Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Die atlantische Küste von Amerika.
den prächtigen öffentlichen und Privat-Gebäuden, durch deren Zahl
und Schönheit Philadelphia an und für sich alle amerikanischen
Städte überragt. Es ist, als bliebe warmes Empfinden für das Schöne
ebenfalls durch Penn's Geist für immer an diese Stätte gebunden.

Die glücklichen Verhältnisse Philadelphias kommen in seinen
glanzvollen Bauten und in dem eleganten Aeussern der Stadt, die
ohne Uebertreibung zum Juwel der Union geworden ist, zur Geltung.
In munificenter Weise entstanden dort Institute und Anstalten zur Pflege
von Kunst und Wissenschaft sowie zur Verbreitung und Hebung des
Wohlthätigkeitssinnes in einer Zahl, wie sie anderwärts kaum anzutreffen
ist. Die schon im Jahre 1749 gegründete Universität von Pennsyl-
vanien, welche in West-Philadelphia einen Prachtbau erhalten hat,
und das Girard-College, von einem reichen Schweizer als Waisenhaus
gegründet, geniessen Weltruf. Von den staatlichen Gebäuden wären
noch das Customhause (Zollamt), die Münze und die zwei Straf-
anstalten als mustergiltig zu erwähnen. Ebenso sind die verschie-
denen Banken und Finanzinstitute, deren Mehrzahl in Chestnutstreet
gelegen ist, in ihrer Art hervorragend. Dagegen beanspruchen die
miliärischen Etablissements, und zwar ein Armee-Arsenal und der Navy-
Yard (Arsenal der Flotte), keine Bedeutung. Die Academy of fine arts,
die Academy of Music und zahlreiche Bibliotheken, wie z. B. Phila-
delphia library, sind Institutionen, welche jeder Grosstadt zur höchsten
Zierde gereichen würden. Das schon über hundert Jahre bestehende
Lippincot'sche Buchhandlungshaus, ein Literaturinstitut ersten Ranges,
der Public Ledger, eine der grossartigsten Zeitungsunternehmungen,
gehören zu den markanten Erscheinungen Philadelphias auf dem Ge-
biete der Industrie des Geistes.

Jedoch nicht allein die Prunkgebäude des Reichthums, der sein
Lager hauptsächlich in Market- und in den mit dieser an Glanz
rivalisirenden Chestnut- und Broadstreet aufgeschlagen hat und diese
Strassen zu den fashionablesten Stadtpromenaden erhob, sondern auch
die Wohnhäuser der wohlhabenden Bürgerschaft, noch mehr aber
jene der arbeitenden Classe, die kaum anderswo so glänzend versorgt
ist als hier, beanspruchen unsere vollste Aufmerksamkeit; Philadel-
phia setzt nämlich die grösste Ehre darein, den arbeitenden Classen
bequeme und saubere Unterkunft zu bieten.

Obwohl vorzugsweise Industriestadt, ist Philadelphia wie über-
haupt der ganze an schiffbaren Flüssen, Canälen und Bahnen
so reiche Staat Pennsylvanien ein reiches Handelsgebiet und die stets
wachsende Bedeutung desselben drängte zur Gründung von Hand-

Die atlantische Küste von Amerika.
den prächtigen öffentlichen und Privat-Gebäuden, durch deren Zahl
und Schönheit Philadelphia an und für sich alle amerikanischen
Städte überragt. Es ist, als bliebe warmes Empfinden für das Schöne
ebenfalls durch Penn’s Geist für immer an diese Stätte gebunden.

Die glücklichen Verhältnisse Philadelphias kommen in seinen
glanzvollen Bauten und in dem eleganten Aeussern der Stadt, die
ohne Uebertreibung zum Juwel der Union geworden ist, zur Geltung.
In munificenter Weise entstanden dort Institute und Anstalten zur Pflege
von Kunst und Wissenschaft sowie zur Verbreitung und Hebung des
Wohlthätigkeitssinnes in einer Zahl, wie sie anderwärts kaum anzutreffen
ist. Die schon im Jahre 1749 gegründete Universität von Pennsyl-
vanien, welche in West-Philadelphia einen Prachtbau erhalten hat,
und das Girard-College, von einem reichen Schweizer als Waisenhaus
gegründet, geniessen Weltruf. Von den staatlichen Gebäuden wären
noch das Customhause (Zollamt), die Münze und die zwei Straf-
anstalten als mustergiltig zu erwähnen. Ebenso sind die verschie-
denen Banken und Finanzinstitute, deren Mehrzahl in Chestnutstreet
gelegen ist, in ihrer Art hervorragend. Dagegen beanspruchen die
miliärischen Etablissements, und zwar ein Armee-Arsenal und der Navy-
Yard (Arsenal der Flotte), keine Bedeutung. Die Academy of fine arts,
die Academy of Music und zahlreiche Bibliotheken, wie z. B. Phila-
delphia library, sind Institutionen, welche jeder Grosstadt zur höchsten
Zierde gereichen würden. Das schon über hundert Jahre bestehende
Lippincot’sche Buchhandlungshaus, ein Literaturinstitut ersten Ranges,
der Public Ledger, eine der grossartigsten Zeitungsunternehmungen,
gehören zu den markanten Erscheinungen Philadelphias auf dem Ge-
biete der Industrie des Geistes.

Jedoch nicht allein die Prunkgebäude des Reichthums, der sein
Lager hauptsächlich in Market- und in den mit dieser an Glanz
rivalisirenden Chestnut- und Broadstreet aufgeschlagen hat und diese
Strassen zu den fashionablesten Stadtpromenaden erhob, sondern auch
die Wohnhäuser der wohlhabenden Bürgerschaft, noch mehr aber
jene der arbeitenden Classe, die kaum anderswo so glänzend versorgt
ist als hier, beanspruchen unsere vollste Aufmerksamkeit; Philadel-
phia setzt nämlich die grösste Ehre darein, den arbeitenden Classen
bequeme und saubere Unterkunft zu bieten.

Obwohl vorzugsweise Industriestadt, ist Philadelphia wie über-
haupt der ganze an schiffbaren Flüssen, Canälen und Bahnen
so reiche Staat Pennsylvanien ein reiches Handelsgebiet und die stets
wachsende Bedeutung desselben drängte zur Gründung von Hand-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0112" n="96"/><fw place="top" type="header">Die atlantische Küste von Amerika.</fw><lb/>
den prächtigen öffentlichen und Privat-Gebäuden, durch deren Zahl<lb/>
und Schönheit Philadelphia an und für sich alle amerikanischen<lb/>
Städte überragt. Es ist, als bliebe warmes Empfinden für das Schöne<lb/>
ebenfalls durch Penn&#x2019;s Geist für immer an diese Stätte gebunden.</p><lb/>
          <p>Die glücklichen Verhältnisse Philadelphias kommen in seinen<lb/>
glanzvollen Bauten und in dem eleganten Aeussern der Stadt, die<lb/>
ohne Uebertreibung zum Juwel der Union geworden ist, zur Geltung.<lb/>
In munificenter Weise entstanden dort Institute und Anstalten zur Pflege<lb/>
von Kunst und Wissenschaft sowie zur Verbreitung und Hebung des<lb/>
Wohlthätigkeitssinnes in einer Zahl, wie sie anderwärts kaum anzutreffen<lb/>
ist. Die schon im Jahre 1749 gegründete Universität von Pennsyl-<lb/>
vanien, welche in West-Philadelphia einen Prachtbau erhalten hat,<lb/>
und das Girard-College, von einem reichen Schweizer als Waisenhaus<lb/>
gegründet, geniessen Weltruf. Von den staatlichen Gebäuden wären<lb/>
noch das Customhause (Zollamt), die Münze und die zwei Straf-<lb/>
anstalten als mustergiltig zu erwähnen. Ebenso sind die verschie-<lb/>
denen Banken und Finanzinstitute, deren Mehrzahl in Chestnutstreet<lb/>
gelegen ist, in ihrer Art hervorragend. Dagegen beanspruchen die<lb/>
miliärischen Etablissements, und zwar ein Armee-Arsenal und der Navy-<lb/>
Yard (Arsenal der Flotte), keine Bedeutung. Die Academy of fine arts,<lb/>
die Academy of Music und zahlreiche Bibliotheken, wie z. B. Phila-<lb/>
delphia library, sind Institutionen, welche jeder Grosstadt zur höchsten<lb/>
Zierde gereichen würden. Das schon über hundert Jahre bestehende<lb/>
Lippincot&#x2019;sche Buchhandlungshaus, ein Literaturinstitut ersten Ranges,<lb/>
der Public Ledger, eine der grossartigsten Zeitungsunternehmungen,<lb/>
gehören zu den markanten Erscheinungen Philadelphias auf dem Ge-<lb/>
biete der Industrie des Geistes.</p><lb/>
          <p>Jedoch nicht allein die Prunkgebäude des Reichthums, der sein<lb/>
Lager hauptsächlich in Market- und in den mit dieser an Glanz<lb/>
rivalisirenden Chestnut- und Broadstreet aufgeschlagen hat und diese<lb/>
Strassen zu den fashionablesten Stadtpromenaden erhob, sondern auch<lb/>
die Wohnhäuser der wohlhabenden Bürgerschaft, noch mehr aber<lb/>
jene der arbeitenden Classe, die kaum anderswo so glänzend versorgt<lb/>
ist als hier, beanspruchen unsere vollste Aufmerksamkeit; Philadel-<lb/>
phia setzt nämlich die grösste Ehre darein, den arbeitenden Classen<lb/>
bequeme und saubere Unterkunft zu bieten.</p><lb/>
          <p>Obwohl vorzugsweise Industriestadt, ist Philadelphia wie über-<lb/>
haupt der ganze an schiffbaren Flüssen, Canälen und Bahnen<lb/>
so reiche Staat Pennsylvanien ein reiches Handelsgebiet und die stets<lb/>
wachsende Bedeutung desselben drängte zur Gründung von Hand-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0112] Die atlantische Küste von Amerika. den prächtigen öffentlichen und Privat-Gebäuden, durch deren Zahl und Schönheit Philadelphia an und für sich alle amerikanischen Städte überragt. Es ist, als bliebe warmes Empfinden für das Schöne ebenfalls durch Penn’s Geist für immer an diese Stätte gebunden. Die glücklichen Verhältnisse Philadelphias kommen in seinen glanzvollen Bauten und in dem eleganten Aeussern der Stadt, die ohne Uebertreibung zum Juwel der Union geworden ist, zur Geltung. In munificenter Weise entstanden dort Institute und Anstalten zur Pflege von Kunst und Wissenschaft sowie zur Verbreitung und Hebung des Wohlthätigkeitssinnes in einer Zahl, wie sie anderwärts kaum anzutreffen ist. Die schon im Jahre 1749 gegründete Universität von Pennsyl- vanien, welche in West-Philadelphia einen Prachtbau erhalten hat, und das Girard-College, von einem reichen Schweizer als Waisenhaus gegründet, geniessen Weltruf. Von den staatlichen Gebäuden wären noch das Customhause (Zollamt), die Münze und die zwei Straf- anstalten als mustergiltig zu erwähnen. Ebenso sind die verschie- denen Banken und Finanzinstitute, deren Mehrzahl in Chestnutstreet gelegen ist, in ihrer Art hervorragend. Dagegen beanspruchen die miliärischen Etablissements, und zwar ein Armee-Arsenal und der Navy- Yard (Arsenal der Flotte), keine Bedeutung. Die Academy of fine arts, die Academy of Music und zahlreiche Bibliotheken, wie z. B. Phila- delphia library, sind Institutionen, welche jeder Grosstadt zur höchsten Zierde gereichen würden. Das schon über hundert Jahre bestehende Lippincot’sche Buchhandlungshaus, ein Literaturinstitut ersten Ranges, der Public Ledger, eine der grossartigsten Zeitungsunternehmungen, gehören zu den markanten Erscheinungen Philadelphias auf dem Ge- biete der Industrie des Geistes. Jedoch nicht allein die Prunkgebäude des Reichthums, der sein Lager hauptsächlich in Market- und in den mit dieser an Glanz rivalisirenden Chestnut- und Broadstreet aufgeschlagen hat und diese Strassen zu den fashionablesten Stadtpromenaden erhob, sondern auch die Wohnhäuser der wohlhabenden Bürgerschaft, noch mehr aber jene der arbeitenden Classe, die kaum anderswo so glänzend versorgt ist als hier, beanspruchen unsere vollste Aufmerksamkeit; Philadel- phia setzt nämlich die grösste Ehre darein, den arbeitenden Classen bequeme und saubere Unterkunft zu bieten. Obwohl vorzugsweise Industriestadt, ist Philadelphia wie über- haupt der ganze an schiffbaren Flüssen, Canälen und Bahnen so reiche Staat Pennsylvanien ein reiches Handelsgebiet und die stets wachsende Bedeutung desselben drängte zur Gründung von Hand-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/112
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/112>, abgerufen am 27.11.2024.