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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Bombay.
pietätlos erscheinende Art ihrer Todtenbestattung wurde bereits bei
der Beschreibung des Malabar Hill erwähnt; zu bemerken ist dazu
noch, dass die Parsen, wenngleich in ihrem rein deistischen Cultus
das Feuer eine wichtige Rolle spielt, dennoch keine Feueranbeter
sind, wie oft, aber unrichtig behauptet wurde. In den letzten Jahren
wurden in Bombay Institutionen gegründet, um das geistige Niveau
des parsischen Priesterstandes zu heben, der insofern eine Kaste
bildet, als nur der Sohn eines Priesters wieder Priester werden kann,
doch keineswegs hiezu gezwungen ist. Bezeichnend ist auch, dass
nicht weniger als 32 wohlthätige Anstalten Bombays durch Parsen
-- entweder von Einzelnen oder von Vereinigungen -- ins Leben
gerufen worden sind.

Unter den der Mehrzahl nach schiitischen Mohammedanern
Bombays sind die hausierenden Bohras bemerkenswerth, die ungemein
geduldig, doch leidenschaftliche Spieler sind. Seit Bombay das
"Thor von Mekka", nämlich der Antrittsort der Pilgerfahrten zum
Grabe des Propheten geworden ist, sammeln sich hier alljährlich im
Winter die verschiedensten mohammedanischen Stämme und Secten
Asiens.

Die Juden und die Mischlinge Bombays nehmen hier nur ganz
untergeordnete Stellungen ein; das einzige jüdische Grosshandlungs-
haus Sassoon gelangte zu Ansehen und Reichthum und dessen Chef
zum englischen Rittertitel.

Erfreulicherweise leben in Bombay alle Angehörigen der ver-
schiedenartigsten Religionen und Rassen ruhig und friedlich neben-
und durcheinander; die Erscheinung, dass bestimmte Stadtviertel aus-
schliesslich nur von einer oder der anderen Confession oder Natio-
nalität bewohnt werden, findet sich in Bombay nicht.

Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit der Lebensader Bombay's,
dem Hafen zu. Der Hafen von Bombay besitzt alle jene Ressourcen,
die für die Schiffahrt nothwendig sind, in Hülle und Fülle; er ist
geräumig und im Allgemeinen von ausreichender Tiefe. Während der
Zeit des sommerlichen Südwestmonsuns ist das Laden und Löschen
im Hafen manchmal erschwert oder auch unmöglich, weshalb seitens
der Regierung eine Anzahl grösserer Bassins erbaut wurde, in welchen
die Schiffe vortrefflich gesichert liegen. Die Aufsicht über diese
Bassins ist dem Port Trust übergeben, einem Aufsichtscomite, das
theils aus Mitgliedern, die vom Gouverneur ernannt werden, theils
aus Vertretern der Handelskammern und des betheiligten Publicums
zusammengesetzt ist.


Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 76

Bombay.
pietätlos erscheinende Art ihrer Todtenbestattung wurde bereits bei
der Beschreibung des Malabar Hill erwähnt; zu bemerken ist dazu
noch, dass die Parsen, wenngleich in ihrem rein deistischen Cultus
das Feuer eine wichtige Rolle spielt, dennoch keine Feueranbeter
sind, wie oft, aber unrichtig behauptet wurde. In den letzten Jahren
wurden in Bombay Institutionen gegründet, um das geistige Niveau
des parsischen Priesterstandes zu heben, der insofern eine Kaste
bildet, als nur der Sohn eines Priesters wieder Priester werden kann,
doch keineswegs hiezu gezwungen ist. Bezeichnend ist auch, dass
nicht weniger als 32 wohlthätige Anstalten Bombays durch Parsen
— entweder von Einzelnen oder von Vereinigungen — ins Leben
gerufen worden sind.

Unter den der Mehrzahl nach schiitischen Mohammedanern
Bombays sind die hausierenden Bohras bemerkenswerth, die ungemein
geduldig, doch leidenschaftliche Spieler sind. Seit Bombay das
„Thor von Mekka“, nämlich der Antrittsort der Pilgerfahrten zum
Grabe des Propheten geworden ist, sammeln sich hier alljährlich im
Winter die verschiedensten mohammedanischen Stämme und Secten
Asiens.

