Links von der Battery, der südlichsten Spitze der die Stadt New-York tragenden Manhattan-Insel, öffnet sich vor dem Blicke der mächtige, in fast gerader Richtung gestreckte Arm des Hudson- oder North-River, rechts der East-River mit seinen Windungen und Buchten. Beide umspülen die Gestade der eigentlichen Stadt New-York, während ihre Schwesterstädte Brooklyn am linken Ufer des East-River, Jersey- City und Hoboken hingegen am rechten Hudson-Ufer ihr gegenüber liegen.
Nicht allein die Grösse der himmelanstrebenden Paläste New- Yorks, nicht die unzähligen Kirchthürme und die seltsamen Formen der kolossalen, merkantilen und industriellen Zwecken dienenden Baulichkeiten, noch das majestätisch auf Hügeln erbaute Brooklyn sind es, welche uns fesseln, sondern das jede Vorstellung über- bietende Leben und Treiben auf der Wasserfläche tritt in den Vorder- grund unseres Interesses.
Die breiten Wasserstrassen haben die directe Verbindung der Schwesterstädte durch viele Brücken nicht möglich gemacht; daher vollzieht sich täglich eine wahre Völkerwanderung zu Schiff zwischen den Ufern der beiden Flüsse. New-Yorks thätige Bevölkerung hat die bestmöglichen Verkehrsmittel an jenen prächtige Dampfbooten, welche ganze Ortbewohnerschaften sammt Hab und Gut, Wagen und Pferd in wenigen Minuten von den meilenweit entlegenen Punkten eines Stadttheils zu einem anderen überführen können. Solcher Boote verkehren gegen 400, alle "full speed", mit ganzer Kraft, rauchend, pustend und pfeifend, und trotz dieses betäubenden Getöses werden die Ausweicheregeln pünktlich befolgt, so dass höchst selten Unfälle vorkommen.
Der gewaltige Hudson bildet das Endziel der prächtigen Post- dampfer des europäischen Verkehrs, welche zumeist die Gestade von Jersey-City und Hoboken, das wahre Centrum des Eisenbahnnetzes, aufsuchen.
Der Hauptverkehr von hoher See wendet sich hingegen nach dem East-River, welcher sich im oberen Laufe sehr verengt, überdies durch seine zahlreichen natürlichen Buchten und Einschnitte den Schiffen insbesondere im Winter bessere Zufluchtsstätten bietet.
Alles sucht Schutz in seinem schirmenden Arme, wo das mari- time Hilfspersonal, alle dienstbaren Fahrzeuge, unzählige Schlepp- dampfer (boxer) und tausende von arbeitsamen Menschen concentrirt sind. Zahllose Localboote verkehren auch am East-River, auf dem das ruhelose Treiben den Höhepunkt erreicht.
Die atlantische Küste von Amerika.
Links von der Battery, der südlichsten Spitze der die Stadt New-York tragenden Manhattan-Insel, öffnet sich vor dem Blicke der mächtige, in fast gerader Richtung gestreckte Arm des Hudson- oder North-River, rechts der East-River mit seinen Windungen und Buchten. Beide umspülen die Gestade der eigentlichen Stadt New-York, während ihre Schwesterstädte Brooklyn am linken Ufer des East-River, Jersey- City und Hoboken hingegen am rechten Hudson-Ufer ihr gegenüber liegen.
Nicht allein die Grösse der himmelanstrebenden Paläste New- Yorks, nicht die unzähligen Kirchthürme und die seltsamen Formen der kolossalen, merkantilen und industriellen Zwecken dienenden Baulichkeiten, noch das majestätisch auf Hügeln erbaute Brooklyn sind es, welche uns fesseln, sondern das jede Vorstellung über- bietende Leben und Treiben auf der Wasserfläche tritt in den Vorder- grund unseres Interesses.
