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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der Panama-Canal.
aber alle seefahrenden Nationen, ja alle Gebildeten überhaupt auf
das lebhafteste interessirte und noch interessirt, da das endgiltige
Schicksal des halbfertigen Panama-Canales noch bis zur Stunde nicht
entschieden ist. Zu allernächst handelte es sich natürlich um das
Schicksal der französischen Sparer, die dem Leitsterne Lesseps bis
jetzt blind vertrauend gefolgt waren. 1,100.000 Franzosen, darunter
viele "kleine Leute", standen auf dem Sprunge, ihre Ersparnisse zu
verlieren. Eine directe Hilfsaction von Seiten des französischen Staates,
welche die Bedrohten zunächst verlangten, war ausgeschlossen, da
der Senat in Washington schon früher öfters und besonders in einer
Sitzung vom 7. Februar 1889 mit 42 gegen 3 Stimmen "jede Ver-
bindung seitens irgend einer europäischen Macht mit dem Baue
oder der Controle irgend welchen Schiffahrtscanales über den Dari-
schen Isthmus als den gerechten Interessen der Vereinigten Staaten
nachtheilig und als Bedrohung ihres Wohles" betrachtete (Monroe-
Doctrin).

Der Staat rettete die Gesellschaft aber dennoch vor dem momen-
tanen Zusammenbruche dadurch, dass er die Concursverhängung über
die Gesellschaft verhinderte, welche nach französischem Rechte ein
einziger
Actionär hätte verlangen können, weil die schon während
des Baues garantirte Ausbezahlung der Coupons eingestellt war.

Es wurden gerichtliche Administratoren aufgestellt, welche mit
den weitest gehenden Vollmachten ausgerüstet, sogar Arrangements
gegen die Interessen der alten Gläubiger treffen konnten. Vor Allem
wurde durch Verpfändung der Panamabahn-Actien eine Summe (wie
hoch ist unbekannt) aufgebracht, um die Arbeiten am Canale nicht
sofort einstellen zu müssen. Dann schritt Lesseps daran, eine neue
Gesellschaft zu gründen. Die Besitzer der alten Actien und Obliga-
tionen sollten fortan keine Zinsen mehr, wie diese ganz falscher-
weise vor 1880 bis Ende 1888 bezahlt wurden, erhalten, aber An-
spruch auf 80 % der Einnahme aus dem Canale haben. Allein trotz
aller Anpreisungen in französischen und auswärtigen Blättern gelang
es nicht, die Actien und Obligationen dieser neuen Gesellschaft zu
placiren. So wurde am 4. Februar 1889 die alte Gesellschaft (Comp.
Univ. Canal Interoc. de Panama) durch das Civilgericht aufgelöst und
der Advocat Brunet als Liquidator aufgestellt. Ferdinand Lesseps
zog sich im März 1889 auf das tiefste verstimmt vollständig von der
Gesellschaft zurück.

Im selben Monate wurden am Isthmus die Arbeiten eingestellt.
An eine Erhaltung der fertiggestellten Arbeiten durch längere Zeit ist

Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 30

Der Panama-Canal.
aber alle seefahrenden Nationen, ja alle Gebildeten überhaupt auf
das lebhafteste interessirte und noch interessirt, da das endgiltige
Schicksal des halbfertigen Panama-Canales noch bis zur Stunde nicht
entschieden ist. Zu allernächst handelte es sich natürlich um das
Schicksal der französischen Sparer, die dem Leitsterne Lesseps bis
jetzt blind vertrauend gefolgt waren. 1,100.000 Franzosen, darunter
viele „kleine Leute“, standen auf dem Sprunge, ihre Ersparnisse zu
verlieren. Eine directe Hilfsaction von Seiten des französischen Staates,
welche die Bedrohten zunächst verlangten, war ausgeschlossen, da
der Senat in Washington schon früher öfters und besonders in einer
Sitzung vom 7. Februar 1889 mit 42 gegen 3 Stimmen „jede Ver-
bindung seitens irgend einer europäischen Macht mit dem Baue
oder der Controle irgend welchen Schiffahrtscanales über den Dari-
schen Isthmus als den gerechten Interessen der Vereinigten Staaten
nachtheilig und als Bedrohung ihres Wohles“ betrachtete (Monroë-
Doctrin).

Der Staat rettete die Gesellschaft aber dennoch vor dem momen-
tanen Zusammenbruche dadurch, dass er die Concursverhängung über
die Gesellschaft verhinderte, welche nach französischem Rechte ein
einziger
Actionär hätte verlangen können, weil die schon während
des Baues garantirte Ausbezahlung der Coupons eingestellt war.

