wenn die chinesische Regierung sich zum Baue eines Eisenbahnnetzes entschlossen haben wird, eine sehr hervorragende Bedeutung für den Welthandel erlangen. Eine in der Richtung Nord-Süd durch Hankou geführte Eisenbahnlinie würde Peking und Canton, die nördlichste und die südlichste Grosstadt Chinas, die beide nahezu gleichweit von Hankou entfernt sind, verbinden und zugleich senkrecht auf der einzigen bestehenden natürlichen Wasserstrasse des Yangtsekiang stehen. Die Waaren aus allen Provinzen könnten nach Hankou, als dem künftigen Haupt-Eisenbahnknotenpunkte des inneren Chinas ge- bracht und daselbst unmittelbar auf Seedampfer überladen werden.
Bis jetzt ist es nicht gelungen, einen ausgebreiteten directen Verkehr mit dem Auslande einzurichten. Hankou bezieht die aus- wärtigen Waaren über Schanghai und sendet dorthin vier Fünftel seiner Ausfuhr und nur den Rest unmittelbar nach Grossbritannien und Odessa.
Die Chinesenstadt Hankou ist von einer crenelirten Mauer um- geben. Aus dem Häusermeere ragen drei hochgeschweifte und mit gelben Ziegeln gedeckte Doppeldächer empor, welche die Wohnung des Taotei (Provinzgouverneurs) bezeichnen.
Die etwa 60 europäische Einwohner zählende Fremdennieder- lassung nimmt ein unmittelbar an den Ufern des Yangtseflusses lie- gendes Terrain von 1·6 km Länge und 0·8 km Breite ein. Der mit schattigen Kastanien-Alleen bestandene Bund ist nächst jenem zu Schanghai der schönste in Ostasien und sieht vom Flusse ge- sehen imposant aus. Er ist breit angelegt und besitzt eingezäunte Rasenplätze, sowie einen langen Steinquai mit Eisenballustrade, leidet jedoch an dem Uebelstand, dass er tiefer als der höchste Wasser- stand des Flusses liegt und dass daher einmal im Jahre sämmtliche Strassen der Fremdenniederlassung einige Tage lang unter Wasser stehen, wobei dann der Verkehr in den Strassen nur über gelegte Holzläden möglich ist. Während des abnorm hohen Wasserstandes im Jahre 1889 konnte der Verkehr sogar nur mittelst Kähnen aufrecht erhalten werden. Durch die häufigen Hochwasser werden die Häuser stark unterwaschen und bleiben sie auch die übrige Zeit des Jahres hindurch feucht und ungesund. Von den europäischen Gebäuden zeichnen sich die am Bund gelegenen durch luxuriösen Baustyl, sowie wohlgepflegte kleine Vorgärten aus. Hier stehen eine grosse katholische und je eine kleine protestantische und griechisch-orientalische Kirche; die letztere wurde von den Russen erbaut, die als Kaufleute und Fabrikanten hier grossen Einfluss haben. Die Katholiken unter-
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Chinesische Häfen.
wenn die chinesische Regierung sich zum Baue eines Eisenbahnnetzes entschlossen haben wird, eine sehr hervorragende Bedeutung für den Welthandel erlangen. Eine in der Richtung Nord-Süd durch Hankou geführte Eisenbahnlinie würde Peking und Canton, die nördlichste und die südlichste Grosstadt Chinas, die beide nahezu gleichweit von Hankou entfernt sind, verbinden und zugleich senkrecht auf der einzigen bestehenden natürlichen Wasserstrasse des Yangtsekiang stehen. Die Waaren aus allen Provinzen könnten nach Hankou, als dem künftigen Haupt-Eisenbahnknotenpunkte des inneren Chinas ge- bracht und daselbst unmittelbar auf Seedampfer überladen werden.
Bis jetzt ist es nicht gelungen, einen ausgebreiteten directen Verkehr mit dem Auslande einzurichten. Hankou bezieht die aus- wärtigen Waaren über Schanghai und sendet dorthin vier Fünftel seiner Ausfuhr und nur den Rest unmittelbar nach Grossbritannien und Odessa.
Die Chinesenstadt Hankou ist von einer crenelirten Mauer um- geben. Aus dem Häusermeere ragen drei hochgeschweifte und mit gelben Ziegeln gedeckte Doppeldächer empor, welche die Wohnung des Taotei (Provinzgouverneurs) bezeichnen.