Die breiten Wasserstrassen haben die directe Verbindung der Schwesterstädte durch viele Brücken nicht möglich gemacht; daher vollzieht sich täglich eine wahre Völkerwanderung zu Schiff zwischen den Ufern der beiden Flüsse. New-Yorks thätige Bevölkerung hat die bestmöglichen Verkehrsmittel an jenen prächtige Dampfbooten, welche ganze Ortbewohnerschaften sammt Hab und Gut, Wagen und Pferd in wenigen Minuten von den meilenweit entlegenen Punkten eines Stadttheils zu einem anderen überführen können. Solcher Boote verkehren gegen 400, alle „full speed“, mit ganzer Kraft, rauchend, pustend und pfeifend, und trotz dieses betäubenden Getöses werden die Ausweicheregeln pünktlich befolgt, so dass höchst selten Unfälle vorkommen.
Der gewaltige Hudson bildet das Endziel der prächtigen Post- dampfer des europäischen Verkehrs, welche zumeist die Gestade von Jersey-City und Hoboken, das wahre Centrum des Eisenbahnnetzes, aufsuchen.
Der Hauptverkehr von hoher See wendet sich hingegen nach dem East-River, welcher sich im oberen Laufe sehr verengt, überdies durch seine zahlreichen natürlichen Buchten und Einschnitte den Schiffen insbesondere im Winter bessere Zufluchtsstätten bietet.
Alles sucht Schutz in seinem schirmenden Arme, wo das mari- time Hilfspersonal, alle dienstbaren Fahrzeuge, unzählige Schlepp- dampfer (boxer) und tausende von arbeitsamen Menschen concentrirt sind. Zahllose Localboote verkehren auch am East-River, auf dem das ruhelose Treiben den Höhepunkt erreicht.
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Die atlantische Küste von Amerika.
Links von der Battery, der südlichsten Spitze der die Stadt
New-York tragenden Manhattan-Insel, öffnet sich vor dem Blicke der
mächtige, in fast gerader Richtung gestreckte Arm des Hudson- oder
North-River, rechts der East-River mit seinen Windungen und Buchten.
Beide umspülen die Gestade der eigentlichen Stadt New-York, während
ihre Schwesterstädte Brooklyn am linken Ufer des East-River, Jersey-
City und Hoboken hingegen am rechten Hudson-Ufer ihr gegenüber
liegen.
Nicht allein die Grösse der himmelanstrebenden Paläste New-
Yorks, nicht die unzähligen Kirchthürme und die seltsamen Formen
der kolossalen, merkantilen und industriellen Zwecken dienenden
Baulichkeiten, noch das majestätisch auf Hügeln erbaute Brooklyn
sind es, welche uns fesseln, sondern das jede Vorstellung über-
bietende Leben und Treiben auf der Wasserfläche tritt in den Vorder-
grund unseres Interesses.
Die breiten Wasserstrassen haben die directe Verbindung der
Schwesterstädte durch viele Brücken nicht möglich gemacht; daher
vollzieht sich täglich eine wahre Völkerwanderung zu Schiff zwischen
den Ufern der beiden Flüsse. New-Yorks thätige Bevölkerung hat
die bestmöglichen Verkehrsmittel an jenen prächtige Dampfbooten,
welche ganze Ortbewohnerschaften sammt Hab und Gut, Wagen und
Pferd in wenigen Minuten von den meilenweit entlegenen Punkten
eines Stadttheils zu einem anderen überführen können. Solcher Boote
verkehren gegen 400, alle „full speed“, mit ganzer Kraft, rauchend,
pustend und pfeifend, und trotz dieses betäubenden Getöses werden
die Ausweicheregeln pünktlich befolgt, so dass höchst selten Unfälle
vorkommen.
Der gewaltige Hudson bildet das Endziel der prächtigen Post-
dampfer des europäischen Verkehrs, welche zumeist die Gestade von
Jersey-City und Hoboken, das wahre Centrum des Eisenbahnnetzes,
aufsuchen.
Der Hauptverkehr von hoher See wendet sich hingegen nach
dem East-River, welcher sich im oberen Laufe sehr verengt, überdies
durch seine zahlreichen natürlichen Buchten und Einschnitte den
Schiffen insbesondere im Winter bessere Zufluchtsstätten bietet.
Alles sucht Schutz in seinem schirmenden Arme, wo das mari-
time Hilfspersonal, alle dienstbaren Fahrzeuge, unzählige Schlepp-
dampfer (boxer) und tausende von arbeitsamen Menschen concentrirt
sind. Zahllose Localboote verkehren auch am East-River, auf dem
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/66>, abgerufen am 24.11.2024.
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