Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Japanische Häfen.
zunächst zu erbauende Theilstrecke gethan; diese soll von dem russi-
schen Hafen Wladiwostok an der japanischen See parallel mit dem
Ussuri nordwärts bis zu dessen Mündung in den ebenfalls schiff-
baren Amur bei Chabarowka geführt werden. Von dort wird die
Bahn längs der Nordgrenze Chinas und der Kirgisensteppe über
Irkutsk und Tomsk nach Slatoust bei Orenburg gehen und so den An-
schluss an das Bahnnetz Europas finden. Sie wird im Ganzen eine
Strecke von 6400 km durchlaufen, soll nur 75 Millionen Rubel kosten
und in vier Jahren ganz fertig sein.

Wladiwostok, auf manchen Karten auch Port May genannt,
liegt unter 43° 7' nördl. Breite und 131° 54' östl. Länge am Südende
einer langen Halbinsel, welche in die Bai Peter des Grossen hinein-
ragt. Wegen seiner länglichen und schmalen Form und des gold-
führenden Erdreiches der Hügel, die ihn ringsum umgeben und
schützen, hat man den Hafen nicht ganz mit Unrecht das "Goldene
Horn" genannt.

Dieser schönste Hafen Ostsibiriens, dessen Eingang überdies die
Insel Dundas schützt, kann eine unbegrenzte Zahl von Schiffen des
grössten Tiefganges fassen. Er liegt unter derselben Breite, wie das
"Goldene Horn" Constantinopels, aber trotz einer Fluth, die hier 10 m
hoch ansteigt, ist der Hafen von Weihnachten bis zum Anfange des
April mit Eis bedeckt. Dann müssen die Schiffe in die Diomed-Bai
oder in einen der zahlreichen Ankerplätze an der Ostseite der Insel
Dundas einlaufen und die Waaren über das Eis nach und von
Wladiwostok bringen lassen.

Wladiwostok ist als südlichster Hafen von Sibirien und in der
Nähe Koreas wunderbar für den Handel des Amurlandes und die
Aspirationen Russlands in Ostasien gelegen. Seit zwei Jahrzehnten
berühmt als Knotenpunkt des sibirischen Ueberlandtelegraphen und
der Kabel der Great Eastern Telegraph Cy. (Kopenhagen), ist es die
Hauptschiffstation Russlands am stillen Ocean, und ausgerüstet mit
einem Schwimmdock, das Schiffe von 3000 T aufnehmen kann; bald
wird auch ein gegrabenes Dock erbaut werden.

Die Stadt liegt an der Südseite der Hügel, welche den Hafen
im Norden einsäumen, hat gute Strassen, ist Sitz des Militärgouver-
neurs für den Süd-Ussuridistrict, dessen Residenz von einem öffent-
lichen Garten umgeben ist. Wir finden hier ein Gymnasium, Kasernen
und Spitäler. Die Zahl der Einwohner, welche meist Europäer sind,
beträgt mehr als 12.000, die Garnison hat bei 8000 Mann.


48*

Japanische Häfen.
zunächst zu erbauende Theilstrecke gethan; diese soll von dem russi-
schen Hafen Wladiwostok an der japanischen See parallel mit dem
Ussuri nordwärts bis zu dessen Mündung in den ebenfalls schiff-
baren Amur bei Chabarowka geführt werden. Von dort wird die
Bahn längs der Nordgrenze Chinas und der Kirgisensteppe über
Irkutsk und Tomsk nach Slatoust bei Orenburg gehen und so den An-
schluss an das Bahnnetz Europas finden. Sie wird im Ganzen eine
Strecke von 6400 km durchlaufen, soll nur 75 Millionen Rubel kosten
und in vier Jahren ganz fertig sein.

Wladiwostok, auf manchen Karten auch Port May genannt,
liegt unter 43° 7′ nördl. Breite und 131° 54′ östl. Länge am Südende
einer langen Halbinsel, welche in die Bai Peter des Grossen hinein-
ragt. Wegen seiner länglichen und schmalen Form und des gold-
führenden Erdreiches der Hügel, die ihn ringsum umgeben und
schützen, hat man den Hafen nicht ganz mit Unrecht das „Goldene
Horn“ genannt.

