Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Die atlantische Küste von Amerika.
eine grössere französische Flotte unter Duguay-Trouin Rio de Janeiro einnahm,
nach Erhalt eines Lösegeldes von 600.000 Cruzados jedoch wieder absegelte.

König Jose I. erhob Rio de Janeiro zur Hauptstadt des Vicekönigthums,
doch nahm dieselbe erst dann einen rascheren Aufschwung, als sie von dem durch
Napoleon I. vertriebenen König Joao VI. zur Residenz gewählt wurde. König
Joao's Sohn wurde am 7. September 1822 zu Rio de Janeiro als Pedro I. zum
Kaiser von Brasilien ausgerufen.

Die wiederholten Gährungen im Reiche zeigten sich zu Rio in den Auf-
ständen von 1821, 1823 und 1831, doch schritt die Entwicklung der Stadt hievon
unbeeinflusst fort.

Der Sturz des Kaiserreiches am 15. November 1889 durch Marschall Fon-
seca machte aus der kaiserlichen Residenzstadt die Hauptstadt der Vereinigten
Staaten von Brasilien.

Schiffe, die Rio de Janeiro anlaufen, sichten zuerst das auf
30 Seemeilen von der Bucht gelegene Cap Frio, ein mächtiges Vor-
gebirge mit charakteristischer Felsformation, bald darauf aber auch
schon die Höhenzüge, welche die Bucht umsäumen und stellenweise
bis dicht an das Ufer herantreten. Im Westen erhebt sich der be-
waldete, steil abfallende und mit einem Lusthause gekrönte Gipfel
des Corcovado, hinter diesem die markante Gestalt des Gabia und
mehr landeinwärts die Spitze des Tijuca. Weiter entfernt liegen die
Serras dos Orgaos, de Estrella, de Tingua und de Viuva. Am meisten
ins Auge fallend ist jedoch der 387 m hohe Pao de Acucar, der
Zuckerhut, der mit seinem steilen Abfalle die kleine, flache, mit dem
Fort Joao besetzte Landzunge begrenzt, welche die westliche Seite
der Einfahrt bildet. Oestlich der Einfahrt liegen das Fort Santa Cruz
und der 228 m hohe Pico. Vor und in der Einfahrt findet man häufig
hohe See und eine zumeist seewärts tragende Strömung. Innerhalb
der Bucht, doch noch der Einfahrt nahe, liegt eine kleine Felseninsel
mit dem Fort Lage, der Sanitätsstation.

Die Bucht von Rio de Janeiro, deren Mittelrichtung von Süd-
südwest nach Nordnordost liegt, hat eine keilförmige Gestalt; während
die Einfahrt kaum eine Seemeile breit ist, beträgt die Ausdehnung
der Bucht an deren Begrenzung 13 Seemeilen. Unter den 47 in der
Bucht liegenden Inseln ist die im nordwestlichen Winkel befindliche
Ilha do Governador die grösste, für die Schiffahrt sind jedoch die
Inseln Lage und Villegagnon sowie die Ilha dos Cobras die wich-
tigsten. Innerhalb der Verbindungslinie Villegagnon--Cobras können
tiefer gehende Schiffe nicht mehr liegen. Die Ufer der Bucht sind
durch Einschnitte und vortretende Landzungen stark gegliedert. An
der Westseite liegt Rio mit seinen Vorstädten Botafogo, Catete, da

Die atlantische Küste von Amerika.
eine grössere französische Flotte unter Duguay-Trouin Rio de Janeiro einnahm,
nach Erhalt eines Lösegeldes von 600.000 Cruzados jedoch wieder absegelte.

König José I. erhob Rio de Janeiro zur Hauptstadt des Vicekönigthums,
doch nahm dieselbe erst dann einen rascheren Aufschwung, als sie von dem durch
Napoleon I. vertriebenen König João VI. zur Residenz gewählt wurde. König
João’s Sohn wurde am 7. September 1822 zu Rio de Janeiro als Pedro I. zum
Kaiser von Brasilien ausgerufen.

Die wiederholten Gährungen im Reiche zeigten sich zu Rio in den Auf-
ständen von 1821, 1823 und 1831, doch schritt die Entwicklung der Stadt hievon
unbeeinflusst fort.

Der Sturz des Kaiserreiches am 15. November 1889 durch Marschall Fon-
seca machte aus der kaiserlichen Residenzstadt die Hauptstadt der Vereinigten
Staaten von Brasilien.

