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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Diese 1200 Millionen Francs waren 1886 nahezu für Obligationen
verschiedener Emissionen bar eingezahlt worden, und alles schien gut
und glatt ablaufen zu wollen. Allein allzu bald zeigte sich, dass die
Vorausberechnungen falsch waren, es traten die oben angedeuteten
technischen Schwierigkeiten mit ihrem kategorischen Imperativ immer
lauter hervor. Es wurde zunächst zwar noch an dem Projecte eines Niveau-
canales festgehalten, aber die Eröffnung des Canales wurde vom 1. Jänner
1889 auf den 1. Jänner 1891 verschoben. Allein als die Schwierigkeiten
immer grösser werden, besonders als man sich über das Vorhandensein
des "schwimmenden Terains" nicht mehr hinwegtäuschen konnte, ent-
schloss sich Lesseps 1887 mit schwerem Herzen den offenen Schiff-
fahrtscanal fallen zu lassen und einen Schleussencanal mit 10 Schleussen
und 47 m Scheitelhöhe herzustellen. Am 15. November 1887 wurde
mit Herrn Eiffel, dem Erbauer des berühmten "Eiffelthurmes" ein
Vertrag abgeschlossen, wonach er sich verpflichtete, bis Mitte 1890
die Schleussen fertigzustellen und sofort die Arbeit in Angriff nahm.

Dieser Schleussencanal sollte noch 670 Millionen Francs kosten,
welche durch Ausgabe von Lotterie-Obligationen aufgebracht werden
sollten. Ihr Absatz versagte trotz der hohen Verzinsung und trotzdem
der greise Lesseps, der sein Leben für die Verwirklichung seiner Idee
gelassen hätte, persönlich in Frankreich herumreiste, Vorträge hielt
und die Obligationen an den Mann zu bringen suchte.

Nahezu zwei Milliarden Francs nominelles Capital hatten
die Franzosen an der Landenge von Darien festgegraben. Da war
aber der Credit der Panamagesellschaft und des Namens Lesseps in
Frankreich einfach erschöpft.

Lesseps brachte die nöthigen Gelder nicht mehr auf und er-
klärte am 14. December 1888, dass die Zahlung der Zinsen und
Amortisation für die Actien und fast alle Serien der Obligationen
eingestellt werden müsse.

Auf diese Schreckensnachricht folgte der bekannte Sturz der
Panamapapiere, welcher nichts anderes laut sagte, als was man im
Geheimen längst wusste, dass der Canal nicht 600 und nicht 1200 Mil-
lionen Francs, wie Lesseps Anfangs behauptete, kosten würde, son-
dern 3000 Millionen und vielleicht noch mehr. Er sagte aber auch,
dass sich dieses Anlagecapital von 3 Milliarden aus dem anzuhoffenden
Verkehre, besonders durch einen Schleussencanal gar nicht oder doch
erst in sehr ferner Zeit rentiren könne. Die Gesellschaft stand mit
Beginn des Jahres 1889 vor einer furchtbaren Katastrophe, vor einer
Katastrophe, welche in erster Linie die Franzosen, in zweiter Linie

Die atlantische Küste von Amerika.

Diese 1200 Millionen Francs waren 1886 nahezu für Obligationen
verschiedener Emissionen bar eingezahlt worden, und alles schien gut
und glatt ablaufen zu wollen. Allein allzu bald zeigte sich, dass die
Vorausberechnungen falsch waren, es traten die oben angedeuteten
technischen Schwierigkeiten mit ihrem kategorischen Imperativ immer
lauter hervor. Es wurde zunächst zwar noch an dem Projecte eines Niveau-
canales festgehalten, aber die Eröffnung des Canales wurde vom 1. Jänner
1889 auf den 1. Jänner 1891 verschoben. Allein als die Schwierigkeiten
immer grösser werden, besonders als man sich über das Vorhandensein
des „schwimmenden Terains“ nicht mehr hinwegtäuschen konnte, ent-
schloss sich Lesseps 1887 mit schwerem Herzen den offenen Schiff-
fahrtscanal fallen zu lassen und einen Schleussencanal mit 10 Schleussen
und 47 m Scheitelhöhe herzustellen. Am 15. November 1887 wurde
mit Herrn Eiffel, dem Erbauer des berühmten „Eiffelthurmes“ ein
Vertrag abgeschlossen, wonach er sich verpflichtete, bis Mitte 1890
die Schleussen fertigzustellen und sofort die Arbeit in Angriff nahm.

