Langgarten, Schäferei im Norden und Niederstadt im Süden. An der Westseite der Stadt sind neue Stadttheile entstanden.
Die Befestigungen bestehen aus einem Kranz von Bastionen und vorgeschobenen Forts. Auch kann ein grosses Gebiet der Umgebung von Danzig unter Wasser gesetzt werden.
Die interessanteste Partie der Stadt ist die zwischen dem grünen Thor an der Mottlau und dem Honen Thor im Westen sich erstreckende Lange Gasse mit dem Langen Markt. Hier ist es, wo die Eigenart Danzigs zum glänzenden Ausdrucke gelangt, hier stehen in langer Reihe die berühmten Giebelhäuser aus dem XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert mit ihren hübsch durchbrochenen Facaden, ihren hoch aufstrebenden, zierlich ornamentirten Giebeln, die an der Spitze in eine Figur oder eine riesige Wetterfahne auslaufen. Es sind meist Prachtbauten ehrwürdigen Charakters. Die früher vor den Häusern bestandenen "Beischläge" sind grösstentheils verschwunden. Die Bei- schläge sind Vorplätze, welche mit der Strasse durch Freitreppen verbunden und mit Geländern eingefasst sind. Man sass dort im Freien und überblickte den Verkehr auf der Strasse.
Mehr noch als die Lange Gasse hat die zwei Strassen nörd- licher gelegene Frauengasse die bauliche Eigenart des alten Danzig bewahrt.
Der reichsstädtische Charakter zeigt sich bei vielen öffentlichen Gebäuden der Stadt. Imposant tritt er bei dem im unteren Theile aus dem XIV. Jahrhunderte stammenden Rathhause hervor, welches ein von 1559 bis 1561 gebauter schlanker Thurm um 45 m überragt, dessen gerühmte Renaissancespitze die aus getriebenem Kupfer gebildete Figur des Polenkönigs Sigismund August einnimmt.
Die Einrichtung und Ausstattung des Rathhauses enthält viele sehenswerthe Kunstobjecte vergangener Jahrhunderte. Den Langen Markt ziert der 1620 - 21 in Holland gegossene schöne Neptunsbrunnen, welcher vor dem Artus- oder Junkerhof sich erhebt, einem Baue mit Spitzbogenfenstern, der einst als Versammlungsort der Kaufmanns- bruderschaften diente, seit mehr als hundert Jahren aber als Börse verwendet wird. Medaillons mit den Bildnissen Kaiser Karl V. und seines Sohnes Don Juan d'Austria zieren die 1552 aufgeführte Facade des viele Sehenswürdigkeiten bergenden alten Baues.
Unter den kirchlichen Bauwerken beansprucht die in riesigen Verhältnissen angelegte Oberpfarrkirche zu St. Marien als eines der hervorragendsten Denkmäler der baltischen Gegenden die vornehmste Aufmerksamkeit. Im Jahre 1343 angefangen, wurde die Kirche all-
Der atlantische Ocean.
Langgarten, Schäferei im Norden und Niederstadt im Süden. An der Westseite der Stadt sind neue Stadttheile entstanden.
Die Befestigungen bestehen aus einem Kranz von Bastionen und vorgeschobenen Forts. Auch kann ein grosses Gebiet der Umgebung von Danzig unter Wasser gesetzt werden.
Die interessanteste Partie der Stadt ist die zwischen dem grünen Thor an der Mottlau und dem Honen Thor im Westen sich erstreckende Lange Gasse mit dem Langen Markt. Hier ist es, wo die Eigenart Danzigs zum glänzenden Ausdrucke gelangt, hier stehen in langer Reihe die berühmten Giebelhäuser aus dem XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert mit ihren hübsch durchbrochenen Façaden, ihren hoch aufstrebenden, zierlich ornamentirten Giebeln, die an der Spitze in eine Figur oder eine riesige Wetterfahne auslaufen. Es sind meist Prachtbauten ehrwürdigen Charakters. Die früher vor den Häusern bestandenen „Beischläge“ sind grösstentheils verschwunden. Die Bei- schläge sind Vorplätze, welche mit der Strasse durch Freitreppen verbunden und mit Geländern eingefasst sind. Man sass dort im Freien und überblickte den Verkehr auf der Strasse.
Mehr noch als die Lange Gasse hat die zwei Strassen nörd- licher gelegene Frauengasse die bauliche Eigenart des alten Danzig bewahrt.
