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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Wir haben schon bei der Panamaeisenbahn erwähnt, wie sie
auf Chinesenleichen erbaut wurde. Nichts destoweniger fanden sich
Verfechter für das Klima von Darien, welche so weit gingen, zu
sagen, Panama würde sicher einmal als Vergnügungsaufenthalt ge-
wählt werden.

Als beste Illustration für dieses reizende Klima dienen wohl
die vielen Barackenspitäler, welche die Canalgesellschaft sofort
errichten, die vielen Aerzte, welche sie anstellen musste, und die
statistische Sterblichkeitszieffer, welche 4--6 % beträgt, eine Zahl,
welche in Europa kaum bei Epidemien erreicht wird.

Aber nicht nur unter den gemeinen Arbeitern, welche in Wahr-
heit durch Excesse dem Klima zu Hilfe kommen, sondern auch unter
der intelligenten Classe, welche gewiss dem Tropenklima entsprechend
diät lebt, hielt der Tod reiche Beute. So starben einige der bedeu-
tendsten Ingenieure und der Generaldirector für den Panamacanal,
Herr Leon Boyer, am gelben Fieber.

Als eigentliche Arbeiter beschäftigte man zumeist Neger und
Mischlinge von den westindischen Inseln Cuba, Jamaika, Porto-Rico
etc., wo überall Werbebureaux aufgeschlagen waren. Die Neger sind
auch nicht fieberfrei, aber viel widerstandsfähiger als Chinesen oder
Weisse.

Infolge der hohen Löhne war auch nie eine ernstliche Klage
über Arbeitermangel laut geworden.

Ueberblicken wir nochmals die rein technische Seite des Panama-
Unternehmens, so müssen wir uns sagen, dass es das grossartigste
und schwierigste Unternehmen ist, an welches jemals die Ingenieur-
kunst getreten; wir wissen heute, wo wir tiefer blicken können,
dass die ersten Untersuchungen und die darauf gebauten Projecte
viel zu rosig aufgefasst waren, dass die Schwierigkeiten mit dem
Fortschritt der Arbeit nicht geringer, sondern im Gegentheil immer
grösser wurden, allein wir müssen auch sagen, dass nach dem gegen-
wärtigen Stande der Ingenieurkunst der Ausbau des Panama-Canales
ein Ding der Möglichkeit ist, wenn die nöthigen Geldmittel zur Ver-
fügung gestellt werden.

Wir stehen jetzt im Momente der schweren Panamakrisis nicht
vor einer Niederlage der Technik, sondern vor der kalten ablehnen-
den Haltung der Financiers, welche das Unternehmen in dem Augen-
blicke fallen liessen, als sie die Rentabilität neuer Zuschüsse be-
zweifelten, daher müssen wir uns über den allerwichtigsten Punkt
des ganzen Panama-Unternehmens, über die Rentabilität des Canales

Die atlantische Küste von Amerika.

Wir haben schon bei der Panamaeisenbahn erwähnt, wie sie
auf Chinesenleichen erbaut wurde. Nichts destoweniger fanden sich
Verfechter für das Klima von Darien, welche so weit gingen, zu
sagen, Panama würde sicher einmal als Vergnügungsaufenthalt ge-
wählt werden.

Als beste Illustration für dieses reizende Klima dienen wohl
die vielen Barackenspitäler, welche die Canalgesellschaft sofort
errichten, die vielen Aerzte, welche sie anstellen musste, und die
statistische Sterblichkeitszieffer, welche 4—6 % beträgt, eine Zahl,
welche in Europa kaum bei Epidemien erreicht wird.

Aber nicht nur unter den gemeinen Arbeitern, welche in Wahr-
heit durch Excesse dem Klima zu Hilfe kommen, sondern auch unter
der intelligenten Classe, welche gewiss dem Tropenklima entsprechend
diät lebt, hielt der Tod reiche Beute. So starben einige der bedeu-
tendsten Ingenieure und der Generaldirector für den Panamacanal,
Herr Leon Boyer, am gelben Fieber.

Als eigentliche Arbeiter beschäftigte man zumeist Neger und
Mischlinge von den westindischen Inseln Cuba, Jamaika, Porto-Rico
etc., wo überall Werbebureaux aufgeschlagen waren. Die Neger sind
auch nicht fieberfrei, aber viel widerstandsfähiger als Chinesen oder
Weisse.

Infolge der hohen Löhne war auch nie eine ernstliche Klage
über Arbeitermangel laut geworden.

Ueberblicken wir nochmals die rein technische Seite des Panama-
Unternehmens, so müssen wir uns sagen, dass es das grossartigste
und schwierigste Unternehmen ist, an welches jemals die Ingenieur-
kunst getreten; wir wissen heute, wo wir tiefer blicken können,
dass die ersten Untersuchungen und die darauf gebauten Projecte
viel zu rosig aufgefasst waren, dass die Schwierigkeiten mit dem
Fortschritt der Arbeit nicht geringer, sondern im Gegentheil immer
grösser wurden, allein wir müssen auch sagen, dass nach dem gegen-
wärtigen Stande der Ingenieurkunst der Ausbau des Panama-Canales
ein Ding der Möglichkeit ist, wenn die nöthigen Geldmittel zur Ver-
fügung gestellt werden.

Wir stehen jetzt im Momente der schweren Panamakrisis nicht
vor einer Niederlage der Technik, sondern vor der kalten ablehnen-
den Haltung der Financiers, welche das Unternehmen in dem Augen-
blicke fallen liessen, als sie die Rentabilität neuer Zuschüsse be-
zweifelten, daher müssen wir uns über den allerwichtigsten Punkt
des ganzen Panama-Unternehmens, über die Rentabilität des Canales

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[228/0244] Die atlantische Küste von Amerika. Wir haben schon bei der Panamaeisenbahn erwähnt, wie sie auf Chinesenleichen erbaut wurde. Nichts destoweniger fanden sich Verfechter für das Klima von Darien, welche so weit gingen, zu sagen, Panama würde sicher einmal als Vergnügungsaufenthalt ge- wählt werden. Als beste Illustration für dieses reizende Klima dienen wohl die vielen Barackenspitäler, welche die Canalgesellschaft sofort errichten, die vielen Aerzte, welche sie anstellen musste, und die statistische Sterblichkeitszieffer, welche 4—6 % beträgt, eine Zahl, welche in Europa kaum bei Epidemien erreicht wird. Aber nicht nur unter den gemeinen Arbeitern, welche in Wahr- heit durch Excesse dem Klima zu Hilfe kommen, sondern auch unter der intelligenten Classe, welche gewiss dem Tropenklima entsprechend diät lebt, hielt der Tod reiche Beute. So starben einige der bedeu- tendsten Ingenieure und der Generaldirector für den Panamacanal, Herr Leon Boyer, am gelben Fieber. Als eigentliche Arbeiter beschäftigte man zumeist Neger und Mischlinge von den westindischen Inseln Cuba, Jamaika, Porto-Rico etc., wo überall Werbebureaux aufgeschlagen waren. Die Neger sind auch nicht fieberfrei, aber viel widerstandsfähiger als Chinesen oder Weisse. Infolge der hohen Löhne war auch nie eine ernstliche Klage über Arbeitermangel laut geworden. Ueberblicken wir nochmals die rein technische Seite des Panama- Unternehmens, so müssen wir uns sagen, dass es das grossartigste und schwierigste Unternehmen ist, an welches jemals die Ingenieur- kunst getreten; wir wissen heute, wo wir tiefer blicken können, dass die ersten Untersuchungen und die darauf gebauten Projecte viel zu rosig aufgefasst waren, dass die Schwierigkeiten mit dem Fortschritt der Arbeit nicht geringer, sondern im Gegentheil immer grösser wurden, allein wir müssen auch sagen, dass nach dem gegen- wärtigen Stande der Ingenieurkunst der Ausbau des Panama-Canales ein Ding der Möglichkeit ist, wenn die nöthigen Geldmittel zur Ver- fügung gestellt werden. Wir stehen jetzt im Momente der schweren Panamakrisis nicht vor einer Niederlage der Technik, sondern vor der kalten ablehnen- den Haltung der Financiers, welche das Unternehmen in dem Augen- blicke fallen liessen, als sie die Rentabilität neuer Zuschüsse be- zweifelten, daher müssen wir uns über den allerwichtigsten Punkt des ganzen Panama-Unternehmens, über die Rentabilität des Canales

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/244>, abgerufen am 30.04.2024.