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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Buenos-Aires.
gewesene österreichisch-ungarische Officiere organisirt. Das naturhisto-
rische Museum, eine Schöpfung Burmeisters, ist besonders reich an
Fossilien, die im Anschwemmungsgebiete des La Plata gefunden
wurden; einige dieser Fossilien sind in europäischen Museen nicht
vertreten. Die ethnographische Abtheilung des Museums enthält manche
interessante Gegenstände, darunter Steinwaffen und Steinwerkzeuge,
wie solche noch gegenwärtig von den Pampasindianern und Pata-
goniern verwendet werden.

Von humanitären Anstalten besitzt Buenos-Aires 19 Spitäler,
eine Irrenanstalt, ein Waisen- und Findelhaus und ein Asyl für Einwan-
derer. Von den Spitälern sind das deutsche, englische, französische,
italienische und spanische Spital, sowie das Hospital Buenos-Aires und
das Frauenhospital nennenswerth. Das bedeutendste und grösste Spital
der Stadt ist aber das 1611 gegründete Hospital General de Hombres,
das von Seite der Patienten keinerlei Vergütung beansprucht und ganz
vom Staate erhalten wird. Die argentinische Staatsbürgerschaft ist
die einzige Bedingung, die behufs Aufnahme in dasselbe erfüllt
sein muss.

Buenos-Aires hat 561.160 Einwohner (30. Juli 1890) und ist
somit die grösste Stadt von Südamerika. Die eingeborenen Portennos,
d. h. Hafenbewohner, sind ein hochgewachsener, wohlgebildeter
Menschenschlag. Die Hälfte der Einwohner aber bilden Fremde; von
diesen sind insbesondere die starke italienische, ferners die spanische,
französische, englische und deutsche Colonie hervorzuheben. Die öster-
reichisch-ungarische Colonie, ehemals der Zahl nach verschwindend
klein, schloss sich früher je nach der Nationalität ihrer Mitglieder
theils an die deutsche, theils an die italienische Colonie an, ohne je-
doch hiedurch ihre Individualität einzubüssen. Durch die Einwanderung
der letzten Jahre beträchtlich vermehrt, gewinnt sie jedoch in neuester
Zeit stetig an Bedeutung.

Der Hafen von Buenos-Aires ist eigentlich nur ein Abschnitt des
in der Nähe des Ufers sehr seichten Rio de La Plata und von der
Natur stiefmütterlich bedacht. Es wurde bereits darauf hingewiesen,
dass tiefgehendere Schiffe auf mehrere Meilen vom Lande zu ankern
gezwungen sind. Diesem Uebelstande abzuhelfen wurde das Project des
argentinischen Ingenieurs A. Louis Huergo, den südlich der Stadt
mündenden Riachuelo-Fluss durch Ausbaggern zu vertiefen, angenom-
men und um so leichter durchgeführt, als gerade an der Mündung
des Riachuelo die La Boca genannte Schiffervorstadt von Buenos-Aires
liegt und die Flussschiffahrt daselbst ihren Ausgangspunkt hat.


37*

Buenos-Aires.
gewesene österreichisch-ungarische Officiere organisirt. Das naturhisto-
rische Museum, eine Schöpfung Burmeisters, ist besonders reich an
Fossilien, die im Anschwemmungsgebiete des La Plata gefunden
wurden; einige dieser Fossilien sind in europäischen Museen nicht
vertreten. Die ethnographische Abtheilung des Museums enthält manche
interessante Gegenstände, darunter Steinwaffen und Steinwerkzeuge,
wie solche noch gegenwärtig von den Pampasindianern und Pata-
goniern verwendet werden.

Von humanitären Anstalten besitzt Buenos-Aires 19 Spitäler,
eine Irrenanstalt, ein Waisen- und Findelhaus und ein Asyl für Einwan-
derer. Von den Spitälern sind das deutsche, englische, französische,
italienische und spanische Spital, sowie das Hospital Buenos-Aires und
das Frauenhospital nennenswerth. Das bedeutendste und grösste Spital
der Stadt ist aber das 1611 gegründete Hospital General de Hombres,
das von Seite der Patienten keinerlei Vergütung beansprucht und ganz
vom Staate erhalten wird. Die argentinische Staatsbürgerschaft ist
die einzige Bedingung, die behufs Aufnahme in dasselbe erfüllt
sein muss.

