Die Vorstädte Bangkoks bilden einen ausgedehnten Garten, in welchem die Häuser zerstreut liegen; ausserhalb der Vorstädte breiten sich Palmenhaine und eintönige Reisfelder aus. Südlich von der Stadt liegt der aus neuerer Zeit stammende Lotosgarten und das Palais des Kronprinzen, etwa 60 Seemeilen stromaufwärts Ayuthia, die ehemalige Hauptstadt Siams, die im vorigen Jahrhundert durch die Birmanen zerstört wurde.
Ayuthia liegt auf einer Insel, besteht grösstentheils aus schwim- menden Häusern und beginnt sich wieder zu heben, ohne begreif- licherweise je wieder zu jener Pracht und Bedeutung emporsteigen zu können, von welcher die (jetzt mit Schlingpflanzen reich bewachsenen) Ruinen von Tempeln und Pratschedis ein beredtes Zeugniss ablegen.
Am Ufer eines kleinen Nebenarmes des Menam liegt das könig- liche Lustschloss Bangba In, von einem prächtigen Parke umgeben, der durch eine grössere Anzahl von Canälen und Teichen verschönert wird. Die Wohnräume des Königs befinden sich in einer durchaus in europäischem Style erbauten und ebenso eingerichteten Villa. Im Parke zerstreut liegen zahlreiche, in allerlei Formen und Stylarten erbaute Kioske und Pavillons.
Die sanitären Verhältnisse Bangkoks sind im Allgemeinen nicht geradezu ungünstige, die Wasserversorgung jedoch auf Cysternen- wasser und auf filtrirtes Wasser aus dem Menam beschränkt. Oeffent- liche Spitäler bestehen derzeit noch nicht.
Bangkok hat an 400.000 Einwohner, dem Haupttheile nach Siamesen, neben ihnen besonders viele Chinesen, Malaien, Birmanen, Annamiten und Japaner, schliesslich -- allerdings noch in relativ sehr geringer Anzahl -- auch Europäer. Die verschiedenartigen National- trachten, die nach europäischem Muster gekleideten Polizeibeamten und die mannigfaltigen Uniformen der in Bangkok stationirten Truppen spiegeln einerseits am natürlichsten die sehr gemischte Zusammen- setzung der Bevölkerung wieder, führen aber auch andererseits leb- haft vor Augen, welch bedeutende Fortschritte die Nachahmung europäischer Kleidung, Sitten und Einrichtungen bei den Völkern des östlichen Asiens macht -- Fortschritte, denen sich auch das Königreich Siam keineswegs verschliesst. Letzteres gilt insbesondere von der bewaffneten Macht, die durchaus nach europäischem Muster organisirt und adjustirt, sowie mit modernen Hinterladergewehren ausgerüstet ist. Die grosse Kaserne, welche 6000 Mann aufnehmen kann, ist luftig gebaut und wegen ihrer tadellosen Ordnung und Reinlichkeit bemerkenswerth.
Bangkok.
Die Vorstädte Bangkoks bilden einen ausgedehnten Garten, in welchem die Häuser zerstreut liegen; ausserhalb der Vorstädte breiten sich Palmenhaine und eintönige Reisfelder aus. Südlich von der Stadt liegt der aus neuerer Zeit stammende Lotosgarten und das Palais des Kronprinzen, etwa 60 Seemeilen stromaufwärts Ayuthia, die ehemalige Hauptstadt Siams, die im vorigen Jahrhundert durch die Birmanen zerstört wurde.
Ayuthia liegt auf einer Insel, besteht grösstentheils aus schwim- menden Häusern und beginnt sich wieder zu heben, ohne begreif- licherweise je wieder zu jener Pracht und Bedeutung emporsteigen zu können, von welcher die (jetzt mit Schlingpflanzen reich bewachsenen) Ruinen von Tempeln und Pratschedis ein beredtes Zeugniss ablegen.
Am Ufer eines kleinen Nebenarmes des Menam liegt das könig- liche Lustschloss Bangba In, von einem prächtigen Parke umgeben, der durch eine grössere Anzahl von Canälen und Teichen verschönert wird. Die Wohnräume des Königs befinden sich in einer durchaus in europäischem Style erbauten und ebenso eingerichteten Villa. Im Parke zerstreut liegen zahlreiche, in allerlei Formen und Stylarten erbaute Kioske und Pavillons.
