caecilia. Jch weis es zu schäzen.
Fürst. Weist Du, weist Du wirklich? Wär'
er durch die Liebe glücklich! Gäb' er mir eine
Tochter! Was ist einem Greise lieber, als die
weibliche Sorgfalt einer Tochter! Hätte Julius
eine Gattin! --
Caecilia. Sie sollte meine erste Freundin
seyn.
Fürst. Was für einen Werth könnte sie die-
sem Reste des Lebens geben, an dessen Ende ich
aus ihren Armen unvermerkt in die Arme eines
andern Engels gleiten würde, -- und dieses
Weib must Du seyn, Caecilia!
Caecilia. Jch bitte Sie, Herr Oheim!


des Paars, das heut’ am Altar ſteht, iſt wie die
Liebe unſerer erſten Eltern im Paradieſe. — Sie-
he Caecilia, an einem ſechs und ſiebenzigſten Ge-
burtstage redet ein Greis mit Entzuͤcken von der
Liebe.
Caecilia. Ein Zeichen, daß er tugenthaft
liebte.
Fuͤrſt. Aber ich verliere meinen Faden —
der Strahl der Liebe ſelbſt iſt fuͤr mein ſchwaches
Herz zu ſtark, blos ſein Widerſchein von meinen
Kindern iſt fuͤr mich — Maͤdchen, Julius hat
ein Herz — nicht ſeine glaͤnzenden Handlungen,
ſeine Verirrungen ſollen zeugen.
Caecilia. Jch weis es zu ſchaͤzen.
Fuͤrſt. Weiſt Du, weiſt Du wirklich? Waͤr’
er durch die Liebe gluͤcklich! Gaͤb’ er mir eine
Tochter! Was iſt einem Greiſe lieber, als die
weibliche Sorgfalt einer Tochter! Haͤtte Julius
eine Gattin! —
Caecilia. Sie ſollte meine erſte Freundin
ſeyn.
Fuͤrſt. Was fuͤr einen Werth koͤnnte ſie die-
ſem Reſte des Lebens geben, an deſſen Ende ich
aus ihren Armen unvermerkt in die Arme eines
andern Engels gleiten wuͤrde, — und dieſes
Weib muſt Du ſeyn, Caecilia!
Caecilia. Jch bitte Sie, Herr Oheim!
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[29/0033] des Paars, das heut’ am Altar ſteht, iſt wie die Liebe unſerer erſten Eltern im Paradieſe. — Sie- he Caecilia, an einem ſechs und ſiebenzigſten Ge- burtstage redet ein Greis mit Entzuͤcken von der Liebe. Caecilia. Ein Zeichen, daß er tugenthaft liebte. Fuͤrſt. Aber ich verliere meinen Faden — der Strahl der Liebe ſelbſt iſt fuͤr mein ſchwaches Herz zu ſtark, blos ſein Widerſchein von meinen Kindern iſt fuͤr mich — Maͤdchen, Julius hat ein Herz — nicht ſeine glaͤnzenden Handlungen, ſeine Verirrungen ſollen zeugen. Caecilia. Jch weis es zu ſchaͤzen. Fuͤrſt. Weiſt Du, weiſt Du wirklich? Waͤr’ er durch die Liebe gluͤcklich! Gaͤb’ er mir eine Tochter! Was iſt einem Greiſe lieber, als die weibliche Sorgfalt einer Tochter! Haͤtte Julius eine Gattin! — Caecilia. Sie ſollte meine erſte Freundin ſeyn. Fuͤrſt. Was fuͤr einen Werth koͤnnte ſie die- ſem Reſte des Lebens geben, an deſſen Ende ich aus ihren Armen unvermerkt in die Arme eines andern Engels gleiten wuͤrde, — und dieſes Weib muſt Du ſeyn, Caecilia! Caecilia. Jch bitte Sie, Herr Oheim!

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/33>, abgerufen am 19.04.2024.