Dieser schönste Hafen Ostsibiriens, dessen Eingang überdies die
Insel Dundas schützt, kann eine unbegrenzte Zahl von Schiffen des
grössten Tiefganges fassen. Er liegt unter derselben Breite, wie das
„Goldene Horn“ Constantinopels, aber trotz einer Fluth, die hier 10 m
hoch ansteigt, ist der Hafen von Weihnachten bis zum Anfange des
April mit Eis bedeckt. Dann müssen die Schiffe in die Diomed-Bai
oder in einen der zahlreichen Ankerplätze an der Ostseite der Insel
Dundas einlaufen und die Waaren über das Eis nach und von
Wladiwostok bringen lassen.

Wladiwostok ist als südlichster Hafen von Sibirien und in der
Nähe Koreas wunderbar für den Handel des Amurlandes und die
Aspirationen Russlands in Ostasien gelegen. Seit zwei Jahrzehnten
berühmt als Knotenpunkt des sibirischen Ueberlandtelegraphen und
der Kabel der Great Eastern Telegraph Cy. (Kopenhagen), ist es die
Hauptschiffstation Russlands am stillen Ocean, und ausgerüstet mit
einem Schwimmdock, das Schiffe von 3000 T aufnehmen kann; bald
wird auch ein gegrabenes Dock erbaut werden.

Die Stadt liegt an der Südseite der Hügel, welche den Hafen
im Norden einsäumen, hat gute Strassen, ist Sitz des Militärgouver-
neurs für den Süd-Ussuridistrict, dessen Residenz von einem öffent-
lichen Garten umgeben ist. Wir finden hier ein Gymnasium, Kasernen
und Spitäler. Die Zahl der Einwohner, welche meist Europäer sind,
beträgt mehr als 12.000, die Garnison hat bei 8000 Mann.


