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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Valparaiso.
durch den vorliegenden Molo gegen den Seegang der Rhede geschützt
ist. Die Hauptkirche befindet sich auf der Plaza de la Municipalidad,
dort ist auch das Standbild des Admirals Lord Cochrane.

Manche der neueren Bauten erinnern an ähnliche der nordameri-
kanischen Städte. Auf dem Cerro Alegre, über der Stadt, liegen die
meist villenartigen Häuser der englischen und deutschen Kaufleute und
die protestantische Kirche. Im östlichen Stadttheil, El Almendral, sind
die Häuser zumeist einstöckig. An der Plaza Victoria liegt ein Theater,
im östlichen Theile des Almendral der Staatsbahnhof.

Eine Verbindungsbahn mit zahlreichen Haltestellen führt vom
Staatsbahnhof längs des Quais zum Hafen. Am Quai befindet sich der
Membrillo, ein hübscher Spaziergang mit Ausblick auf den Hafen und
dessen Befestigungen.

Die Strassen sind mit Gas oder elektrisch beleuchtet; die Haupt-
strasse, Calle Esmeralda, führt parallel zum Quai. In dieser beleb-
testen Verkehrsader Valparaisos sind zahlreiche stattliche Auslagen,
Bankinstitute und Consulate zu finden. Eine Wasserleitung versorgt
die Stadt mit Wasser, ein ausgedehntes Tramwaynetz zieht sich vom
Fort Baron zum Zollamt. Eigenthümlich ist, dass die gleichmässig
uniformirten Tramwayconducteure -- weiblichen Geschlechtes sind;
die Guttaperchamarken der Gesellschaft von 21/2 und 5 Centavos
dienen als Scheidemünze, wenn auswärtige Kriege und innere Un-
ruhen die Staatsfinanzen in Unordnung bringen.

Die vielen Quebradas schneiden tief zwischen die Hügel ein und
führen in ihrem Grunde Bäche, welche im Winter oft zu reissenden
und mächtigen Sturzbächen anschwellen und alljährlich einige Ranchos
(Hütten) zerstören. Am Quebrada San Augustin liegt das zweite Theater
der Stadt, welches, auf dem Grunde eines verlassenen Convents er-
baut, vor mehreren Jahren abgebrannt ist, seither jedoch wieder auf-
gebaut wurde.

Die stattliche Victoriakirche mit eleganten Colonnaden, die
palastartigen Wohnhäuser, wie beispielsweise der in florentinischem
Stile erbaute Palast der Familie Edwards, grosse Bankhäuser und
reiche Clubs verleihen der Stadt ein prächtiges Aussehen. Der Ge-
sammteindruck wird noch gehoben durch die grossstädtischen Kauf-
läden mit ihren hübschen Auslagen und durch das lebhafte Treiben
auf den Strassen, das sich bis in die Nacht fortsetzt und bei den
allabendlichen Strassenconcerten seinen Höhepunkt erreicht. Bei diesen
Concerten, die von 81/2 bis 91/2 Uhr Abends dauern, sind die Damen
sehr luxuriös und nach der neuesten Pariser Mode gekleidet.


Valparaiso.
durch den vorliegenden Molo gegen den Seegang der Rhede geschützt
ist. Die Hauptkirche befindet sich auf der Plaza de la Municipalidad,
dort ist auch das Standbild des Admirals Lord Cochrane.

Manche der neueren Bauten erinnern an ähnliche der nordameri-
kanischen Städte. Auf dem Cerro Alegre, über der Stadt, liegen die
meist villenartigen Häuser der englischen und deutschen Kaufleute und
die protestantische Kirche. Im östlichen Stadttheil, El Almendral, sind
die Häuser zumeist einstöckig. An der Plaza Victoria liegt ein Theater,
im östlichen Theile des Almendral der Staatsbahnhof.

Eine Verbindungsbahn mit zahlreichen Haltestellen führt vom
Staatsbahnhof längs des Quais zum Hafen. Am Quai befindet sich der
Membrillo, ein hübscher Spaziergang mit Ausblick auf den Hafen und
dessen Befestigungen.

Die Strassen sind mit Gas oder elektrisch beleuchtet; die Haupt-
strasse, Calle Esmeralda, führt parallel zum Quai. In dieser beleb-
testen Verkehrsader Valparaisos sind zahlreiche stattliche Auslagen,
Bankinstitute und Consulate zu finden. Eine Wasserleitung versorgt
die Stadt mit Wasser, ein ausgedehntes Tramwaynetz zieht sich vom
Fort Baron zum Zollamt. Eigenthümlich ist, dass die gleichmässig
uniformirten Tramwayconducteure — weiblichen Geschlechtes sind;
die Guttaperchamarken der Gesellschaft von 2½ und 5 Centavos
dienen als Scheidemünze, wenn auswärtige Kriege und innere Un-
ruhen die Staatsfinanzen in Unordnung bringen.