Die etwa 60 europäische Einwohner zählende Fremdennieder- lassung nimmt ein unmittelbar an den Ufern des Yangtseflusses lie- gendes Terrain von 1·6 km Länge und 0·8 km Breite ein. Der mit schattigen Kastanien-Alleen bestandene Bund ist nächst jenem zu Schanghai der schönste in Ostasien und sieht vom Flusse ge- sehen imposant aus. Er ist breit angelegt und besitzt eingezäunte Rasenplätze, sowie einen langen Steinquai mit Eisenballustrade, leidet jedoch an dem Uebelstand, dass er tiefer als der höchste Wasser- stand des Flusses liegt und dass daher einmal im Jahre sämmtliche Strassen der Fremdenniederlassung einige Tage lang unter Wasser stehen, wobei dann der Verkehr in den Strassen nur über gelegte Holzläden möglich ist. Während des abnorm hohen Wasserstandes im Jahre 1889 konnte der Verkehr sogar nur mittelst Kähnen aufrecht erhalten werden. Durch die häufigen Hochwasser werden die Häuser stark unterwaschen und bleiben sie auch die übrige Zeit des Jahres hindurch feucht und ungesund. Von den europäischen Gebäuden zeichnen sich die am Bund gelegenen durch luxuriösen Baustyl, sowie wohlgepflegte kleine Vorgärten aus. Hier stehen eine grosse katholische und je eine kleine protestantische und griechisch-orientalische Kirche; die letztere wurde von den Russen erbaut, die als Kaufleute und Fabrikanten hier grossen Einfluss haben. Die Katholiken unter-
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Chinesische Häfen.
wenn die chinesische Regierung sich zum Baue eines Eisenbahnnetzes
entschlossen haben wird, eine sehr hervorragende Bedeutung für den
Welthandel erlangen. Eine in der Richtung Nord-Süd durch Hankou
geführte Eisenbahnlinie würde Peking und Canton, die nördlichste
und die südlichste Grosstadt Chinas, die beide nahezu gleichweit
von Hankou entfernt sind, verbinden und zugleich senkrecht auf der
einzigen bestehenden natürlichen Wasserstrasse des Yangtsekiang
stehen. Die Waaren aus allen Provinzen könnten nach Hankou, als
dem künftigen Haupt-Eisenbahnknotenpunkte des inneren Chinas ge-
bracht und daselbst unmittelbar auf Seedampfer überladen werden.
Bis jetzt ist es nicht gelungen, einen ausgebreiteten directen
Verkehr mit dem Auslande einzurichten. Hankou bezieht die aus-
wärtigen Waaren über Schanghai und sendet dorthin vier Fünftel
seiner Ausfuhr und nur den Rest unmittelbar nach Grossbritannien
und Odessa.
Die Chinesenstadt Hankou ist von einer crenelirten Mauer um-
geben. Aus dem Häusermeere ragen drei hochgeschweifte und mit
gelben Ziegeln gedeckte Doppeldächer empor, welche die Wohnung
des Taotei (Provinzgouverneurs) bezeichnen.
Die etwa 60 europäische Einwohner zählende Fremdennieder-
lassung nimmt ein unmittelbar an den Ufern des Yangtseflusses lie-
gendes Terrain von 1·6 km Länge und 0·8 km Breite ein. Der mit
schattigen Kastanien-Alleen bestandene Bund ist nächst jenem
zu Schanghai der schönste in Ostasien und sieht vom Flusse ge-
sehen imposant aus. Er ist breit angelegt und besitzt eingezäunte
Rasenplätze, sowie einen langen Steinquai mit Eisenballustrade, leidet
jedoch an dem Uebelstand, dass er tiefer als der höchste Wasser-
stand des Flusses liegt und dass daher einmal im Jahre sämmtliche
Strassen der Fremdenniederlassung einige Tage lang unter Wasser
stehen, wobei dann der Verkehr in den Strassen nur über gelegte
Holzläden möglich ist. Während des abnorm hohen Wasserstandes
im Jahre 1889 konnte der Verkehr sogar nur mittelst Kähnen aufrecht
erhalten werden. Durch die häufigen Hochwasser werden die Häuser
stark unterwaschen und bleiben sie auch die übrige Zeit des Jahres
hindurch feucht und ungesund. Von den europäischen Gebäuden
zeichnen sich die am Bund gelegenen durch luxuriösen Baustyl,
sowie wohlgepflegte kleine Vorgärten aus. Hier stehen eine grosse
katholische und je eine kleine protestantische und griechisch-orientalische
Kirche; die letztere wurde von den Russen erbaut, die als Kaufleute
und Fabrikanten hier grossen Einfluss haben. Die Katholiken unter-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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