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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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New-Orleans.
Luftwege, eine Folge des excessiven Klimas, so viele Menschen
dahinraffen.

Als Handelsplatz ist New-Orleans der natürliche Ausfuhrplatz
des kolossalen Stromgebietes des Mississippi. Dampfer können Frach-
ten führen von den St. Anthonys-Fällen bis in den Golf von Mexiko
(3478 km) und von Pittsburg in Ohio bis Fort Benton in Montana
(6972 km). Lichterschiffe aber können den Missouri hinauf bis zu den
"Grossen Fällen", in deren Nähe der Fluss das Felsengebirge ver-
lässt. Nach allen Richtungen hin verästeln sich die Zweige dieses
Stromsystems.

Im Ganzen sind gegenwärtig 45 Flüsse auf eine Länge von
25.900 km der Schiffahrt zugänglich, oder die vierfache Länge der
Oceanlinie von New-York nach Liverpool, und mehr als viermal so
viel, wie die Entfernung quer durch den Continent auf der kürzesten
Eisenbahnlinie zwischen New-York und S. Francisco. Und durch
Bauten hofft man wenigstens für die Zeit des guten Wasserstandes
noch 1600 km Flussläufe in der Nähe der Quellgebiete schiffbar zu
machen.

In allen Theilen gleichwerthig ist dieses Netz von Wasserstrassen
wohl nicht. So kann gleich die Strecke des Hauptstromes zwischen
St. Louis (Mo.) und St. Paul (Min.) von der grossen Schiffahrt nur
4--5 Monate im Jahre benützt werden. Aber abwärts von St. Louis,
wo am 4. Juli 1874 die grosse von Eads erbaute Eisenbahnbrücke
eröffnet wurde, ist der Strom das ganze Jahr hindurch auch für
Dampfer und Segelschiffe von bedeutendem Tiefgange fahrbar. Nur
die "Snags", Baumstämme, die sich auf dem Grunde des Fahrwassers
festgerammt haben und den Fahrzeugen ihre spitzen Aeste und ab-
gebrochenen Stümpfe entgegenstellen, sind der Schiffahrt sehr gefähr-
lich. Die Snags zu entfernen, sind eigene Boote bestimmt, welche auch
mit Dynamitpatronen ausgerüstet werden.

Bei aller Bewunderung für die grossartige Ausdehnung der
Schiffahrtstrassen des Mississippi-Systems und für die 1114 Dampfer,
welche seine Gewässer beleben, darf man sich aber nicht verleiten
lassen, die heutige Bedeutung desselben für den Handel zu über-
schätzen.

Ganz gegen die Verkehrsgesetze haben in der Union die aller-
dings unglaublich billig arbeitenden Eisenbahnen einen grossen Theil
des Verkehres vom Mississippi abgezogen und führen selbst schwere
Massengüter quer über die Ströme dem atlantischem Ocean zu.

So hat der Missouri mit der Vollendung der verschiedenen

New-Orleans.
Luftwege, eine Folge des excessiven Klimas, so viele Menschen
dahinraffen.

Als Handelsplatz ist New-Orleans der natürliche Ausfuhrplatz
des kolossalen Stromgebietes des Mississippi. Dampfer können Frach-
ten führen von den St. Anthonys-Fällen bis in den Golf von Mexiko
(3478 km) und von Pittsburg in Ohio bis Fort Benton in Montana
(6972 km). Lichterschiffe aber können den Missouri hinauf bis zu den
„Grossen Fällen“, in deren Nähe der Fluss das Felsengebirge ver-
lässt. Nach allen Richtungen hin verästeln sich die Zweige dieses
Stromsystems.

Im Ganzen sind gegenwärtig 45 Flüsse auf eine Länge von
25.900 km der Schiffahrt zugänglich, oder die vierfache Länge der
Oceanlinie von New-York nach Liverpool, und mehr als viermal so
viel, wie die Entfernung quer durch den Continent auf der kürzesten
Eisenbahnlinie zwischen New-York und S. Francisco. Und durch
Bauten hofft man wenigstens für die Zeit des guten Wasserstandes
noch 1600 km Flussläufe in der Nähe der Quellgebiete schiffbar zu
machen.

