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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.

Hat man Woolwich passirt, dann hört der städtische Charakter
auf, man hat London hinter sich und geniesst den freieren Anblick
der reichen Landschaften, welche sich auf beiden Ufern hinziehen
und mit Städtchen und Ortschaften sowie mit einzelnen Nieder-
lassungen reich besäet sind. Der Fluss selbst hat keinen geraden
Lauf, sondern schlängelt sich in sanften Windungen, breit und statt-
lich dahin, und wenn der Wind von Osten kommt, so fühlt man
auch schon den kräftigeren Gehalt der Seeluft. So erreicht man
Gravesend, dem gegenüber an der Nordseite die Tilbury-Docks
liegen. Jetzt erweitert sich die Themse zu imposanter Breite, die
Wogen der Nordsee rauschen heran und vereinigen sich mit dem
Gewässer des Flusses. Segel auf Segel zieht vorbei, Dampfer pusten
und schnauben von der See hinein oder bereiten sich zur weiten
Fahrt vor. Noch einige Meilen, dann hat man im Süden den Kriegs-
hafen Sheerness, im Norden Shoeburyness, beide durch Leucht-
feuer bezeichnet, die wichtigen Marken zum Einlaufen in die Themse,
die hier bereits 9·4 km breit ist. Nördlich von Sheerness mündet der
Medwayfluss, an welchem Chatam, das grosse britische See-Arsenal
sich befindet.

Ist man beim innersten Leuchtschiffe der Themse vorbei, dann
tritt auch das nördliche Ufer von Essex zurück, während im Süden
die Grafschaft Kent noch 44 km weit sich ostwärts bis zum Cap
Nord-Foreland zieht, aber der Fluss ist hinter uns und der Lauf
geht hinaus in die Nordsee. Diesen Weg machen Jahr um Jahr viele
tausende von Schiffen jeglicher Grösse und jeglicher Herkunft.

Zwischen Sheerness und dem Cap Nord-Foreland liegen zahl-
reiche Ortschaften am Strande, von welchen Whitstable seiner vor-
züglichen Austern wegen und das nächst dem Cap gelegene Städtchen
Margate als vielbesuchtes Seebad europäischen Ruf geniessen. Die
Zufahrt in die Themse ist wegen der zahlreichen weit in See liegen-
den Bänke und Barren eine umständliche und schwierige. Auch die
Gezeitenströmung ist sehr kräftig, und wenn sie auch von den Schiffen
mit Vortheil ausgenützt wird, so erfordert sie dennoch die grösste Auf-
merksamkeit und Vorsicht. Die Springflut erzeugt in London eine
Niveauerhöhung des Wassers um 6·1 m. Die Schiffe laufen in der
Regel mit der beginnenden Flut ein und mit der beginnenden Ebbe
aus, so dass sie den Strom stets mit sich haben. Die Zufahrt zur
Themsemündung ist schon weit in See markirt. Die zwei Leucht-
schiffe Galloper-Bank und Sunk sind 50 km ausserhalb des Cap
Nord-Foreland in hoher See verankert und bilden mit dem 46 km

Der atlantische Ocean.

Hat man Woolwich passirt, dann hört der städtische Charakter
auf, man hat London hinter sich und geniesst den freieren Anblick
der reichen Landschaften, welche sich auf beiden Ufern hinziehen
und mit Städtchen und Ortschaften sowie mit einzelnen Nieder-
lassungen reich besäet sind. Der Fluss selbst hat keinen geraden
Lauf, sondern schlängelt sich in sanften Windungen, breit und statt-
lich dahin, und wenn der Wind von Osten kommt, so fühlt man
auch schon den kräftigeren Gehalt der Seeluft. So erreicht man
Gravesend, dem gegenüber an der Nordseite die Tilbury-Docks
liegen. Jetzt erweitert sich die Themse zu imposanter Breite, die
Wogen der Nordsee rauschen heran und vereinigen sich mit dem
Gewässer des Flusses. Segel auf Segel zieht vorbei, Dampfer pusten
und schnauben von der See hinein oder bereiten sich zur weiten
Fahrt vor. Noch einige Meilen, dann hat man im Süden den Kriegs-
hafen Sheerness, im Norden Shoeburyness, beide durch Leucht-
feuer bezeichnet, die wichtigen Marken zum Einlaufen in die Themse,
die hier bereits 9·4 km breit ist. Nördlich von Sheerness mündet der
Medwayfluss, an welchem Chatam, das grosse britische See-Arsenal
sich befindet.