Die sanitären Verhältnisse Bangkoks sind im Allgemeinen nicht geradezu ungünstige, die Wasserversorgung jedoch auf Cysternen- wasser und auf filtrirtes Wasser aus dem Menam beschränkt. Oeffent- liche Spitäler bestehen derzeit noch nicht.
Bangkok hat an 400.000 Einwohner, dem Haupttheile nach Siamesen, neben ihnen besonders viele Chinesen, Malaien, Birmanen, Annamiten und Japaner, schliesslich — allerdings noch in relativ sehr geringer Anzahl — auch Europäer. Die verschiedenartigen National- trachten, die nach europäischem Muster gekleideten Polizeibeamten und die mannigfaltigen Uniformen der in Bangkok stationirten Truppen spiegeln einerseits am natürlichsten die sehr gemischte Zusammen- setzung der Bevölkerung wieder, führen aber auch andererseits leb- haft vor Augen, welch bedeutende Fortschritte die Nachahmung europäischer Kleidung, Sitten und Einrichtungen bei den Völkern des östlichen Asiens macht — Fortschritte, denen sich auch das Königreich Siam keineswegs verschliesst. Letzteres gilt insbesondere von der bewaffneten Macht, die durchaus nach europäischem Muster organisirt und adjustirt, sowie mit modernen Hinterladergewehren ausgerüstet ist. Die grosse Kaserne, welche 6000 Mann aufnehmen kann, ist luftig gebaut und wegen ihrer tadellosen Ordnung und Reinlichkeit bemerkenswerth.
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Bangkok.
Die Vorstädte Bangkoks bilden einen ausgedehnten Garten, in
welchem die Häuser zerstreut liegen; ausserhalb der Vorstädte breiten
sich Palmenhaine und eintönige Reisfelder aus. Südlich von der Stadt
liegt der aus neuerer Zeit stammende Lotosgarten und das Palais des
Kronprinzen, etwa 60 Seemeilen stromaufwärts Ayuthia, die ehemalige
Hauptstadt Siams, die im vorigen Jahrhundert durch die Birmanen
zerstört wurde.
Ayuthia liegt auf einer Insel, besteht grösstentheils aus schwim-
menden Häusern und beginnt sich wieder zu heben, ohne begreif-
licherweise je wieder zu jener Pracht und Bedeutung emporsteigen zu
können, von welcher die (jetzt mit Schlingpflanzen reich bewachsenen)
Ruinen von Tempeln und Pratschedis ein beredtes Zeugniss ablegen.
Am Ufer eines kleinen Nebenarmes des Menam liegt das könig-
liche Lustschloss Bangba In, von einem prächtigen Parke umgeben,
der durch eine grössere Anzahl von Canälen und Teichen verschönert
wird. Die Wohnräume des Königs befinden sich in einer durchaus
in europäischem Style erbauten und ebenso eingerichteten Villa. Im
Parke zerstreut liegen zahlreiche, in allerlei Formen und Stylarten
erbaute Kioske und Pavillons.
Die sanitären Verhältnisse Bangkoks sind im Allgemeinen nicht
geradezu ungünstige, die Wasserversorgung jedoch auf Cysternen-
wasser und auf filtrirtes Wasser aus dem Menam beschränkt. Oeffent-
liche Spitäler bestehen derzeit noch nicht.
Bangkok hat an 400.000 Einwohner, dem Haupttheile nach
Siamesen, neben ihnen besonders viele Chinesen, Malaien, Birmanen,
Annamiten und Japaner, schliesslich — allerdings noch in relativ
sehr geringer Anzahl — auch Europäer. Die verschiedenartigen National-
trachten, die nach europäischem Muster gekleideten Polizeibeamten
und die mannigfaltigen Uniformen der in Bangkok stationirten Truppen
spiegeln einerseits am natürlichsten die sehr gemischte Zusammen-
setzung der Bevölkerung wieder, führen aber auch andererseits leb-
haft vor Augen, welch bedeutende Fortschritte die Nachahmung
europäischer Kleidung, Sitten und Einrichtungen bei den Völkern des
östlichen Asiens macht — Fortschritte, denen sich auch das Königreich
Siam keineswegs verschliesst. Letzteres gilt insbesondere von der
bewaffneten Macht, die durchaus nach europäischem Muster organisirt
und adjustirt, sowie mit modernen Hinterladergewehren ausgerüstet
ist. Die grosse Kaserne, welche 6000 Mann aufnehmen kann, ist
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/495>, abgerufen am 22.11.2024.
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