Es wurden gerichtliche Administratoren aufgestellt, welche mit
den weitest gehenden Vollmachten ausgerüstet, sogar Arrangements
gegen die Interessen der alten Gläubiger treffen konnten. Vor Allem
wurde durch Verpfändung der Panamabahn-Actien eine Summe (wie
hoch ist unbekannt) aufgebracht, um die Arbeiten am Canale nicht
sofort einstellen zu müssen. Dann schritt Lesseps daran, eine neue
Gesellschaft zu gründen. Die Besitzer der alten Actien und Obliga-
tionen sollten fortan keine Zinsen mehr, wie diese ganz falscher-
weise vor 1880 bis Ende 1888 bezahlt wurden, erhalten, aber An-
spruch auf 80 % der Einnahme aus dem Canale haben. Allein trotz
aller Anpreisungen in französischen und auswärtigen Blättern gelang
es nicht, die Actien und Obligationen dieser neuen Gesellschaft zu
placiren. So wurde am 4. Februar 1889 die alte Gesellschaft (Comp.
Univ. Canal Interoc. de Panama) durch das Civilgericht aufgelöst und
der Advocat Brunet als Liquidator aufgestellt. Ferdinand Lesseps
zog sich im März 1889 auf das tiefste verstimmt vollständig von der
Gesellschaft zurück.

Im selben Monate wurden am Isthmus die Arbeiten eingestellt.
An eine Erhaltung der fertiggestellten Arbeiten durch längere Zeit ist

Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 30
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[233/0249] Der Panama-Canal. aber alle seefahrenden Nationen, ja alle Gebildeten überhaupt auf das lebhafteste interessirte und noch interessirt, da das endgiltige Schicksal des halbfertigen Panama-Canales noch bis zur Stunde nicht entschieden ist. Zu allernächst handelte es sich natürlich um das Schicksal der französischen Sparer, die dem Leitsterne Lesseps bis jetzt blind vertrauend gefolgt waren. 1,100.000 Franzosen, darunter viele „kleine Leute“, standen auf dem Sprunge, ihre Ersparnisse zu verlieren. Eine directe Hilfsaction von Seiten des französischen Staates, welche die Bedrohten zunächst verlangten, war ausgeschlossen, da der Senat in Washington schon früher öfters und besonders in einer Sitzung vom 7. Februar 1889 mit 42 gegen 3 Stimmen „jede Ver- bindung seitens irgend einer europäischen Macht mit dem Baue oder der Controle irgend welchen Schiffahrtscanales über den Dari- schen Isthmus als den gerechten Interessen der Vereinigten Staaten nachtheilig und als Bedrohung ihres Wohles“ betrachtete (Monroë- Doctrin). Der Staat rettete die Gesellschaft aber dennoch vor dem momen- tanen Zusammenbruche dadurch, dass er die Concursverhängung über die Gesellschaft verhinderte, welche nach französischem Rechte ein einziger Actionär hätte verlangen können, weil die schon während des Baues garantirte Ausbezahlung der Coupons eingestellt war. Es wurden gerichtliche Administratoren aufgestellt, welche mit den weitest gehenden Vollmachten ausgerüstet, sogar Arrangements gegen die Interessen der alten Gläubiger treffen konnten. Vor Allem wurde durch Verpfändung der Panamabahn-Actien eine Summe (wie hoch ist unbekannt) aufgebracht, um die Arbeiten am Canale nicht sofort einstellen zu müssen. Dann schritt Lesseps daran, eine neue Gesellschaft zu gründen. Die Besitzer der alten Actien und Obliga- tionen sollten fortan keine Zinsen mehr, wie diese ganz falscher- weise vor 1880 bis Ende 1888 bezahlt wurden, erhalten, aber An- spruch auf 80 % der Einnahme aus dem Canale haben. Allein trotz aller Anpreisungen in französischen und auswärtigen Blättern gelang es nicht, die Actien und Obligationen dieser neuen Gesellschaft zu placiren. So wurde am 4. Februar 1889 die alte Gesellschaft (Comp. Univ. Canal Interoc. de Panama) durch das Civilgericht aufgelöst und der Advocat Brunet als Liquidator aufgestellt. Ferdinand Lesseps zog sich im März 1889 auf das tiefste verstimmt vollständig von der Gesellschaft zurück. Im selben Monate wurden am Isthmus die Arbeiten eingestellt. An eine Erhaltung der fertiggestellten Arbeiten durch längere Zeit ist Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 30

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/249>, abgerufen am 30.04.2024.