Die Juden und die Mischlinge Bombays nehmen hier nur ganz
untergeordnete Stellungen ein; das einzige jüdische Grosshandlungs-
haus Sassoon gelangte zu Ansehen und Reichthum und dessen Chef
zum englischen Rittertitel.

Erfreulicherweise leben in Bombay alle Angehörigen der ver-
schiedenartigsten Religionen und Rassen ruhig und friedlich neben-
und durcheinander; die Erscheinung, dass bestimmte Stadtviertel aus-
schliesslich nur von einer oder der anderen Confession oder Natio-
nalität bewohnt werden, findet sich in Bombay nicht.

Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit der Lebensader Bombay’s,
dem Hafen zu. Der Hafen von Bombay besitzt alle jene Ressourcen,
die für die Schiffahrt nothwendig sind, in Hülle und Fülle; er ist
geräumig und im Allgemeinen von ausreichender Tiefe. Während der
Zeit des sommerlichen Südwestmonsuns ist das Laden und Löschen
im Hafen manchmal erschwert oder auch unmöglich, weshalb seitens
der Regierung eine Anzahl grösserer Bassins erbaut wurde, in welchen
die Schiffe vortrefflich gesichert liegen. Die Aufsicht über diese
Bassins ist dem Port Trust übergeben, einem Aufsichtscomité, das
theils aus Mitgliedern, die vom Gouverneur ernannt werden, theils
aus Vertretern der Handelskammern und des betheiligten Publicums
zusammengesetzt ist.


Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 76
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[601/0617] Bombay. pietätlos erscheinende Art ihrer Todtenbestattung wurde bereits bei der Beschreibung des Malabar Hill erwähnt; zu bemerken ist dazu noch, dass die Parsen, wenngleich in ihrem rein deistischen Cultus das Feuer eine wichtige Rolle spielt, dennoch keine Feueranbeter sind, wie oft, aber unrichtig behauptet wurde. In den letzten Jahren wurden in Bombay Institutionen gegründet, um das geistige Niveau des parsischen Priesterstandes zu heben, der insofern eine Kaste bildet, als nur der Sohn eines Priesters wieder Priester werden kann, doch keineswegs hiezu gezwungen ist. Bezeichnend ist auch, dass nicht weniger als 32 wohlthätige Anstalten Bombays durch Parsen — entweder von Einzelnen oder von Vereinigungen — ins Leben gerufen worden sind. Unter den der Mehrzahl nach schiitischen Mohammedanern Bombays sind die hausierenden Bohras bemerkenswerth, die ungemein geduldig, doch leidenschaftliche Spieler sind. Seit Bombay das „Thor von Mekka“, nämlich der Antrittsort der Pilgerfahrten zum Grabe des Propheten geworden ist, sammeln sich hier alljährlich im Winter die verschiedensten mohammedanischen Stämme und Secten Asiens. Die Juden und die Mischlinge Bombays nehmen hier nur ganz untergeordnete Stellungen ein; das einzige jüdische Grosshandlungs- haus Sassoon gelangte zu Ansehen und Reichthum und dessen Chef zum englischen Rittertitel. Erfreulicherweise leben in Bombay alle Angehörigen der ver- schiedenartigsten Religionen und Rassen ruhig und friedlich neben- und durcheinander; die Erscheinung, dass bestimmte Stadtviertel aus- schliesslich nur von einer oder der anderen Confession oder Natio- nalität bewohnt werden, findet sich in Bombay nicht. Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit der Lebensader Bombay’s, dem Hafen zu. Der Hafen von Bombay besitzt alle jene Ressourcen, die für die Schiffahrt nothwendig sind, in Hülle und Fülle; er ist geräumig und im Allgemeinen von ausreichender Tiefe. Während der Zeit des sommerlichen Südwestmonsuns ist das Laden und Löschen im Hafen manchmal erschwert oder auch unmöglich, weshalb seitens der Regierung eine Anzahl grösserer Bassins erbaut wurde, in welchen die Schiffe vortrefflich gesichert liegen. Die Aufsicht über diese Bassins ist dem Port Trust übergeben, einem Aufsichtscomité, das theils aus Mitgliedern, die vom Gouverneur ernannt werden, theils aus Vertretern der Handelskammern und des betheiligten Publicums zusammengesetzt ist. Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 76

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/617>, abgerufen am 09.05.2024.