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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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waren dann wieder genöthigt, zur Sicherung ihres Besitzes und ihrer Colonisten
Kriegszüge zu unternehmen. Diese Schwierigkeiten haben durch einige Zeit recht
schwer auf der jungen Colonie gelastet, umsomehr, als man sich immer mehr
überzeugte, dass es kaum möglich sein werde, die Eingebornen zu einem fried-
lichen und vertrauensvollen Zusammenleben zu vermögen.

1854 erhielt Neuseeland eine selbständige Verfassung mit eigenem Parla-
mente. Aber noch dauerte es mehr dreissig Jahre, bis (seit 1886) völliger Friede
in der Colonie gesichert war. Die Maori wollten auf ihre Unabhängigkeit nicht
verzichten und wurden, je mehr sie den englischen Waffen auch unterlagen, nur
noch erbitterter. Mehr als ein Feldzug musste gegen die Maori unternommen
werden, und dazwischen dauerten die kleinen Feindseligkeiten fort, welche das
Leben und den friedlichen Erwerb der Colonisten fort und fort bedrohten. Immer
mehr machte sich die Ansicht geltend, dass an einen Frieden mit den Maori nicht
zu denken sei. Wenn man auch nicht gerade das Princip aufstellte, so sah man
sich doch thatsächlich zu einer Art von Vernichtungskrieg gezwungen. Wie bei den
meisten Ureinwohnern der von den Europäern in Besitz genommenen Welttheile,
zeigte sich das Volksthum der Maori nicht widerstandsfähig. Der stete Kampf, die
ununterbrochene Concentrirung aller Bestrebungen auf die Vertreibung und Ver-
nichtung der verhassten Weissen, das Elend des eigenen, an Entbehrungen reichen
Daseins, namentlich aber die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten
erschöpften in kurzer Zeit im Ringen mit einem viel kräftigeren Feinde die
Kräfte der Eingebornen. Der Kampf mit den Maori fand sein Ende, nicht durch
deren endgiltige Unterwerfung, wohl aber durch deren rasches Absterben.

Heute kann man schon mit Bestimmtheit voraussagen, dass
der Tag nicht allzuferne sei, an welchem die Ureinwohner Neusee-
lands nur mehr in der Tradition fortleben werden. Als Neuseeland
in Besitz genommen ward, veranschlagte man die Zahl der Maori auf
120.000 Seelen. Heute sollen deren nach einer möglichst genauen
Erhebung nur mehr 40.000 Seelen (darunter 17.000 weiblichen Ge-
schlechtes) auf der ganzen Inselgruppe vorhanden sein, und sind alle
zum Christenthume bekehrt. Die Maori sind der geistig und körperlich
tüchtigste Volkszweig der australischen Rassen, auch haben sie sich
des Genusses von Branntwein ziemlich enthalten, und dennoch müssen
sie zu Grunde gehen, weil sie dem ungleichen Kampfe um's Dasein
mit den kampfgeübteren Europäern weder geistig noch körperlich
gewachsen sind. Manche Maori unterscheiden sich jedoch kaum von
Europäern.

Die übrige Bevölkerung bildet jetzt die überwiegendste Masse.
Sie beläuft sich auf etwas über 625.000 Köpfe. Sie ist vorwiegend
europäischen, meist britischen Ursprunges, und besteht aus Ein-
wanderern oder Nachkommenschaft von Einwanderern; darunter
sind etwa 5000 Deutsche. In neuerer Zeit sind auch an 5000
Chinesen zugezogen, welche namentlich als Kuli Verwendung finden.
Diese Chinesen können jedoch nur als eine vorübergehende Bevöl-

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Auckland.
waren dann wieder genöthigt, zur Sicherung ihres Besitzes und ihrer Colonisten
Kriegszüge zu unternehmen. Diese Schwierigkeiten haben durch einige Zeit recht
schwer auf der jungen Colonie gelastet, umsomehr, als man sich immer mehr
überzeugte, dass es kaum möglich sein werde, die Eingebornen zu einem fried-
lichen und vertrauensvollen Zusammenleben zu vermögen.

1854 erhielt Neuseeland eine selbständige Verfassung mit eigenem Parla-
mente. Aber noch dauerte es mehr dreissig Jahre, bis (seit 1886) völliger Friede
in der Colonie gesichert war. Die Maori wollten auf ihre Unabhängigkeit nicht
verzichten und wurden, je mehr sie den englischen Waffen auch unterlagen, nur
noch erbitterter. Mehr als ein Feldzug musste gegen die Maori unternommen
werden, und dazwischen dauerten die kleinen Feindseligkeiten fort, welche das
Leben und den friedlichen Erwerb der Colonisten fort und fort bedrohten. Immer
mehr machte sich die Ansicht geltend, dass an einen Frieden mit den Maori nicht
zu denken sei. Wenn man auch nicht gerade das Princip aufstellte, so sah man
sich doch thatsächlich zu einer Art von Vernichtungskrieg gezwungen. Wie bei den
meisten Ureinwohnern der von den Europäern in Besitz genommenen Welttheile,
zeigte sich das Volksthum der Maori nicht widerstandsfähig. Der stete Kampf, die
ununterbrochene Concentrirung aller Bestrebungen auf die Vertreibung und Ver-
nichtung der verhassten Weissen, das Elend des eigenen, an Entbehrungen reichen
Daseins, namentlich aber die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten
erschöpften in kurzer Zeit im Ringen mit einem viel kräftigeren Feinde die
Kräfte der Eingebornen. Der Kampf mit den Maori fand sein Ende, nicht durch
deren endgiltige Unterwerfung, wohl aber durch deren rasches Absterben.

