Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.Alle Möglichkeiten giengen vor mir vorüber, und nothwendig muß ich in einer von ihnen mein Schicksal gesehn haben! -- Einmal hatte ich schon das Kloster erbrochen, und führte sie in meine Kammer -- wie ich schon an das Braut- bette trat, sah mein Vater mit der Mine der väterlichen Wehmuth herein -- sogleich ließ ich ihre Hand fahren. Aspermonte. Nuzten Sie das nicht, kamen Sie da Jhrer Vernunft nicht zu Hülfe? Julius. Jn der That diese Jdeen schien die Vernunft zu erwecken; ich rief "Julius, Julius, "sey ein Mann!" -- Ja ich sprach das Ju- lius! Julius! als wenn es die Standhaftigkeit spräche; aber das "sey ein Mann!" zerschmolz wieder in einen Seufzer der Liebe. Aspermonte. Giessen Sie aus, giessen Sie aus, edler Jüngling, mein Herz ist Jhres Schmer- zes würdig. Julius. Und ihr göttliches Bild; -- ich seh es immer in tausend Auftritten, in tausend Ge- stalten, wie sie jedem Alter seine Reize abborgte, freymüthige Unschuld von der Kindheit, Jnteresse von der Jugend, und wie ihr die Liebe durch meinen ersten Kuß Schüchternheit gab. Und die heilige Mine ihres jezigen Standes! -- sonst kann er ihr nichts geben. Die Flamme der Re- Alle Moͤglichkeiten giengen vor mir voruͤber, und nothwendig muß ich in einer von ihnen mein Schickſal geſehn haben! — Einmal hatte ich ſchon das Kloſter erbrochen, und fuͤhrte ſie in meine Kammer — wie ich ſchon an das Braut- bette trat, ſah mein Vater mit der Mine der vaͤterlichen Wehmuth herein — ſogleich ließ ich ihre Hand fahren. Aſpermonte. Nuzten Sie das nicht, kamen Sie da Jhrer Vernunft nicht zu Huͤlfe? Julius. Jn der That dieſe Jdeen ſchien die Vernunft zu erwecken; ich rief “Julius, Julius, „ſey ein Mann!‟ — Ja ich ſprach das Ju- lius! Julius! als wenn es die Standhaftigkeit ſpraͤche; aber das “ſey ein Mann!” zerſchmolz wieder in einen Seufzer der Liebe. Aſpermonte. Gieſſen Sie aus, gieſſen Sie aus, edler Juͤngling, mein Herz iſt Jhres Schmer- zes wuͤrdig. Julius. Und ihr goͤttliches Bild; — ich ſeh es immer in tauſend Auftritten, in tauſend Ge- ſtalten, wie ſie jedem Alter ſeine Reize abborgte, freymuͤthige Unſchuld von der Kindheit, Jntereſſe von der Jugend, und wie ihr die Liebe durch meinen erſten Kuß Schuͤchternheit gab. Und die heilige Mine ihres jezigen Standes! — ſonſt kann er ihr nichts geben. Die Flamme der Re- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#JUL"> <pb facs="#f0011" n="7"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Alle Moͤglichkeiten giengen vor mir voruͤber,<lb/> und nothwendig muß ich in einer von ihnen mein<lb/> Schickſal geſehn haben! — Einmal hatte ich<lb/> ſchon das Kloſter erbrochen, und fuͤhrte ſie in<lb/> meine Kammer — wie ich ſchon an das Braut-<lb/> bette trat, ſah mein Vater mit der Mine der<lb/> vaͤterlichen Wehmuth herein — ſogleich ließ ich<lb/> ihre Hand fahren.</p> </sp><lb/> <sp who="#ASP"> <speaker>Aſpermonte.</speaker> <p>Nuzten Sie das nicht, kamen<lb/> Sie da Jhrer Vernunft nicht zu Huͤlfe?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>Jn der That dieſe Jdeen ſchien die<lb/> Vernunft zu erwecken; ich rief “Julius, Julius,<lb/> „ſey ein Mann!‟ — Ja ich ſprach das Ju-<lb/> lius! Julius! als wenn es die Standhaftigkeit<lb/> ſpraͤche; aber das “ſey ein Mann!” zerſchmolz<lb/> wieder in einen Seufzer der Liebe.</p> </sp><lb/> <sp who="#ASP"> <speaker>Aſpermonte.</speaker> <p>Gieſſen Sie aus, gieſſen Sie<lb/> aus, edler Juͤngling, mein Herz iſt Jhres Schmer-<lb/> zes wuͤrdig.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>Und ihr goͤttliches Bild; — ich ſeh<lb/> es immer in tauſend Auftritten, in tauſend Ge-<lb/> ſtalten, wie ſie jedem Alter ſeine Reize abborgte,<lb/> freymuͤthige Unſchuld von der Kindheit, Jntereſſe<lb/> von der Jugend, und wie ihr die Liebe durch<lb/> meinen erſten Kuß Schuͤchternheit gab. Und die<lb/> heilige Mine ihres jezigen Standes! — ſonſt<lb/> kann er ihr nichts geben. Die Flamme der Re-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0011]
Alle Moͤglichkeiten giengen vor mir voruͤber,
und nothwendig muß ich in einer von ihnen mein
Schickſal geſehn haben! — Einmal hatte ich
ſchon das Kloſter erbrochen, und fuͤhrte ſie in
meine Kammer — wie ich ſchon an das Braut-
bette trat, ſah mein Vater mit der Mine der
vaͤterlichen Wehmuth herein — ſogleich ließ ich
ihre Hand fahren.
Aſpermonte. Nuzten Sie das nicht, kamen
Sie da Jhrer Vernunft nicht zu Huͤlfe?
Julius. Jn der That dieſe Jdeen ſchien die
Vernunft zu erwecken; ich rief “Julius, Julius,
„ſey ein Mann!‟ — Ja ich ſprach das Ju-
lius! Julius! als wenn es die Standhaftigkeit
ſpraͤche; aber das “ſey ein Mann!” zerſchmolz
wieder in einen Seufzer der Liebe.
Aſpermonte. Gieſſen Sie aus, gieſſen Sie
aus, edler Juͤngling, mein Herz iſt Jhres Schmer-
zes wuͤrdig.
Julius. Und ihr goͤttliches Bild; — ich ſeh
es immer in tauſend Auftritten, in tauſend Ge-
ſtalten, wie ſie jedem Alter ſeine Reize abborgte,
freymuͤthige Unſchuld von der Kindheit, Jntereſſe
von der Jugend, und wie ihr die Liebe durch
meinen erſten Kuß Schuͤchternheit gab. Und die
heilige Mine ihres jezigen Standes! — ſonſt
kann er ihr nichts geben. Die Flamme der Re-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |