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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Ein hervorragender Industriezweig ist die Ledererzeugung und
Verarbeitung, welche einen bedeutenden Rang einnimmt; aber auch
Schiff-, Brücken- und architektonischer Eisenbau stehen in der
Blüthe und ausgedehnte Eisengiessereien, Werkstätten und Waggon-
fabriken sind Annexe der Baltimore-, Ohio- und der Northern-Central-
Eisenbahnen.

Eines jener Centren für allerlei Industrien, wie: Brauereien, Er-
zeugung chemischer Producte, Fabriken für Baumwolle, Bleiweiss, land-
wirthschaftliche Geräthe, Locomotive, Räder etc. ist Canton, der Fort
Mc Henry gegenüberliegende Stadttheil und eigentlich eine Stadt für sich.
Die daselbst in hoher Entwicklung stehende Kupferindustrie scheint
berufen zu sein, bald eine leitende Rolle auf dem Weltmarkte zu spielen.

Baltimores Ruhm, gar manche Errungenschaften der Technik
allen Städten voran in Anwendung gebracht und auch die erste
Eisenbahn besessen zu haben, kommt auch heute noch zur Geltung.
Die mit enormem Kostenaufwande geschaffenen Tunnels, welche das
hügelige Terrain durchbohren, sämmtliche im Norden der Stadt mün-
denden Bahnen vereinen und ihre Geleise dem Niveau des Meeres zu-
führen, bezeugen, wie Unternehmungsgeist und technische Kühnheit
der Bürger von Baltimore fortleben und bewunderungswürdige Bauten
schaffen, die der Stadt zum Nutzen gereichen. In Bezug auf den tech-
nisch fortschrittlichen Sinn der Einwohner könnte man Baltimore
mit Nürnberg vergleichen.

Der grössere, der Baltimore- und Potomak-Tunnel behauptet
als unterirdischer Schienenstrang den zweiten Rang an der atlanti-
schen Seite Nordamerikas. Er ist 2112 m lang und kreuzt 29 Strassen
in Tiefen bis zu 16 m unter ihrem Grunde; der kleinere Union-Tunnel
ist 1033 m lang. Durch beide führen Doppelgeleise und verkehren
mit Ausnahme der Baltimore- und Ohio-Bahn die anderen fünf Bahnen
auf diesen unterirdischen Wegen.

So verbreiten der Hafen mit seinem Wohlstand, die blühenden
Gewerbe und Institutionen des Verkehrs einen bestechenden Schimmer
über die ganze Stadt, die wie wenig andere in der kurzen Zeit ihres
Bestandes sich zu einer Weltstadt emporschwingen und doch auch
jene Stimmung der Fröhlichkeit und Heiterkeit bewahren konnte, die
sie vor allen Städten der Union auszeichnet.

Das rasche Anwachsen der Stadt zu einer Bevölkerung von
420.000 Seelen vollzog sich in erstaunlich kurzer Zeit. In den Strassen
treffen wir Schritt für Schritt auf Schwarze, welche gegen 16 % der
Bevölkerung der Stadt ausmachen.


Die atlantische Küste von Amerika.

Ein hervorragender Industriezweig ist die Ledererzeugung und
Verarbeitung, welche einen bedeutenden Rang einnimmt; aber auch
Schiff-, Brücken- und architektonischer Eisenbau stehen in der
Blüthe und ausgedehnte Eisengiessereien, Werkstätten und Waggon-
fabriken sind Annexe der Baltimore-, Ohio- und der Northern-Central-
Eisenbahnen.

Eines jener Centren für allerlei Industrien, wie: Brauereien, Er-
zeugung chemischer Producte, Fabriken für Baumwolle, Bleiweiss, land-
wirthschaftliche Geräthe, Locomotive, Räder etc. ist Canton, der Fort
Mc Henry gegenüberliegende Stadttheil und eigentlich eine Stadt für sich.
Die daselbst in hoher Entwicklung stehende Kupferindustrie scheint
berufen zu sein, bald eine leitende Rolle auf dem Weltmarkte zu spielen.

Baltimores Ruhm, gar manche Errungenschaften der Technik
allen Städten voran in Anwendung gebracht und auch die erste
Eisenbahn besessen zu haben, kommt auch heute noch zur Geltung.
Die mit enormem Kostenaufwande geschaffenen Tunnels, welche das
hügelige Terrain durchbohren, sämmtliche im Norden der Stadt mün-
denden Bahnen vereinen und ihre Geleise dem Niveau des Meeres zu-
führen, bezeugen, wie Unternehmungsgeist und technische Kühnheit
der Bürger von Baltimore fortleben und bewunderungswürdige Bauten
schaffen, die der Stadt zum Nutzen gereichen. In Bezug auf den tech-
nisch fortschrittlichen Sinn der Einwohner könnte man Baltimore
mit Nürnberg vergleichen.

