Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

London.
eigentlich dort, wo der langgestreckte Flusshafen erst seinen Anfang
nimmt, ja im Grunde noch oberhalb dieses Anfanges, nämlich jenseits
von London Bridge.

Um die Docksanlagen geschlossen zu betrachten, haben wir in
unserer Betrachtung der Themse einen Sprung gemacht und müssen
nunmehr, zur Vervollständigung des Bildes, zu jener Stelle, wo sich
das Südende der Isle of Dogs befindet, zurückkehren. Diesem Ende
gegenüber liegt Greenwich, einstmals ein Ort für sich, heute mit
der Metropole bereits verschmolzen. Greenwich ist weltbekannt zunächst
seiner Sternwarte wegen, nach deren Meridian alle englischen See-
karten projicirt sind, dann aber auch wegen des grossen Hospitales
zur Aufnahme dienstuntauglicher Seeleute. Dieses Hospital verdankt
seine Gründung König Wilhelm III. im Jahre 1824. Das Hospital ist
mit sehr bedeutenden Einkünften dotirt und kann 2700 Pensionäre er-
halten, von denen jedoch heute nur der geringere Theil in dem Ge-
bäude selbst untergebracht ist, während die übrigen nur laufende
Pensionen in Geld beziehen. In der Nähe des Hospitales ist die
Royal Naval School zur Erziehung hinterlassener Kinder von Seeleuten
der königlichen Flotte. Südlich von Greenwich zieht sich ein grosser Park
hin, der durch schöne Baumschläge und zahmes Damwild sich aus-
zeichnet. In diesem Park steht das königliche Observatorium mit der be-
rühmten britischen Sternwarte (54° 36' nördl. Br. und 0° 0·0" östl. L.),
an welcher die Normalzeit für ganz England bestimmt wird, deren
Mittheilung jeden Tag um 1 Uhr telegraphisch an alle wichtigeren
Punkte des Königreiches erfolgt. Greenwicher Zeit hat bekanntlich
auch im Seeverkehr grosse Bedeutung. Ebenso dürfte der Meridian von
Greenwich zum Ausgangsmeridian für die projectirte Weltzeit werden.

Nachdem die Themse von Greenwich her den östlichen Theil
der Isle of Dogs umspült hat, wendet sie sich wieder östlich und
läuft zwischen den Victoria- und Albert-Docks zur linken und Wool-
wich
zur rechten Hand. In Woolwich liegt das grosse königliche Arsenal,
in welchem der grösste Theil des Heerbedarfes an Waffen und
Rüstungssachen hergestellt wird. Insbesondere ist die Geschützgiesserei
von Bedeutung und erheblicher Ausdehnung. In Woolwich sind ferner
Kasernen für Land- und Seetruppen, dann die königliche Militäraka-
demie zur Heranbildung von Officieren des Artillerie- und Geniecorps.
In älteren Zeiten waren in Woolwich auch Marineetablissements mit
einer grossen Schiffswerfte, doch sind dieselben heute, wo die An-
forderungen an derartige Anstalten ganz andere geworden sind, nicht
mehr in Thätigkeit.


London.
eigentlich dort, wo der langgestreckte Flusshafen erst seinen Anfang
nimmt, ja im Grunde noch oberhalb dieses Anfanges, nämlich jenseits
von London Bridge.

Um die Docksanlagen geschlossen zu betrachten, haben wir in
unserer Betrachtung der Themse einen Sprung gemacht und müssen
nunmehr, zur Vervollständigung des Bildes, zu jener Stelle, wo sich
das Südende der Isle of Dogs befindet, zurückkehren. Diesem Ende
gegenüber liegt Greenwich, einstmals ein Ort für sich, heute mit
der Metropole bereits verschmolzen. Greenwich ist weltbekannt zunächst
seiner Sternwarte wegen, nach deren Meridian alle englischen See-
karten projicirt sind, dann aber auch wegen des grossen Hospitales
zur Aufnahme dienstuntauglicher Seeleute. Dieses Hospital verdankt
seine Gründung König Wilhelm III. im Jahre 1824. Das Hospital ist
mit sehr bedeutenden Einkünften dotirt und kann 2700 Pensionäre er-
halten, von denen jedoch heute nur der geringere Theil in dem Ge-
bäude selbst untergebracht ist, während die übrigen nur laufende
Pensionen in Geld beziehen. In der Nähe des Hospitales ist die
Royal Naval School zur Erziehung hinterlassener Kinder von Seeleuten
der königlichen Flotte. Südlich von Greenwich zieht sich ein grosser Park
hin, der durch schöne Baumschläge und zahmes Damwild sich aus-
zeichnet. In diesem Park steht das königliche Observatorium mit der be-
rühmten britischen Sternwarte (54° 36′ nördl. Br. und 0° 0·0″ östl. L.),
an welcher die Normalzeit für ganz England bestimmt wird, deren
Mittheilung jeden Tag um 1 Uhr telegraphisch an alle wichtigeren
Punkte des Königreiches erfolgt. Greenwicher Zeit hat bekanntlich
auch im Seeverkehr grosse Bedeutung. Ebenso dürfte der Meridian von
Greenwich zum Ausgangsmeridian für die projectirte Weltzeit werden.