Dieser Schleussencanal sollte noch 670 Millionen Francs kosten,
welche durch Ausgabe von Lotterie-Obligationen aufgebracht werden
sollten. Ihr Absatz versagte trotz der hohen Verzinsung und trotzdem
der greise Lesseps, der sein Leben für die Verwirklichung seiner Idee
gelassen hätte, persönlich in Frankreich herumreiste, Vorträge hielt
und die Obligationen an den Mann zu bringen suchte.

Nahezu zwei Milliarden Francs nominelles Capital hatten
die Franzosen an der Landenge von Darien festgegraben. Da war
aber der Credit der Panamagesellschaft und des Namens Lesseps in
Frankreich einfach erschöpft.

Lesseps brachte die nöthigen Gelder nicht mehr auf und er-
klärte am 14. December 1888, dass die Zahlung der Zinsen und
Amortisation für die Actien und fast alle Serien der Obligationen
eingestellt werden müsse.

Auf diese Schreckensnachricht folgte der bekannte Sturz der
Panamapapiere, welcher nichts anderes laut sagte, als was man im
Geheimen längst wusste, dass der Canal nicht 600 und nicht 1200 Mil-
lionen Francs, wie Lesseps Anfangs behauptete, kosten würde, son-
dern 3000 Millionen und vielleicht noch mehr. Er sagte aber auch,
dass sich dieses Anlagecapital von 3 Milliarden aus dem anzuhoffenden
Verkehre, besonders durch einen Schleussencanal gar nicht oder doch
erst in sehr ferner Zeit rentiren könne. Die Gesellschaft stand mit
Beginn des Jahres 1889 vor einer furchtbaren Katastrophe, vor einer
Katastrophe, welche in erster Linie die Franzosen, in zweiter Linie

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[232/0248] Die atlantische Küste von Amerika. Diese 1200 Millionen Francs waren 1886 nahezu für Obligationen verschiedener Emissionen bar eingezahlt worden, und alles schien gut und glatt ablaufen zu wollen. Allein allzu bald zeigte sich, dass die Vorausberechnungen falsch waren, es traten die oben angedeuteten technischen Schwierigkeiten mit ihrem kategorischen Imperativ immer lauter hervor. Es wurde zunächst zwar noch an dem Projecte eines Niveau- canales festgehalten, aber die Eröffnung des Canales wurde vom 1. Jänner 1889 auf den 1. Jänner 1891 verschoben. Allein als die Schwierigkeiten immer grösser werden, besonders als man sich über das Vorhandensein des „schwimmenden Terains“ nicht mehr hinwegtäuschen konnte, ent- schloss sich Lesseps 1887 mit schwerem Herzen den offenen Schiff- fahrtscanal fallen zu lassen und einen Schleussencanal mit 10 Schleussen und 47 m Scheitelhöhe herzustellen. Am 15. November 1887 wurde mit Herrn Eiffel, dem Erbauer des berühmten „Eiffelthurmes“ ein Vertrag abgeschlossen, wonach er sich verpflichtete, bis Mitte 1890 die Schleussen fertigzustellen und sofort die Arbeit in Angriff nahm. Dieser Schleussencanal sollte noch 670 Millionen Francs kosten, welche durch Ausgabe von Lotterie-Obligationen aufgebracht werden sollten. Ihr Absatz versagte trotz der hohen Verzinsung und trotzdem der greise Lesseps, der sein Leben für die Verwirklichung seiner Idee gelassen hätte, persönlich in Frankreich herumreiste, Vorträge hielt und die Obligationen an den Mann zu bringen suchte. Nahezu zwei Milliarden Francs nominelles Capital hatten die Franzosen an der Landenge von Darien festgegraben. Da war aber der Credit der Panamagesellschaft und des Namens Lesseps in Frankreich einfach erschöpft. Lesseps brachte die nöthigen Gelder nicht mehr auf und er- klärte am 14. December 1888, dass die Zahlung der Zinsen und Amortisation für die Actien und fast alle Serien der Obligationen eingestellt werden müsse. Auf diese Schreckensnachricht folgte der bekannte Sturz der Panamapapiere, welcher nichts anderes laut sagte, als was man im Geheimen längst wusste, dass der Canal nicht 600 und nicht 1200 Mil- lionen Francs, wie Lesseps Anfangs behauptete, kosten würde, son- dern 3000 Millionen und vielleicht noch mehr. Er sagte aber auch, dass sich dieses Anlagecapital von 3 Milliarden aus dem anzuhoffenden Verkehre, besonders durch einen Schleussencanal gar nicht oder doch erst in sehr ferner Zeit rentiren könne. Die Gesellschaft stand mit Beginn des Jahres 1889 vor einer furchtbaren Katastrophe, vor einer Katastrophe, welche in erster Linie die Franzosen, in zweiter Linie

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/248>, abgerufen am 30.04.2024.