Der grössere, der Baltimore- und Potomak-Tunnel behauptet
als unterirdischer Schienenstrang den zweiten Rang an der atlanti-
schen Seite Nordamerikas. Er ist 2112 m lang und kreuzt 29 Strassen
in Tiefen bis zu 16 m unter ihrem Grunde; der kleinere Union-Tunnel
ist 1033 m lang. Durch beide führen Doppelgeleise und verkehren
mit Ausnahme der Baltimore- und Ohio-Bahn die anderen fünf Bahnen
auf diesen unterirdischen Wegen.

So verbreiten der Hafen mit seinem Wohlstand, die blühenden
Gewerbe und Institutionen des Verkehrs einen bestechenden Schimmer
über die ganze Stadt, die wie wenig andere in der kurzen Zeit ihres
Bestandes sich zu einer Weltstadt emporschwingen und doch auch
jene Stimmung der Fröhlichkeit und Heiterkeit bewahren konnte, die
sie vor allen Städten der Union auszeichnet.

Das rasche Anwachsen der Stadt zu einer Bevölkerung von
420.000 Seelen vollzog sich in erstaunlich kurzer Zeit. In den Strassen
treffen wir Schritt für Schritt auf Schwarze, welche gegen 16 % der
Bevölkerung der Stadt ausmachen.


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[110/0126] Die atlantische Küste von Amerika. Ein hervorragender Industriezweig ist die Ledererzeugung und Verarbeitung, welche einen bedeutenden Rang einnimmt; aber auch Schiff-, Brücken- und architektonischer Eisenbau stehen in der Blüthe und ausgedehnte Eisengiessereien, Werkstätten und Waggon- fabriken sind Annexe der Baltimore-, Ohio- und der Northern-Central- Eisenbahnen. Eines jener Centren für allerlei Industrien, wie: Brauereien, Er- zeugung chemischer Producte, Fabriken für Baumwolle, Bleiweiss, land- wirthschaftliche Geräthe, Locomotive, Räder etc. ist Canton, der Fort Mc Henry gegenüberliegende Stadttheil und eigentlich eine Stadt für sich. Die daselbst in hoher Entwicklung stehende Kupferindustrie scheint berufen zu sein, bald eine leitende Rolle auf dem Weltmarkte zu spielen. Baltimores Ruhm, gar manche Errungenschaften der Technik allen Städten voran in Anwendung gebracht und auch die erste Eisenbahn besessen zu haben, kommt auch heute noch zur Geltung. Die mit enormem Kostenaufwande geschaffenen Tunnels, welche das hügelige Terrain durchbohren, sämmtliche im Norden der Stadt mün- denden Bahnen vereinen und ihre Geleise dem Niveau des Meeres zu- führen, bezeugen, wie Unternehmungsgeist und technische Kühnheit der Bürger von Baltimore fortleben und bewunderungswürdige Bauten schaffen, die der Stadt zum Nutzen gereichen. In Bezug auf den tech- nisch fortschrittlichen Sinn der Einwohner könnte man Baltimore mit Nürnberg vergleichen. Der grössere, der Baltimore- und Potomak-Tunnel behauptet als unterirdischer Schienenstrang den zweiten Rang an der atlanti- schen Seite Nordamerikas. Er ist 2112 m lang und kreuzt 29 Strassen in Tiefen bis zu 16 m unter ihrem Grunde; der kleinere Union-Tunnel ist 1033 m lang. Durch beide führen Doppelgeleise und verkehren mit Ausnahme der Baltimore- und Ohio-Bahn die anderen fünf Bahnen auf diesen unterirdischen Wegen. So verbreiten der Hafen mit seinem Wohlstand, die blühenden Gewerbe und Institutionen des Verkehrs einen bestechenden Schimmer über die ganze Stadt, die wie wenig andere in der kurzen Zeit ihres Bestandes sich zu einer Weltstadt emporschwingen und doch auch jene Stimmung der Fröhlichkeit und Heiterkeit bewahren konnte, die sie vor allen Städten der Union auszeichnet. Das rasche Anwachsen der Stadt zu einer Bevölkerung von 420.000 Seelen vollzog sich in erstaunlich kurzer Zeit. In den Strassen treffen wir Schritt für Schritt auf Schwarze, welche gegen 16 % der Bevölkerung der Stadt ausmachen.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/126>, abgerufen am 06.05.2024.