In allen Theilen gleichwerthig ist dieses Netz von Wasserstrassen
wohl nicht. So kann gleich die Strecke des Hauptstromes zwischen
St. Louis (Mo.) und St. Paul (Min.) von der grossen Schiffahrt nur
4—5 Monate im Jahre benützt werden. Aber abwärts von St. Louis,
wo am 4. Juli 1874 die grosse von Eads erbaute Eisenbahnbrücke
eröffnet wurde, ist der Strom das ganze Jahr hindurch auch für
Dampfer und Segelschiffe von bedeutendem Tiefgange fahrbar. Nur
die „Snags“, Baumstämme, die sich auf dem Grunde des Fahrwassers
festgerammt haben und den Fahrzeugen ihre spitzen Aeste und ab-
gebrochenen Stümpfe entgegenstellen, sind der Schiffahrt sehr gefähr-
lich. Die Snags zu entfernen, sind eigene Boote bestimmt, welche auch
mit Dynamitpatronen ausgerüstet werden.

Bei aller Bewunderung für die grossartige Ausdehnung der
Schiffahrtstrassen des Mississippi-Systems und für die 1114 Dampfer,
welche seine Gewässer beleben, darf man sich aber nicht verleiten
lassen, die heutige Bedeutung desselben für den Handel zu über-
schätzen.

Ganz gegen die Verkehrsgesetze haben in der Union die aller-
dings unglaublich billig arbeitenden Eisenbahnen einen grossen Theil
des Verkehres vom Mississippi abgezogen und führen selbst schwere
Massengüter quer über die Ströme dem atlantischem Ocean zu.

So hat der Missouri mit der Vollendung der verschiedenen

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[143/0159] New-Orleans. Luftwege, eine Folge des excessiven Klimas, so viele Menschen dahinraffen. Als Handelsplatz ist New-Orleans der natürliche Ausfuhrplatz des kolossalen Stromgebietes des Mississippi. Dampfer können Frach- ten führen von den St. Anthonys-Fällen bis in den Golf von Mexiko (3478 km) und von Pittsburg in Ohio bis Fort Benton in Montana (6972 km). Lichterschiffe aber können den Missouri hinauf bis zu den „Grossen Fällen“, in deren Nähe der Fluss das Felsengebirge ver- lässt. Nach allen Richtungen hin verästeln sich die Zweige dieses Stromsystems. Im Ganzen sind gegenwärtig 45 Flüsse auf eine Länge von 25.900 km der Schiffahrt zugänglich, oder die vierfache Länge der Oceanlinie von New-York nach Liverpool, und mehr als viermal so viel, wie die Entfernung quer durch den Continent auf der kürzesten Eisenbahnlinie zwischen New-York und S. Francisco. Und durch Bauten hofft man wenigstens für die Zeit des guten Wasserstandes noch 1600 km Flussläufe in der Nähe der Quellgebiete schiffbar zu machen. In allen Theilen gleichwerthig ist dieses Netz von Wasserstrassen wohl nicht. So kann gleich die Strecke des Hauptstromes zwischen St. Louis (Mo.) und St. Paul (Min.) von der grossen Schiffahrt nur 4—5 Monate im Jahre benützt werden. Aber abwärts von St. Louis, wo am 4. Juli 1874 die grosse von Eads erbaute Eisenbahnbrücke eröffnet wurde, ist der Strom das ganze Jahr hindurch auch für Dampfer und Segelschiffe von bedeutendem Tiefgange fahrbar. Nur die „Snags“, Baumstämme, die sich auf dem Grunde des Fahrwassers festgerammt haben und den Fahrzeugen ihre spitzen Aeste und ab- gebrochenen Stümpfe entgegenstellen, sind der Schiffahrt sehr gefähr- lich. Die Snags zu entfernen, sind eigene Boote bestimmt, welche auch mit Dynamitpatronen ausgerüstet werden. Bei aller Bewunderung für die grossartige Ausdehnung der Schiffahrtstrassen des Mississippi-Systems und für die 1114 Dampfer, welche seine Gewässer beleben, darf man sich aber nicht verleiten lassen, die heutige Bedeutung desselben für den Handel zu über- schätzen. Ganz gegen die Verkehrsgesetze haben in der Union die aller- dings unglaublich billig arbeitenden Eisenbahnen einen grossen Theil des Verkehres vom Mississippi abgezogen und führen selbst schwere Massengüter quer über die Ströme dem atlantischem Ocean zu. So hat der Missouri mit der Vollendung der verschiedenen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/159>, abgerufen am 26.11.2024.