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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
ebenso verhindert der directe Einfluss der See, dass der Hafen in
strenger Winterszeit durch Eismassen sich schliesst. In seltenen Fällen
ereignet es sich zwar, dass durch schweres Eis fast aller Verkehr
für kurze Zeit stagnirt; dann gleichen Hudson und Bay fast einer
polaren Gegend. Doch dauert dies nie lange, aber die Herrschaft des
Winters mit seinen orkanartigen, meist aus Nordwest tobenden Stürmen
und den starken Schneefällen wird oft zur Geissel der Navigation in
der Bucht von New-York und vor der Einfahrt in dieselbe. Fast in
jedem Winter ereignen sich an dieser Küste Unfälle, welchen Menschen-
leben und grosse Werthe zum Opfer fallen.

Das Winterbild des Hafens ist eigenthümlich. Die verkehrenden
Dampfboote sind mit dicken Eiskrusten bedeckt, und Eisbrecher mit
mächtigen Sporen trachten die wichtigsten Verkehrsadern offen zu
halten. Dennoch ereignet es sich, dass selbst Ferryboote auf ihrer
kurzen Route von einem zum anderen Ufer der Eismassen wegen
plötzlich die Fahrt zu hemmen gezwungen sind. Dann schlägt man
Brücken über die Eisdecke und befreit die Gefangenen; doch sobald
die Verhältnisse es nur irgend ermöglichen, werden die Fahrten wieder
aufgenommen. Leichtes Eis überwältigen die wohlconstruirten Fahr-
zeuge mit eigener Kraft.

Ein anderes grosses Hemmniss für den Verkehr sind die im
Frühjahre und Herbst oft einsetzenden dichten Nebel. Für die nahen
Strecken des Localverkehres hat man auf Mittel gesonnen, dieser
Calamität zu begegnen. Mit bewundernswerther Geschicklichkeit führen
die Capitäne ihre Fahrzeuge, einzig dem Schalle horchend, in das
undurchdringliche Grau. Sowohl die Schiffe selbst als auch deren
Anlegestationen haben nämlich gleichartige akustische Apparate, welche
fortwährend in Thätigkeit erhalten werden. Welch sonderbares Con-
cert bei der Verschiedenartigkeit der Töne und der Unzahl der Fahr-
zeuge! Bald sind es helle Glocken, bald erschütternde tiefe Töne der
Dampfpfeifen, oder die ergreifenden Klänge oder ganze Accorde von
Aeolsharfen, mit welchen Schiff und Station sich anzulocken trachten.
Dennoch vollziehen sich Ankunft und Abfahrt mit staunenswerther
Präcision und Raschheit.

Die Fahrpreise auf Ferrybooten für das Uebersetzen auf das jen-
seitige Stadtufer sind äusserst niedrig; sie betragen nur 1 Cent in
den Morgen- und Abendstunden, unter Tags aber 2 Cent.

Nach dem letzten Census im Jahre 1880 entfielen auf New-York
allein 1,206.300 Einwohner, auf Brooklyn 566.663, auf Jersey-City
und Hoboken 151.721, Long-Island-City 17.129, also zusammen

Die atlantische Küste von Amerika.
ebenso verhindert der directe Einfluss der See, dass der Hafen in
strenger Winterszeit durch Eismassen sich schliesst. In seltenen Fällen
ereignet es sich zwar, dass durch schweres Eis fast aller Verkehr
für kurze Zeit stagnirt; dann gleichen Hudson und Bay fast einer
polaren Gegend. Doch dauert dies nie lange, aber die Herrschaft des
Winters mit seinen orkanartigen, meist aus Nordwest tobenden Stürmen
und den starken Schneefällen wird oft zur Geissel der Navigation in
der Bucht von New-York und vor der Einfahrt in dieselbe. Fast in
jedem Winter ereignen sich an dieser Küste Unfälle, welchen Menschen-
leben und grosse Werthe zum Opfer fallen.

Das Winterbild des Hafens ist eigenthümlich. Die verkehrenden
Dampfboote sind mit dicken Eiskrusten bedeckt, und Eisbrecher mit
mächtigen Sporen trachten die wichtigsten Verkehrsadern offen zu
halten. Dennoch ereignet es sich, dass selbst Ferryboote auf ihrer
kurzen Route von einem zum anderen Ufer der Eismassen wegen
plötzlich die Fahrt zu hemmen gezwungen sind. Dann schlägt man
Brücken über die Eisdecke und befreit die Gefangenen; doch sobald
die Verhältnisse es nur irgend ermöglichen, werden die Fahrten wieder
aufgenommen. Leichtes Eis überwältigen die wohlconstruirten Fahr-
zeuge mit eigener Kraft.