Nachdem die Themse von Greenwich her den östlichen Theil
der Isle of Dogs umspült hat, wendet sie sich wieder östlich und
läuft zwischen den Victoria- und Albert-Docks zur linken und Wool-
wich
zur rechten Hand. In Woolwich liegt das grosse königliche Arsenal,
in welchem der grösste Theil des Heerbedarfes an Waffen und
Rüstungssachen hergestellt wird. Insbesondere ist die Geschützgiesserei
von Bedeutung und erheblicher Ausdehnung. In Woolwich sind ferner
Kasernen für Land- und Seetruppen, dann die königliche Militäraka-
demie zur Heranbildung von Officieren des Artillerie- und Geniecorps.
In älteren Zeiten waren in Woolwich auch Marineetablissements mit
einer grossen Schiffswerfte, doch sind dieselben heute, wo die An-
forderungen an derartige Anstalten ganz andere geworden sind, nicht
mehr in Thätigkeit.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0969" n="949"/><fw place="top" type="header">London.</fw><lb/>
eigentlich dort, wo der langgestreckte Flusshafen erst seinen Anfang<lb/>
nimmt, ja im Grunde noch oberhalb dieses Anfanges, nämlich jenseits<lb/>
von London Bridge.</p><lb/>
          <p>Um die Docksanlagen geschlossen zu betrachten, haben wir in<lb/>
unserer Betrachtung der Themse einen Sprung gemacht und müssen<lb/>
nunmehr, zur Vervollständigung des Bildes, zu jener Stelle, wo sich<lb/>
das Südende der Isle of Dogs befindet, zurückkehren. Diesem Ende<lb/>
gegenüber liegt <hi rendition="#g">Greenwich</hi>, einstmals ein Ort für sich, heute mit<lb/>
der Metropole bereits verschmolzen. Greenwich ist weltbekannt zunächst<lb/>
seiner Sternwarte wegen, nach deren Meridian alle englischen See-<lb/>
karten projicirt sind, dann aber auch wegen des grossen Hospitales<lb/>
zur Aufnahme dienstuntauglicher Seeleute. Dieses Hospital verdankt<lb/>
seine Gründung König Wilhelm III. im Jahre 1824. Das Hospital ist<lb/>
mit sehr bedeutenden Einkünften dotirt und kann 2700 Pensionäre er-<lb/>
halten, von denen jedoch heute nur der geringere Theil in dem Ge-<lb/>
bäude selbst untergebracht ist, während die übrigen nur laufende<lb/>
Pensionen in Geld beziehen. In der Nähe des Hospitales ist die<lb/>
Royal Naval School zur Erziehung hinterlassener Kinder von Seeleuten<lb/>
der königlichen Flotte. Südlich von Greenwich zieht sich ein grosser Park<lb/>
hin, der durch schöne Baumschläge und zahmes Damwild sich aus-<lb/>
zeichnet. In diesem Park steht das königliche Observatorium mit der be-<lb/>
rühmten britischen Sternwarte (54° 36&#x2032; nördl. Br. und 0° 0·0&#x2033; östl. L.),<lb/>
an welcher die Normalzeit für ganz England bestimmt wird, deren<lb/>
Mittheilung jeden Tag um 1 Uhr telegraphisch an alle wichtigeren<lb/>
Punkte des Königreiches erfolgt. Greenwicher Zeit hat bekanntlich<lb/>
auch im Seeverkehr grosse Bedeutung. Ebenso dürfte der Meridian von<lb/>
Greenwich zum Ausgangsmeridian für die projectirte Weltzeit werden.</p><lb/>
          <p>Nachdem die Themse von Greenwich her den östlichen Theil<lb/>
der Isle of Dogs umspült hat, wendet sie sich wieder östlich und<lb/>
läuft zwischen den Victoria- und Albert-Docks zur linken und <hi rendition="#g">Wool-<lb/>
wich</hi> zur rechten Hand. In Woolwich liegt das grosse königliche Arsenal,<lb/>
in welchem der grösste Theil des Heerbedarfes an Waffen und<lb/>
Rüstungssachen hergestellt wird. Insbesondere ist die Geschützgiesserei<lb/>