Die vielen Quebradas schneiden tief zwischen die Hügel ein und
führen in ihrem Grunde Bäche, welche im Winter oft zu reissenden
und mächtigen Sturzbächen anschwellen und alljährlich einige Ranchos
(Hütten) zerstören. Am Quebrada San Augustin liegt das zweite Theater
der Stadt, welches, auf dem Grunde eines verlassenen Convents er-
baut, vor mehreren Jahren abgebrannt ist, seither jedoch wieder auf-
gebaut wurde.

Die stattliche Victoriakirche mit eleganten Colonnaden, die
palastartigen Wohnhäuser, wie beispielsweise der in florentinischem
Stile erbaute Palast der Familie Edwards, grosse Bankhäuser und
reiche Clubs verleihen der Stadt ein prächtiges Aussehen. Der Ge-
sammteindruck wird noch gehoben durch die grossstädtischen Kauf-
läden mit ihren hübschen Auslagen und durch das lebhafte Treiben
auf den Strassen, das sich bis in die Nacht fortsetzt und bei den
allabendlichen Strassenconcerten seinen Höhepunkt erreicht. Bei diesen
Concerten, die von 8½ bis 9½ Uhr Abends dauern, sind die Damen
sehr luxuriös und nach der neuesten Pariser Mode gekleidet.


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[311/0327] Valparaiso. durch den vorliegenden Molo gegen den Seegang der Rhede geschützt ist. Die Hauptkirche befindet sich auf der Plaza de la Municipalidad, dort ist auch das Standbild des Admirals Lord Cochrane. Manche der neueren Bauten erinnern an ähnliche der nordameri- kanischen Städte. Auf dem Cerro Alegre, über der Stadt, liegen die meist villenartigen Häuser der englischen und deutschen Kaufleute und die protestantische Kirche. Im östlichen Stadttheil, El Almendral, sind die Häuser zumeist einstöckig. An der Plaza Victoria liegt ein Theater, im östlichen Theile des Almendral der Staatsbahnhof. Eine Verbindungsbahn mit zahlreichen Haltestellen führt vom Staatsbahnhof längs des Quais zum Hafen. Am Quai befindet sich der Membrillo, ein hübscher Spaziergang mit Ausblick auf den Hafen und dessen Befestigungen. Die Strassen sind mit Gas oder elektrisch beleuchtet; die Haupt- strasse, Calle Esmeralda, führt parallel zum Quai. In dieser beleb- testen Verkehrsader Valparaisos sind zahlreiche stattliche Auslagen, Bankinstitute und Consulate zu finden. Eine Wasserleitung versorgt die Stadt mit Wasser, ein ausgedehntes Tramwaynetz zieht sich vom Fort Baron zum Zollamt. Eigenthümlich ist, dass die gleichmässig uniformirten Tramwayconducteure — weiblichen Geschlechtes sind; die Guttaperchamarken der Gesellschaft von 2½ und 5 Centavos dienen als Scheidemünze, wenn auswärtige Kriege und innere Un- ruhen die Staatsfinanzen in Unordnung bringen. Die vielen Quebradas schneiden tief zwischen die Hügel ein und führen in ihrem Grunde Bäche, welche im Winter oft zu reissenden und mächtigen Sturzbächen anschwellen und alljährlich einige Ranchos (Hütten) zerstören. Am Quebrada San Augustin liegt das zweite Theater der Stadt, welches, auf dem Grunde eines verlassenen Convents er- baut, vor mehreren Jahren abgebrannt ist, seither jedoch wieder auf- gebaut wurde. Die stattliche Victoriakirche mit eleganten Colonnaden, die palastartigen Wohnhäuser, wie beispielsweise der in florentinischem Stile erbaute Palast der Familie Edwards, grosse Bankhäuser und reiche Clubs verleihen der Stadt ein prächtiges Aussehen. Der Ge- sammteindruck wird noch gehoben durch die grossstädtischen Kauf- läden mit ihren hübschen Auslagen und durch das lebhafte Treiben auf den Strassen, das sich bis in die Nacht fortsetzt und bei den allabendlichen Strassenconcerten seinen Höhepunkt erreicht. Bei diesen Concerten, die von 8½ bis 9½ Uhr Abends dauern, sind die Damen sehr luxuriös und nach der neuesten Pariser Mode gekleidet.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/327>, abgerufen am 17.05.2024.