den Transport auf der Brücke. Vor der Erbauung dieses Piers war es oft ungemein beschwerlich und auch manchmal nicht ohne Gefahr, durch die speciell zur Zeit des Nordostmonsuns sehr schwere Brandung den Strand zu gewinnen. Man konnte hiebei zwar die Geschick- lichkeit und Uebung der eingeborenen Bootsleute bewundern, verlangte es sich aber in der Regel nicht, diese Fahrt zu wiederholen.
Wenngleich den dringendsten Bedürfnissen durch die Erbauung der Landungsbrücke einigermassen abgeholfen worden war, so stellte sich doch heraus, dass des Seeganges wegen das Laden und Löschen am Pier vertäuter Schiffe nicht möglich war, ohne die letzteren und die Brücke ernstlich zu gefährden. Da man aber auch den auf der Rhede den Unbilden des Wetters ausgesetzten Fahrzeugen einen Schutz gewähren wollte, entschloss man sich nach langem Zaudern zum Baue eines künstlichen Hafens, der 1880 vollendet wurde und sechs Millionen Gulden gekostet hat. Dieses Hafenbassin liegt vor der Black Town, die Landungsbrücke in der Mitte des Bassins; die äussere Begrenzung bilden zwei mächtige, 1500 m lange Wellen- brecher mit einer schmalen Durchfahrt. Einer dieser Wellenbrecher ist (wie bereits erwähnt) ein Jahr nach seiner Vollendung während eines heftigen Sturmes theilweise zerstört worden, doch wird an dessen Wiederherstellung gearbeitet. Das Hafenbassin bietet für etwa zehn Schiffe genügenden Vertäuungsraum.
Während der schlechten Jahreszeit herrscht selbst bei ruhigem Wetter ein starker Seegang, der auf dem flachen (zumeist sandigen) Strande eine mächtige Brandung erzeugt, welche dem Hafenreglement zufolge nur von den Fahrzeugen der Eingeborenen, den Catamarans und Masulas, passirt werden darf. Die Catamarans sind eine Art von Flössen, die aus mehreren Kokosstämmen zusammengefügt sind und durch einen rittlings sitzenden Ruderer mittelst eines Doppelruders fortbewegt werden; die Masulas sind gebrechlich aussehende Boote mit flachrundem Boden, deren Bretter eigenthümlicher Weise nicht zusammengenagelt, sondern mit Kokosfaserstricken zusammengebunden sind, damit sie das Aufschlagen auf dem flachen Strande besser aus- zuhalten vermögen.
Madras hat (1891) 449.000 Einwohner; von diesen sind drei Viertel Hindus, die übrigen zu gleichen Theilen Mohammedaner und Christen. Die Zahl der Europäer beträgt etwa 2000.
Das Klima von Madras gleicht dem der ganzen angrenzenden Küste; im Winter ist es für den Europäer gesund, im Sommer aber wegen Cholera, Fieber und Dysenterie gefährlich. Im December und
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Madras.
den Transport auf der Brücke. Vor der Erbauung dieses Piers war es oft ungemein beschwerlich und auch manchmal nicht ohne Gefahr, durch die speciell zur Zeit des Nordostmonsuns sehr schwere Brandung den Strand zu gewinnen. Man konnte hiebei zwar die Geschick- lichkeit und Uebung der eingeborenen Bootsleute bewundern, verlangte es sich aber in der Regel nicht, diese Fahrt zu wiederholen.
Wenngleich den dringendsten Bedürfnissen durch die Erbauung der Landungsbrücke einigermassen abgeholfen worden war, so stellte sich doch heraus, dass des Seeganges wegen das Laden und Löschen am Pier vertäuter Schiffe nicht möglich war, ohne die letzteren und die Brücke ernstlich zu gefährden. Da man aber auch den auf der Rhede den Unbilden des Wetters ausgesetzten Fahrzeugen einen Schutz gewähren wollte, entschloss man sich nach langem Zaudern zum Baue eines künstlichen Hafens, der 1880 vollendet wurde und sechs Millionen Gulden gekostet hat. Dieses Hafenbassin liegt vor der Black Town, die Landungsbrücke in der Mitte des Bassins; die äussere Begrenzung bilden zwei mächtige, 1500 m lange Wellen- brecher mit einer schmalen Durchfahrt. Einer dieser Wellenbrecher ist (wie bereits erwähnt) ein Jahr nach seiner Vollendung während eines heftigen Sturmes theilweise zerstört worden, doch wird an dessen Wiederherstellung gearbeitet. Das Hafenbassin bietet für etwa zehn Schiffe genügenden Vertäuungsraum.