Ist man beim innersten Leuchtschiffe der Themse vorbei, dann
tritt auch das nördliche Ufer von Essex zurück, während im Süden
die Grafschaft Kent noch 44 km weit sich ostwärts bis zum Cap
Nord-Foreland zieht, aber der Fluss ist hinter uns und der Lauf
geht hinaus in die Nordsee. Diesen Weg machen Jahr um Jahr viele
tausende von Schiffen jeglicher Grösse und jeglicher Herkunft.

Zwischen Sheerness und dem Cap Nord-Foreland liegen zahl-
reiche Ortschaften am Strande, von welchen Whitstable seiner vor-
züglichen Austern wegen und das nächst dem Cap gelegene Städtchen
Margate als vielbesuchtes Seebad europäischen Ruf geniessen. Die
Zufahrt in die Themse ist wegen der zahlreichen weit in See liegen-
den Bänke und Barren eine umständliche und schwierige. Auch die
Gezeitenströmung ist sehr kräftig, und wenn sie auch von den Schiffen
mit Vortheil ausgenützt wird, so erfordert sie dennoch die grösste Auf-
merksamkeit und Vorsicht. Die Springflut erzeugt in London eine
Niveauerhöhung des Wassers um 6·1 m. Die Schiffe laufen in der
Regel mit der beginnenden Flut ein und mit der beginnenden Ebbe
aus, so dass sie den Strom stets mit sich haben. Die Zufahrt zur
Themsemündung ist schon weit in See markirt. Die zwei Leucht-
schiffe Galloper-Bank und Sunk sind 50 km ausserhalb des Cap
Nord-Foreland in hoher See verankert und bilden mit dem 46 km

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[950/0970] Der atlantische Ocean. Hat man Woolwich passirt, dann hört der städtische Charakter auf, man hat London hinter sich und geniesst den freieren Anblick der reichen Landschaften, welche sich auf beiden Ufern hinziehen und mit Städtchen und Ortschaften sowie mit einzelnen Nieder- lassungen reich besäet sind. Der Fluss selbst hat keinen geraden Lauf, sondern schlängelt sich in sanften Windungen, breit und statt- lich dahin, und wenn der Wind von Osten kommt, so fühlt man auch schon den kräftigeren Gehalt der Seeluft. So erreicht man Gravesend, dem gegenüber an der Nordseite die Tilbury-Docks liegen. Jetzt erweitert sich die Themse zu imposanter Breite, die Wogen der Nordsee rauschen heran und vereinigen sich mit dem Gewässer des Flusses. Segel auf Segel zieht vorbei, Dampfer pusten und schnauben von der See hinein oder bereiten sich zur weiten Fahrt vor. Noch einige Meilen, dann hat man im Süden den Kriegs- hafen Sheerness, im Norden Shoeburyness, beide durch Leucht- feuer bezeichnet, die wichtigen Marken zum Einlaufen in die Themse, die hier bereits 9·4 km breit ist. Nördlich von Sheerness mündet der Medwayfluss, an welchem Chatam, das grosse britische See-Arsenal sich befindet. Ist man beim innersten Leuchtschiffe der Themse vorbei, dann tritt auch das nördliche Ufer von Essex zurück, während im Süden die Grafschaft Kent noch 44 km weit sich ostwärts bis zum Cap Nord-Foreland zieht, aber der Fluss ist hinter uns und der Lauf geht hinaus in die Nordsee. Diesen Weg machen Jahr um Jahr viele tausende von Schiffen jeglicher Grösse und jeglicher Herkunft. Zwischen Sheerness und dem Cap Nord-Foreland liegen zahl- reiche Ortschaften am Strande, von welchen Whitstable seiner vor- züglichen Austern wegen und das nächst dem Cap gelegene Städtchen Margate als vielbesuchtes Seebad europäischen Ruf geniessen. Die Zufahrt in die Themse ist wegen der zahlreichen weit in See liegen- den Bänke und Barren eine umständliche und schwierige. Auch die Gezeitenströmung ist sehr kräftig, und wenn sie auch von den Schiffen mit Vortheil ausgenützt wird, so erfordert sie dennoch die grösste Auf- merksamkeit und Vorsicht. Die Springflut erzeugt in London eine Niveauerhöhung des Wassers um 6·1 m. Die Schiffe laufen in der Regel mit der beginnenden Flut ein und mit der beginnenden Ebbe aus, so dass sie den Strom stets mit sich haben. Die Zufahrt zur Themsemündung ist schon weit in See markirt. Die zwei Leucht- schiffe Galloper-Bank und Sunk sind 50 km ausserhalb des Cap Nord-Foreland in hoher See verankert und bilden mit dem 46 km

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 950. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/970>, abgerufen am 23.11.2024.