Schiffe, die Rio de Janeiro anlaufen, sichten zuerst das auf
30 Seemeilen von der Bucht gelegene Cap Frio, ein mächtiges Vor-
gebirge mit charakteristischer Felsformation, bald darauf aber auch
schon die Höhenzüge, welche die Bucht umsäumen und stellenweise
bis dicht an das Ufer herantreten. Im Westen erhebt sich der be-
waldete, steil abfallende und mit einem Lusthause gekrönte Gipfel
des Corcovado, hinter diesem die markante Gestalt des Gabia und
mehr landeinwärts die Spitze des Tijuca. Weiter entfernt liegen die
Serras dos Orgãos, de Estrella, de Tingua und de Viuva. Am meisten
ins Auge fallend ist jedoch der 387 m hohe Pão de Açucar, der
Zuckerhut, der mit seinem steilen Abfalle die kleine, flache, mit dem
Fort João besetzte Landzunge begrenzt, welche die westliche Seite
der Einfahrt bildet. Oestlich der Einfahrt liegen das Fort Santa Cruz
und der 228 m hohe Pico. Vor und in der Einfahrt findet man häufig
hohe See und eine zumeist seewärts tragende Strömung. Innerhalb
der Bucht, doch noch der Einfahrt nahe, liegt eine kleine Felseninsel
mit dem Fort Lage, der Sanitätsstation.