Während der schlechten Jahreszeit herrscht selbst bei ruhigem Wetter ein starker Seegang, der auf dem flachen (zumeist sandigen) Strande eine mächtige Brandung erzeugt, welche dem Hafenreglement zufolge nur von den Fahrzeugen der Eingeborenen, den Catamarans und Masulas, passirt werden darf. Die Catamarans sind eine Art von Flössen, die aus mehreren Kokosstämmen zusammengefügt sind und durch einen rittlings sitzenden Ruderer mittelst eines Doppelruders fortbewegt werden; die Masulas sind gebrechlich aussehende Boote mit flachrundem Boden, deren Bretter eigenthümlicher Weise nicht zusammengenagelt, sondern mit Kokosfaserstricken zusammengebunden sind, damit sie das Aufschlagen auf dem flachen Strande besser aus- zuhalten vermögen.
Madras hat (1891) 449.000 Einwohner; von diesen sind drei Viertel Hindus, die übrigen zu gleichen Theilen Mohammedaner und Christen. Die Zahl der Europäer beträgt etwa 2000.
Das Klima von Madras gleicht dem der ganzen angrenzenden Küste; im Winter ist es für den Europäer gesund, im Sommer aber wegen Cholera, Fieber und Dysenterie gefährlich. Im December und
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Madras.
den Transport auf der Brücke. Vor der Erbauung dieses Piers war
es oft ungemein beschwerlich und auch manchmal nicht ohne Gefahr,
durch die speciell zur Zeit des Nordostmonsuns sehr schwere Brandung
den Strand zu gewinnen. Man konnte hiebei zwar die Geschick-
lichkeit und Uebung der eingeborenen Bootsleute bewundern, verlangte
es sich aber in der Regel nicht, diese Fahrt zu wiederholen.
Wenngleich den dringendsten Bedürfnissen durch die Erbauung
der Landungsbrücke einigermassen abgeholfen worden war, so stellte
sich doch heraus, dass des Seeganges wegen das Laden und Löschen
am Pier vertäuter Schiffe nicht möglich war, ohne die letzteren und
die Brücke ernstlich zu gefährden. Da man aber auch den auf der
Rhede den Unbilden des Wetters ausgesetzten Fahrzeugen einen
Schutz gewähren wollte, entschloss man sich nach langem Zaudern
zum Baue eines künstlichen Hafens, der 1880 vollendet wurde und
sechs Millionen Gulden gekostet hat. Dieses Hafenbassin liegt vor der
Black Town, die Landungsbrücke in der Mitte des Bassins; die
äussere Begrenzung bilden zwei mächtige, 1500 m lange Wellen-
brecher mit einer schmalen Durchfahrt. Einer dieser Wellenbrecher
ist (wie bereits erwähnt) ein Jahr nach seiner Vollendung während
eines heftigen Sturmes theilweise zerstört worden, doch wird an dessen
Wiederherstellung gearbeitet. Das Hafenbassin bietet für etwa zehn
Schiffe genügenden Vertäuungsraum.
Während der schlechten Jahreszeit herrscht selbst bei ruhigem
Wetter ein starker Seegang, der auf dem flachen (zumeist sandigen)
Strande eine mächtige Brandung erzeugt, welche dem Hafenreglement
zufolge nur von den Fahrzeugen der Eingeborenen, den Catamarans
und Masulas, passirt werden darf. Die Catamarans sind eine Art von
Flössen, die aus mehreren Kokosstämmen zusammengefügt sind und
durch einen rittlings sitzenden Ruderer mittelst eines Doppelruders
fortbewegt werden; die Masulas sind gebrechlich aussehende Boote
mit flachrundem Boden, deren Bretter eigenthümlicher Weise nicht
zusammengenagelt, sondern mit Kokosfaserstricken zusammengebunden
sind, damit sie das Aufschlagen auf dem flachen Strande besser aus-
zuhalten vermögen.
Madras hat (1891) 449.000 Einwohner; von diesen sind drei
Viertel Hindus, die übrigen zu gleichen Theilen Mohammedaner und
Christen. Die Zahl der Europäer beträgt etwa 2000.
Das Klima von Madras gleicht dem der ganzen angrenzenden
Küste; im Winter ist es für den Europäer gesund, im Sommer aber
wegen Cholera, Fieber und Dysenterie gefährlich. Im December und
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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