Buenos-Aires hat 561.160 Einwohner (30. Juli 1890) und ist
somit die grösste Stadt von Südamerika. Die eingeborenen Porteños,
d. h. Hafenbewohner, sind ein hochgewachsener, wohlgebildeter
Menschenschlag. Die Hälfte der Einwohner aber bilden Fremde; von
diesen sind insbesondere die starke italienische, ferners die spanische,
französische, englische und deutsche Colonie hervorzuheben. Die öster-
reichisch-ungarische Colonie, ehemals der Zahl nach verschwindend
klein, schloss sich früher je nach der Nationalität ihrer Mitglieder
theils an die deutsche, theils an die italienische Colonie an, ohne je-
doch hiedurch ihre Individualität einzubüssen. Durch die Einwanderung
der letzten Jahre beträchtlich vermehrt, gewinnt sie jedoch in neuester
Zeit stetig an Bedeutung.

Der Hafen von Buenos-Aires ist eigentlich nur ein Abschnitt des
in der Nähe des Ufers sehr seichten Rio de La Plata und von der
Natur stiefmütterlich bedacht. Es wurde bereits darauf hingewiesen,
dass tiefgehendere Schiffe auf mehrere Meilen vom Lande zu ankern
gezwungen sind. Diesem Uebelstande abzuhelfen wurde das Project des
argentinischen Ingenieurs A. Louis Huergo, den südlich der Stadt
mündenden Riachuelo-Fluss durch Ausbaggern zu vertiefen, angenom-
men und um so leichter durchgeführt, als gerade an der Mündung
des Riachuelo die La Boca genannte Schiffervorstadt von Buenos-Aires
liegt und die Flussschiffahrt daselbst ihren Ausgangspunkt hat.


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[291/0307] Buenos-Aires. gewesene österreichisch-ungarische Officiere organisirt. Das naturhisto- rische Museum, eine Schöpfung Burmeisters, ist besonders reich an Fossilien, die im Anschwemmungsgebiete des La Plata gefunden wurden; einige dieser Fossilien sind in europäischen Museen nicht vertreten. Die ethnographische Abtheilung des Museums enthält manche interessante Gegenstände, darunter Steinwaffen und Steinwerkzeuge, wie solche noch gegenwärtig von den Pampasindianern und Pata- goniern verwendet werden. Von humanitären Anstalten besitzt Buenos-Aires 19 Spitäler, eine Irrenanstalt, ein Waisen- und Findelhaus und ein Asyl für Einwan- derer. Von den Spitälern sind das deutsche, englische, französische, italienische und spanische Spital, sowie das Hospital Buenos-Aires und das Frauenhospital nennenswerth. Das bedeutendste und grösste Spital der Stadt ist aber das 1611 gegründete Hospital General de Hombres, das von Seite der Patienten keinerlei Vergütung beansprucht und ganz vom Staate erhalten wird. Die argentinische Staatsbürgerschaft ist die einzige Bedingung, die behufs Aufnahme in dasselbe erfüllt sein muss. Buenos-Aires hat 561.160 Einwohner (30. Juli 1890) und ist somit die grösste Stadt von Südamerika. Die eingeborenen Porteños, d. h. Hafenbewohner, sind ein hochgewachsener, wohlgebildeter Menschenschlag. Die Hälfte der Einwohner aber bilden Fremde; von diesen sind insbesondere die starke italienische, ferners die spanische, französische, englische und deutsche Colonie hervorzuheben. Die öster- reichisch-ungarische Colonie, ehemals der Zahl nach verschwindend klein, schloss sich früher je nach der Nationalität ihrer Mitglieder theils an die deutsche, theils an die italienische Colonie an, ohne je- doch hiedurch ihre Individualität einzubüssen. Durch die Einwanderung der letzten Jahre beträchtlich vermehrt, gewinnt sie jedoch in neuester Zeit stetig an Bedeutung. Der Hafen von Buenos-Aires ist eigentlich nur ein Abschnitt des in der Nähe des Ufers sehr seichten Rio de La Plata und von der Natur stiefmütterlich bedacht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass tiefgehendere Schiffe auf mehrere Meilen vom Lande zu ankern gezwungen sind. Diesem Uebelstande abzuhelfen wurde das Project des argentinischen Ingenieurs A. Louis Huergo, den südlich der Stadt mündenden Riachuelo-Fluss durch Ausbaggern zu vertiefen, angenom- men und um so leichter durchgeführt, als gerade an der Mündung des Riachuelo die La Boca genannte Schiffervorstadt von Buenos-Aires liegt und die Flussschiffahrt daselbst ihren Ausgangspunkt hat. 37*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/307>, abgerufen am 24.11.2024.