von Bedeutung und erheblicher Ausdehnung. In Woolwich sind ferner<lb/>
Kasernen für Land- und Seetruppen, dann die königliche Militäraka-<lb/>
demie zur Heranbildung von Officieren des Artillerie- und Geniecorps.<lb/>
In älteren Zeiten waren in Woolwich auch Marineetablissements mit<lb/>
einer grossen Schiffswerfte, doch sind dieselben heute, wo die An-<lb/>
forderungen an derartige Anstalten ganz andere geworden sind, nicht<lb/>
mehr in Thätigkeit.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[949/0969] London. eigentlich dort, wo der langgestreckte Flusshafen erst seinen Anfang nimmt, ja im Grunde noch oberhalb dieses Anfanges, nämlich jenseits von London Bridge. Um die Docksanlagen geschlossen zu betrachten, haben wir in unserer Betrachtung der Themse einen Sprung gemacht und müssen nunmehr, zur Vervollständigung des Bildes, zu jener Stelle, wo sich das Südende der Isle of Dogs befindet, zurückkehren. Diesem Ende gegenüber liegt Greenwich, einstmals ein Ort für sich, heute mit der Metropole bereits verschmolzen. Greenwich ist weltbekannt zunächst seiner Sternwarte wegen, nach deren Meridian alle englischen See- karten projicirt sind, dann aber auch wegen des grossen Hospitales zur Aufnahme dienstuntauglicher Seeleute. Dieses Hospital verdankt seine Gründung König Wilhelm III. im Jahre 1824. Das Hospital ist mit sehr bedeutenden Einkünften dotirt und kann 2700 Pensionäre er- halten, von denen jedoch heute nur der geringere Theil in dem Ge- bäude selbst untergebracht ist, während die übrigen nur laufende Pensionen in Geld beziehen. In der Nähe des Hospitales ist die Royal Naval School zur Erziehung hinterlassener Kinder von Seeleuten der königlichen Flotte. Südlich von Greenwich zieht sich ein grosser Park hin, der durch schöne Baumschläge und zahmes Damwild sich aus- zeichnet. In diesem Park steht das königliche Observatorium mit der be- rühmten britischen Sternwarte (54° 36′ nördl. Br. und 0° 0·0″ östl. L.), an welcher die Normalzeit für ganz England bestimmt wird, deren Mittheilung jeden Tag um 1 Uhr telegraphisch an alle wichtigeren Punkte des Königreiches erfolgt. Greenwicher Zeit hat bekanntlich auch im Seeverkehr grosse Bedeutung. Ebenso dürfte der Meridian von Greenwich zum Ausgangsmeridian für die projectirte Weltzeit werden. Nachdem die Themse von Greenwich her den östlichen Theil der Isle of Dogs umspült hat, wendet sie sich wieder östlich und läuft zwischen den Victoria- und Albert-Docks zur linken und Wool- wich zur rechten Hand. In Woolwich liegt das grosse königliche Arsenal, in welchem der grösste Theil des Heerbedarfes an Waffen und Rüstungssachen hergestellt wird. Insbesondere ist die Geschützgiesserei von Bedeutung und erheblicher Ausdehnung. In Woolwich sind ferner Kasernen für Land- und Seetruppen, dann die königliche Militäraka- demie zur Heranbildung von Officieren des Artillerie- und Geniecorps. In älteren Zeiten waren in Woolwich auch Marineetablissements mit einer grossen Schiffswerfte, doch sind dieselben heute, wo die An- forderungen an derartige Anstalten ganz andere geworden sind, nicht mehr in Thätigkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/969
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 949. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/969>, abgerufen am 23.11.2024.