Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776. Blanka. Siehe, da liegt er im Schoosse der Erde -- Sonne und Mond halten über ihn den ewigen Zirkeltanz, öfnen und schliessen das frucht- bare Jahr; und er weiß es nicht, das Herz, das mich liebte, wird Staub, zu nichts mehr fähig, als vom Regen durchnässet und von der Sonne getrocknet zu werden -- Caecilia. Der ganze Julius ist nicht todt. Blanka. Kennst Du die Haarlocke? Caecilia. Es scheint Julius Locke zu seyn -- aber ich bitte Dich, warum rollst du die Augen so wild? Blanka. (in einem muntern Tone) Wer Du auch seyst, liebes Mädchen, freue Dich mit mir. Heut, heut ist endlich der Tag mei- ner Verbindung! -- o was sind mir meine vorigen Quaalen so lieb! Caecilia. Hilf gütiger Himmel! sie hat den Verstand verloren. Blanka. Aber siehe es ist schon Mitternacht, alles wartet, und Julius kommt nicht! -- Jch bitte Dich, warum werden die Hochzeitgäste so blaß? Siehe, das Schrecken sträubt mir das Haar empor, daß mir seine Spizen den Braut- kranz herabstossen -- Jch unglückliche Braut, Blanka. Siehe, da liegt er im Schooſſe der Erde — Sonne und Mond halten uͤber ihn den ewigen Zirkeltanz, oͤfnen und ſchlieſſen das frucht- bare Jahr; und er weiß es nicht, das Herz, das mich liebte, wird Staub, zu nichts mehr faͤhig, als vom Regen durchnaͤſſet und von der Sonne getrocknet zu werden — Caecilia. Der ganze Julius iſt nicht todt. Blanka. Kennſt Du die Haarlocke? Caecilia. Es ſcheint Julius Locke zu ſeyn — aber ich bitte Dich, warum rollſt du die Augen ſo wild? Blanka. (in einem muntern Tone) Wer Du auch ſeyſt, liebes Maͤdchen, freue Dich mit mir. Heut, heut iſt endlich der Tag mei- ner Verbindung! — o was ſind mir meine vorigen Quaalen ſo lieb! Caecilia. Hilf guͤtiger Himmel! ſie hat den Verſtand verloren. Blanka. Aber ſiehe es iſt ſchon Mitternacht, alles wartet, und Julius kommt nicht! — Jch bitte Dich, warum werden die Hochzeitgaͤſte ſo blaß? Siehe, das Schrecken ſtraͤubt mir das Haar empor, daß mir ſeine Spizen den Braut- kranz herabſtoſſen — Jch ungluͤckliche Braut, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0103" n="99"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <p>Siehe, da liegt er im Schooſſe der<lb/> Erde — Sonne und Mond halten uͤber ihn den<lb/> ewigen Zirkeltanz, oͤfnen und ſchlieſſen das frucht-<lb/> bare Jahr; und er weiß es nicht, das Herz, das<lb/> mich liebte, wird Staub, zu nichts mehr faͤhig,<lb/> als vom Regen durchnaͤſſet und von der Sonne<lb/> getrocknet zu werden —</p> </sp><lb/> <sp who="#CAE"> <speaker>Caecilia.</speaker> <p>Der ganze Julius iſt nicht todt.</p> </sp><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <p>Kennſt Du die Haarlocke?</p> </sp><lb/> <sp who="#CAE"> <speaker>Caecilia.</speaker> <p>Es ſcheint Julius Locke zu<lb/> ſeyn — aber ich bitte Dich, warum rollſt du<lb/> die Augen ſo wild?</p> </sp><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <stage>(in einem muntern Tone)</stage> <p>Wer<lb/> Du auch ſeyſt, liebes Maͤdchen, freue Dich<lb/> mit mir. Heut, heut iſt endlich der Tag mei-<lb/> ner Verbindung! — o was ſind mir meine<lb/> vorigen Quaalen ſo lieb!</p> </sp><lb/> <sp who="#CAE"> <speaker>Caecilia.</speaker> <p>Hilf guͤtiger Himmel! ſie hat<lb/> den Verſtand verloren.</p> </sp><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <p>Aber ſiehe es iſt ſchon Mitternacht,<lb/> alles wartet, und Julius kommt nicht! — Jch<lb/> bitte Dich, warum werden die Hochzeitgaͤſte ſo<lb/> blaß? Siehe, das Schrecken ſtraͤubt mir das<lb/> Haar empor, daß mir ſeine Spizen den Braut-<lb/> kranz herabſtoſſen — Jch ungluͤckliche Braut,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0103]
Blanka. Siehe, da liegt er im Schooſſe der
Erde — Sonne und Mond halten uͤber ihn den
ewigen Zirkeltanz, oͤfnen und ſchlieſſen das frucht-
bare Jahr; und er weiß es nicht, das Herz, das
mich liebte, wird Staub, zu nichts mehr faͤhig,
als vom Regen durchnaͤſſet und von der Sonne
getrocknet zu werden —
Caecilia. Der ganze Julius iſt nicht todt.
Blanka. Kennſt Du die Haarlocke?
Caecilia. Es ſcheint Julius Locke zu
ſeyn — aber ich bitte Dich, warum rollſt du
die Augen ſo wild?
Blanka. (in einem muntern Tone) Wer
Du auch ſeyſt, liebes Maͤdchen, freue Dich
mit mir. Heut, heut iſt endlich der Tag mei-
ner Verbindung! — o was ſind mir meine
vorigen Quaalen ſo lieb!
Caecilia. Hilf guͤtiger Himmel! ſie hat
den Verſtand verloren.
Blanka. Aber ſiehe es iſt ſchon Mitternacht,
alles wartet, und Julius kommt nicht! — Jch
bitte Dich, warum werden die Hochzeitgaͤſte ſo
blaß? Siehe, das Schrecken ſtraͤubt mir das
Haar empor, daß mir ſeine Spizen den Braut-
kranz herabſtoſſen — Jch ungluͤckliche Braut,
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Zitationshilfe: | Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/103>, abgerufen am 27.07.2024. |