Die Bucht von Rio de Janeiro, deren Mittelrichtung von Süd-
südwest nach Nordnordost liegt, hat eine keilförmige Gestalt; während
die Einfahrt kaum eine Seemeile breit ist, beträgt die Ausdehnung
der Bucht an deren Begrenzung 13 Seemeilen. Unter den 47 in der
Bucht liegenden Inseln ist die im nordwestlichen Winkel befindliche
Ilha do Governador die grösste, für die Schiffahrt sind jedoch die
Inseln Lage und Villegagnon sowie die Ilha dos Cobras die wich-
tigsten. Innerhalb der Verbindungslinie Villegagnon—Cobras können
tiefer gehende Schiffe nicht mehr liegen. Die Ufer der Bucht sind
durch Einschnitte und vortretende Landzungen stark gegliedert. An
der Westseite liegt Rio mit seinen Vorstädten Botafogo, Catete, da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0276" n="260"/><fw place="top" type="header">Die atlantische Küste von Amerika.</fw><lb/>
eine grössere französische Flotte unter Duguay-Trouin Rio de Janeiro einnahm,<lb/>
nach Erhalt eines Lösegeldes von 600.000 Cruzados jedoch wieder absegelte.</p><lb/>
            <p>König José I. erhob Rio de Janeiro zur Hauptstadt des Vicekönigthums,<lb/>
doch nahm dieselbe erst dann einen rascheren Aufschwung, als sie von dem durch<lb/>
Napoleon I. vertriebenen König João VI. zur Residenz gewählt wurde. König<lb/>
João&#x2019;s Sohn wurde am 7. September 1822 zu Rio de Janeiro als Pedro I. zum<lb/>
Kaiser von Brasilien ausgerufen.</p><lb/>
            <p>Die wiederholten Gährungen im Reiche zeigten sich zu Rio in den Auf-<lb/>
ständen von 1821, 1823 und 1831, doch schritt die Entwicklung der Stadt hievon<lb/>
unbeeinflusst fort.</p><lb/>
            <p>Der Sturz des Kaiserreiches am 15. November 1889 durch Marschall Fon-<lb/>
seca machte aus der kaiserlichen Residenzstadt die Hauptstadt der Vereinigten<lb/>
Staaten von Brasilien.</p><lb/>
            <p>Schiffe, die Rio de Janeiro anlaufen, sichten zuerst das auf<lb/>
30 Seemeilen von der Bucht gelegene Cap Frio, ein mächtiges Vor-<lb/>
gebirge mit charakteristischer Felsformation, bald darauf aber auch<lb/>
schon die Höhenzüge, welche die Bucht umsäumen und stellenweise<lb/>
bis dicht an das Ufer herantreten. Im Westen erhebt sich der be-<lb/>
waldete, steil abfallende und mit einem Lusthause gekrönte Gipfel<lb/>
des Corcovado, hinter diesem die markante Gestalt des Gabia und<lb/>
mehr landeinwärts die Spitze des Tijuca. Weiter entfernt liegen die<lb/>
Serras dos Orgãos, de Estrella, de Tingua und de Viuva. Am meisten<lb/>
ins Auge fallend ist jedoch der 387 <hi rendition="#i">m</hi> hohe Pão de Açucar, der<lb/>
Zuckerhut, der mit seinem steilen Abfalle die kleine, flache, mit dem<lb/>
Fort João besetzte Landzunge begrenzt, welche die westliche Seite<lb/>
der Einfahrt bildet. Oestlich der Einfahrt liegen das Fort Santa Cruz<lb/>
und der 228 <hi rendition="#i">m</hi> hohe Pico. Vor und in der Einfahrt findet man häufig<lb/>
hohe See und eine zumeist seewärts tragende Strömung. Innerhalb<lb/>
der Bucht, doch noch der Einfahrt nahe, liegt eine kleine Felseninsel<lb/>
mit dem Fort Lage, der Sanitätsstation.</p><lb/>
            <p>Die Bucht von Rio de Janeiro, deren Mittelrichtung von Süd-<lb/>
südwest nach Nordnordost liegt, hat eine keilförmige Gestalt; während<lb/>
die Einfahrt kaum eine Seemeile breit ist, beträgt die Ausdehnung<lb/>
der Bucht an deren Begrenzung 13 Seemeilen. Unter den 47 in der<lb/>
Bucht liegenden Inseln ist die im nordwestlichen Winkel befindliche<lb/>
Ilha do Governador die grösste, für die Schiffahrt sind jedoch die<lb/>
Inseln Lage und Villegagnon sowie die Ilha dos Cobras die wich-<lb/>
tigsten. Innerhalb der Verbindungslinie Villegagnon&#x2014;Cobras können<lb/>
tiefer gehende Schiffe nicht mehr liegen. Die Ufer der Bucht sind<lb/>
durch Einschnitte und vortretende Landzungen stark gegliedert. An<lb/>
der Westseite liegt Rio mit seinen Vorstädten Botafogo, Catete, da<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0276] Die atlantische Küste von Amerika. eine grössere französische Flotte unter Duguay-Trouin Rio de Janeiro einnahm, nach Erhalt eines Lösegeldes von 600.000 Cruzados jedoch wieder absegelte. König José I. erhob Rio de Janeiro zur Hauptstadt des Vicekönigthums, doch nahm dieselbe erst dann einen rascheren Aufschwung, als sie von dem durch Napoleon I. vertriebenen König João VI. zur Residenz gewählt wurde. König João’s Sohn wurde am 7. September 1822 zu Rio de Janeiro als Pedro I. zum Kaiser von Brasilien ausgerufen. Die wiederholten Gährungen im Reiche zeigten sich zu Rio in den Auf- ständen von 1821, 1823 und 1831, doch schritt die Entwicklung der Stadt hievon unbeeinflusst fort. Der Sturz des Kaiserreiches am 15. November 1889 durch Marschall Fon- seca machte aus der kaiserlichen Residenzstadt die Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Brasilien. Schiffe, die Rio de Janeiro anlaufen, sichten zuerst das auf 30 Seemeilen von der Bucht gelegene Cap Frio, ein mächtiges Vor- gebirge mit charakteristischer Felsformation, bald darauf aber auch schon die Höhenzüge, welche die Bucht umsäumen und stellenweise bis dicht an das Ufer herantreten. Im Westen erhebt sich der be- waldete, steil abfallende und mit einem Lusthause gekrönte Gipfel des Corcovado, hinter diesem die markante Gestalt des Gabia und mehr landeinwärts die Spitze des Tijuca. Weiter entfernt liegen die Serras dos Orgãos, de Estrella, de Tingua und de Viuva. Am meisten ins Auge fallend ist jedoch der 387 m hohe Pão de Açucar, der Zuckerhut, der mit seinem steilen Abfalle die kleine, flache, mit dem Fort João besetzte Landzunge begrenzt, welche die westliche Seite der Einfahrt bildet. Oestlich der Einfahrt liegen das Fort Santa Cruz und der 228 m hohe Pico. Vor und in der Einfahrt findet man häufig hohe See und eine zumeist seewärts tragende Strömung. Innerhalb der Bucht, doch noch der Einfahrt nahe, liegt eine kleine Felseninsel mit dem Fort Lage, der Sanitätsstation. Die Bucht von Rio de Janeiro, deren Mittelrichtung von Süd- südwest nach Nordnordost liegt, hat eine keilförmige Gestalt; während die Einfahrt kaum eine Seemeile breit ist, beträgt die Ausdehnung der Bucht an deren Begrenzung 13 Seemeilen. Unter den 47 in der Bucht liegenden Inseln ist die im nordwestlichen Winkel befindliche Ilha do Governador die grösste, für die Schiffahrt sind jedoch die Inseln Lage und Villegagnon sowie die Ilha dos Cobras die wich- tigsten. Innerhalb der Verbindungslinie Villegagnon—Cobras können tiefer gehende Schiffe nicht mehr liegen. Die Ufer der Bucht sind durch Einschnitte und vortretende Landzungen stark gegliedert. An der Westseite liegt Rio mit seinen Vorstädten Botafogo, Catete, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/276
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/276>, abgerufen am 10.05.2024.