Heute kann man schon mit Bestimmtheit voraussagen, dass
der Tag nicht allzuferne sei, an welchem die Ureinwohner Neusee-
lands nur mehr in der Tradition fortleben werden. Als Neuseeland
in Besitz genommen ward, veranschlagte man die Zahl der Maori auf
120.000 Seelen. Heute sollen deren nach einer möglichst genauen
Erhebung nur mehr 40.000 Seelen (darunter 17.000 weiblichen Ge-
schlechtes) auf der ganzen Inselgruppe vorhanden sein, und sind alle
zum Christenthume bekehrt. Die Maori sind der geistig und körperlich
tüchtigste Volkszweig der australischen Rassen, auch haben sie sich
des Genusses von Branntwein ziemlich enthalten, und dennoch müssen
sie zu Grunde gehen, weil sie dem ungleichen Kampfe um’s Dasein
mit den kampfgeübteren Europäern weder geistig noch körperlich
gewachsen sind. Manche Maori unterscheiden sich jedoch kaum von
Europäern.

Die übrige Bevölkerung bildet jetzt die überwiegendste Masse.
Sie beläuft sich auf etwas über 625.000 Köpfe. Sie ist vorwiegend
europäischen, meist britischen Ursprunges, und besteht aus Ein-
wanderern oder Nachkommenschaft von Einwanderern; darunter
sind etwa 5000 Deutsche. In neuerer Zeit sind auch an 5000
Chinesen zugezogen, welche namentlich als Kuli Verwendung finden.
Diese Chinesen können jedoch nur als eine vorübergehende Bevöl-

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[819/0835] Auckland. waren dann wieder genöthigt, zur Sicherung ihres Besitzes und ihrer Colonisten Kriegszüge zu unternehmen. Diese Schwierigkeiten haben durch einige Zeit recht schwer auf der jungen Colonie gelastet, umsomehr, als man sich immer mehr überzeugte, dass es kaum möglich sein werde, die Eingebornen zu einem fried- lichen und vertrauensvollen Zusammenleben zu vermögen. 1854 erhielt Neuseeland eine selbständige Verfassung mit eigenem Parla- mente. Aber noch dauerte es mehr dreissig Jahre, bis (seit 1886) völliger Friede in der Colonie gesichert war. Die Maori wollten auf ihre Unabhängigkeit nicht verzichten und wurden, je mehr sie den englischen Waffen auch unterlagen, nur noch erbitterter. Mehr als ein Feldzug musste gegen die Maori unternommen werden, und dazwischen dauerten die kleinen Feindseligkeiten fort, welche das Leben und den friedlichen Erwerb der Colonisten fort und fort bedrohten. Immer mehr machte sich die Ansicht geltend, dass an einen Frieden mit den Maori nicht zu denken sei. Wenn man auch nicht gerade das Princip aufstellte, so sah man sich doch thatsächlich zu einer Art von Vernichtungskrieg gezwungen. Wie bei den meisten Ureinwohnern der von den Europäern in Besitz genommenen Welttheile, zeigte sich das Volksthum der Maori nicht widerstandsfähig. Der stete Kampf, die ununterbrochene Concentrirung aller Bestrebungen auf die Vertreibung und Ver- nichtung der verhassten Weissen, das Elend des eigenen, an Entbehrungen reichen Daseins, namentlich aber die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten erschöpften in kurzer Zeit im Ringen mit einem viel kräftigeren Feinde die Kräfte der Eingebornen. Der Kampf mit den Maori fand sein Ende, nicht durch deren endgiltige Unterwerfung, wohl aber durch deren rasches Absterben. Heute kann man schon mit Bestimmtheit voraussagen, dass der Tag nicht allzuferne sei, an welchem die Ureinwohner Neusee- lands nur mehr in der Tradition fortleben werden. Als Neuseeland in Besitz genommen ward, veranschlagte man die Zahl der Maori auf 120.000 Seelen. Heute sollen deren nach einer möglichst genauen Erhebung nur mehr 40.000 Seelen (darunter 17.000 weiblichen Ge- schlechtes) auf der ganzen Inselgruppe vorhanden sein, und sind alle zum Christenthume bekehrt. Die Maori sind der geistig und körperlich tüchtigste Volkszweig der australischen Rassen, auch haben sie sich des Genusses von Branntwein ziemlich enthalten, und dennoch müssen sie zu Grunde gehen, weil sie dem ungleichen Kampfe um’s Dasein mit den kampfgeübteren Europäern weder geistig noch körperlich gewachsen sind. Manche Maori unterscheiden sich jedoch kaum von Europäern. Die übrige Bevölkerung bildet jetzt die überwiegendste Masse. Sie beläuft sich auf etwas über 625.000 Köpfe. Sie ist vorwiegend europäischen, meist britischen Ursprunges, und besteht aus Ein- wanderern oder Nachkommenschaft von Einwanderern; darunter sind etwa 5000 Deutsche. In neuerer Zeit sind auch an 5000 Chinesen zugezogen, welche namentlich als Kuli Verwendung finden. Diese Chinesen können jedoch nur als eine vorübergehende Bevöl- 103*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/835>, abgerufen am 27.04.2024.