48*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0395" n="379"/><fw place="top" type="header">Japanische Häfen.</fw><lb/>
zunächst zu erbauende Theilstrecke gethan; diese soll von dem russi-<lb/>
schen Hafen <hi rendition="#g">Wladiwostok</hi> an der japanischen See parallel mit dem<lb/>
Ussuri nordwärts bis zu dessen Mündung in den ebenfalls schiff-<lb/>
baren Amur bei Chabarowka geführt werden. Von dort wird die<lb/>
Bahn längs der Nordgrenze Chinas und der Kirgisensteppe über<lb/>
Irkutsk und Tomsk nach Slatoust bei Orenburg gehen und so den An-<lb/>
schluss an das Bahnnetz Europas finden. Sie wird im Ganzen eine<lb/>
Strecke von 6400 <hi rendition="#i">km</hi> durchlaufen, soll nur 75 Millionen Rubel kosten<lb/>
und in vier Jahren ganz fertig sein.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Wladiwostok</hi>, auf manchen Karten auch <hi rendition="#g">Port May</hi> genannt,<lb/>
liegt unter 43° 7&#x2032; nördl. Breite und 131° 54&#x2032; östl. Länge am Südende<lb/>
einer langen Halbinsel, welche in die Bai Peter des Grossen hinein-<lb/>
ragt. Wegen seiner länglichen und schmalen Form und des gold-<lb/>
führenden Erdreiches der Hügel, die ihn ringsum umgeben und<lb/>
schützen, hat man den Hafen nicht ganz mit Unrecht das &#x201E;Goldene<lb/>
Horn&#x201C; genannt.</p><lb/>
            <p>Dieser schönste Hafen Ostsibiriens, dessen Eingang überdies die<lb/>
Insel Dundas schützt, kann eine unbegrenzte Zahl von Schiffen des<lb/>
grössten Tiefganges fassen. Er liegt unter derselben Breite, wie das<lb/>
&#x201E;Goldene Horn&#x201C; Constantinopels, aber trotz einer Fluth, die hier 10 <hi rendition="#i">m</hi><lb/>
hoch ansteigt, ist der Hafen von Weihnachten bis zum Anfange des<lb/>
April mit Eis bedeckt. Dann müssen die Schiffe in die Diomed-Bai<lb/>
oder in einen der zahlreichen Ankerplätze an der Ostseite der Insel<lb/>
Dundas einlaufen und die Waaren über das Eis nach und von<lb/>
Wladiwostok bringen lassen.</p><lb/>
            <p>Wladiwostok ist als südlichster Hafen von Sibirien und in der<lb/>
Nähe Koreas wunderbar für den Handel des Amurlandes und die<lb/>
Aspirationen Russlands in Ostasien gelegen. Seit zwei Jahrzehnten<lb/>
berühmt als Knotenpunkt des sibirischen Ueberlandtelegraphen und<lb/>
der Kabel der Great Eastern Telegraph Cy. (Kopenhagen), ist es die<lb/>
Hauptschiffstation Russlands am stillen Ocean, und ausgerüstet mit<lb/>
einem Schwimmdock, das Schiffe von 3000 <hi rendition="#i">T</hi> aufnehmen kann; bald<lb/>
wird auch ein gegrabenes Dock erbaut werden.</p><lb/>
            <p>Die Stadt liegt an der Südseite der Hügel, welche den Hafen<lb/>
im Norden einsäumen, hat gute Strassen, ist Sitz des Militärgouver-<lb/>
neurs für den Süd-Ussuridistrict, dessen Residenz von einem öffent-<lb/>
lichen Garten umgeben ist. Wir finden hier ein Gymnasium, Kasernen<lb/>
und Spitäler. Die Zahl der Einwohner, welche meist Europäer sind,<lb/>
beträgt mehr als 12.000, die Garnison hat bei 8000 Mann.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">48*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0395] Japanische Häfen. zunächst zu erbauende Theilstrecke gethan; diese soll von dem russi- schen Hafen Wladiwostok an der japanischen See parallel mit dem Ussuri nordwärts bis zu dessen Mündung in den ebenfalls schiff- baren Amur bei Chabarowka geführt werden. Von dort wird die Bahn längs der Nordgrenze Chinas und der Kirgisensteppe über Irkutsk und Tomsk nach Slatoust bei Orenburg gehen und so den An- schluss an das Bahnnetz Europas finden. Sie wird im Ganzen eine Strecke von 6400 km durchlaufen, soll nur 75 Millionen Rubel kosten und in vier Jahren ganz fertig sein. Wladiwostok, auf manchen Karten auch Port May genannt, liegt unter 43° 7′ nördl. Breite und 131° 54′ östl. Länge am Südende einer langen Halbinsel, welche in die Bai Peter des Grossen hinein- ragt. Wegen seiner länglichen und schmalen Form und des gold- führenden Erdreiches der Hügel, die ihn ringsum umgeben und schützen, hat man den Hafen nicht ganz mit Unrecht das „Goldene Horn“ genannt. Dieser schönste Hafen Ostsibiriens, dessen Eingang überdies die Insel Dundas schützt, kann eine unbegrenzte Zahl von Schiffen des grössten Tiefganges fassen. Er liegt unter derselben Breite, wie das „Goldene Horn“ Constantinopels, aber trotz einer Fluth, die hier 10 m hoch ansteigt, ist der Hafen von Weihnachten bis zum Anfange des April mit Eis bedeckt. Dann müssen die Schiffe in die Diomed-Bai oder in einen der zahlreichen Ankerplätze an der Ostseite der Insel Dundas einlaufen und die Waaren über das Eis nach und von Wladiwostok bringen lassen. Wladiwostok ist als südlichster Hafen von Sibirien und in der Nähe Koreas wunderbar für den Handel des Amurlandes und die Aspirationen Russlands in Ostasien gelegen. Seit zwei Jahrzehnten berühmt als Knotenpunkt des sibirischen Ueberlandtelegraphen und der Kabel der Great Eastern Telegraph Cy. (Kopenhagen), ist es die Hauptschiffstation Russlands am stillen Ocean, und ausgerüstet mit einem Schwimmdock, das Schiffe von 3000 T aufnehmen kann; bald wird auch ein gegrabenes Dock erbaut werden. Die Stadt liegt an der Südseite der Hügel, welche den Hafen im Norden einsäumen, hat gute Strassen, ist Sitz des Militärgouver- neurs für den Süd-Ussuridistrict, dessen Residenz von einem öffent- lichen Garten umgeben ist. Wir finden hier ein Gymnasium, Kasernen und Spitäler. Die Zahl der Einwohner, welche meist Europäer sind, beträgt mehr als 12.000, die Garnison hat bei 8000 Mann. 48*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/395
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/395>, abgerufen am 22.11.2024.