Ein anderes grosses Hemmniss für den Verkehr sind die im
Frühjahre und Herbst oft einsetzenden dichten Nebel. Für die nahen
Strecken des Localverkehres hat man auf Mittel gesonnen, dieser
Calamität zu begegnen. Mit bewundernswerther Geschicklichkeit führen
die Capitäne ihre Fahrzeuge, einzig dem Schalle horchend, in das
undurchdringliche Grau. Sowohl die Schiffe selbst als auch deren
Anlegestationen haben nämlich gleichartige akustische Apparate, welche
fortwährend in Thätigkeit erhalten werden. Welch sonderbares Con-
cert bei der Verschiedenartigkeit der Töne und der Unzahl der Fahr-
zeuge! Bald sind es helle Glocken, bald erschütternde tiefe Töne der
Dampfpfeifen, oder die ergreifenden Klänge oder ganze Accorde von
Aeolsharfen, mit welchen Schiff und Station sich anzulocken trachten.
Dennoch vollziehen sich Ankunft und Abfahrt mit staunenswerther
Präcision und Raschheit.

Die Fahrpreise auf Ferrybooten für das Uebersetzen auf das jen-
seitige Stadtufer sind äusserst niedrig; sie betragen nur 1 Cent in
den Morgen- und Abendstunden, unter Tags aber 2 Cent.

Nach dem letzten Census im Jahre 1880 entfielen auf New-York
allein 1,206.300 Einwohner, auf Brooklyn 566.663, auf Jersey-City
und Hoboken 151.721, Long-Island-City 17.129, also zusammen

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[52/0068] Die atlantische Küste von Amerika. ebenso verhindert der directe Einfluss der See, dass der Hafen in strenger Winterszeit durch Eismassen sich schliesst. In seltenen Fällen ereignet es sich zwar, dass durch schweres Eis fast aller Verkehr für kurze Zeit stagnirt; dann gleichen Hudson und Bay fast einer polaren Gegend. Doch dauert dies nie lange, aber die Herrschaft des Winters mit seinen orkanartigen, meist aus Nordwest tobenden Stürmen und den starken Schneefällen wird oft zur Geissel der Navigation in der Bucht von New-York und vor der Einfahrt in dieselbe. Fast in jedem Winter ereignen sich an dieser Küste Unfälle, welchen Menschen- leben und grosse Werthe zum Opfer fallen. Das Winterbild des Hafens ist eigenthümlich. Die verkehrenden Dampfboote sind mit dicken Eiskrusten bedeckt, und Eisbrecher mit mächtigen Sporen trachten die wichtigsten Verkehrsadern offen zu halten. Dennoch ereignet es sich, dass selbst Ferryboote auf ihrer kurzen Route von einem zum anderen Ufer der Eismassen wegen plötzlich die Fahrt zu hemmen gezwungen sind. Dann schlägt man Brücken über die Eisdecke und befreit die Gefangenen; doch sobald die Verhältnisse es nur irgend ermöglichen, werden die Fahrten wieder aufgenommen. Leichtes Eis überwältigen die wohlconstruirten Fahr- zeuge mit eigener Kraft. Ein anderes grosses Hemmniss für den Verkehr sind die im Frühjahre und Herbst oft einsetzenden dichten Nebel. Für die nahen Strecken des Localverkehres hat man auf Mittel gesonnen, dieser Calamität zu begegnen. Mit bewundernswerther Geschicklichkeit führen die Capitäne ihre Fahrzeuge, einzig dem Schalle horchend, in das undurchdringliche Grau. Sowohl die Schiffe selbst als auch deren Anlegestationen haben nämlich gleichartige akustische Apparate, welche fortwährend in Thätigkeit erhalten werden. Welch sonderbares Con- cert bei der Verschiedenartigkeit der Töne und der Unzahl der Fahr- zeuge! Bald sind es helle Glocken, bald erschütternde tiefe Töne der Dampfpfeifen, oder die ergreifenden Klänge oder ganze Accorde von Aeolsharfen, mit welchen Schiff und Station sich anzulocken trachten. Dennoch vollziehen sich Ankunft und Abfahrt mit staunenswerther Präcision und Raschheit. Die Fahrpreise auf Ferrybooten für das Uebersetzen auf das jen- seitige Stadtufer sind äusserst niedrig; sie betragen nur 1 Cent in den Morgen- und Abendstunden, unter Tags aber 2 Cent. Nach dem letzten Census im Jahre 1880 entfielen auf New-York allein 1,206.300 Einwohner, auf Brooklyn 566.663, auf Jersey-City und Hoboken 151.721, Long-Island-City 17.129, also zusammen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/68>, abgerufen am 27.04.2024.