Der reichsstädtische Charakter zeigt sich bei vielen öffentlichen Gebäuden der Stadt. Imposant tritt er bei dem im unteren Theile aus dem XIV. Jahrhunderte stammenden Rathhause hervor, welches ein von 1559 bis 1561 gebauter schlanker Thurm um 45 m überragt, dessen gerühmte Renaissancespitze die aus getriebenem Kupfer gebildete Figur des Polenkönigs Sigismund August einnimmt.
Die Einrichtung und Ausstattung des Rathhauses enthält viele sehenswerthe Kunstobjecte vergangener Jahrhunderte. Den Langen Markt ziert der 1620 ‒ 21 in Holland gegossene schöne Neptunsbrunnen, welcher vor dem Artus- oder Junkerhof sich erhebt, einem Baue mit Spitzbogenfenstern, der einst als Versammlungsort der Kaufmanns- bruderschaften diente, seit mehr als hundert Jahren aber als Börse verwendet wird. Medaillons mit den Bildnissen Kaiser Karl V. und seines Sohnes Don Juan d’Austria zieren die 1552 aufgeführte Façade des viele Sehenswürdigkeiten bergenden alten Baues.
Unter den kirchlichen Bauwerken beansprucht die in riesigen Verhältnissen angelegte Oberpfarrkirche zu St. Marien als eines der hervorragendsten Denkmäler der baltischen Gegenden die vornehmste Aufmerksamkeit. Im Jahre 1343 angefangen, wurde die Kirche all-
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Der atlantische Ocean.
Langgarten, Schäferei im Norden und Niederstadt im Süden. An der
Westseite der Stadt sind neue Stadttheile entstanden.
Die Befestigungen bestehen aus einem Kranz von Bastionen und
vorgeschobenen Forts. Auch kann ein grosses Gebiet der Umgebung
von Danzig unter Wasser gesetzt werden.
Die interessanteste Partie der Stadt ist die zwischen dem grünen
Thor an der Mottlau und dem Honen Thor im Westen sich erstreckende
Lange Gasse mit dem Langen Markt. Hier ist es, wo die Eigenart
Danzigs zum glänzenden Ausdrucke gelangt, hier stehen in langer
Reihe die berühmten Giebelhäuser aus dem XVI., XVII. und XVIII.
Jahrhundert mit ihren hübsch durchbrochenen Façaden, ihren hoch
aufstrebenden, zierlich ornamentirten Giebeln, die an der Spitze in
eine Figur oder eine riesige Wetterfahne auslaufen. Es sind meist
Prachtbauten ehrwürdigen Charakters. Die früher vor den Häusern
bestandenen „Beischläge“ sind grösstentheils verschwunden. Die Bei-
schläge sind Vorplätze, welche mit der Strasse durch Freitreppen
verbunden und mit Geländern eingefasst sind. Man sass dort im
Freien und überblickte den Verkehr auf der Strasse.
Mehr noch als die Lange Gasse hat die zwei Strassen nörd-
licher gelegene Frauengasse die bauliche Eigenart des alten Danzig
bewahrt.
Der reichsstädtische Charakter zeigt sich bei vielen öffentlichen
Gebäuden der Stadt. Imposant tritt er bei dem im unteren Theile aus
dem XIV. Jahrhunderte stammenden Rathhause hervor, welches ein
von 1559 bis 1561 gebauter schlanker Thurm um 45 m überragt,
dessen gerühmte Renaissancespitze die aus getriebenem Kupfer gebildete
Figur des Polenkönigs Sigismund August einnimmt.
Die Einrichtung und Ausstattung des Rathhauses enthält viele
sehenswerthe Kunstobjecte vergangener Jahrhunderte. Den Langen Markt
ziert der 1620 ‒ 21 in Holland gegossene schöne Neptunsbrunnen,
welcher vor dem Artus- oder Junkerhof sich erhebt, einem Baue mit
Spitzbogenfenstern, der einst als Versammlungsort der Kaufmanns-
bruderschaften diente, seit mehr als hundert Jahren aber als Börse
verwendet wird. Medaillons mit den Bildnissen Kaiser Karl V. und
seines Sohnes Don Juan d’Austria zieren die 1552 aufgeführte Façade
des viele Sehenswürdigkeiten bergenden alten Baues.
Unter den kirchlichen Bauwerken beansprucht die in riesigen
Verhältnissen angelegte Oberpfarrkirche zu St. Marien als eines der
hervorragendsten Denkmäler der baltischen Gegenden die vornehmste
Aufmerksamkeit. Im Jahre 1343 angefangen, wurde die Kirche all-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 826. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/846>, abgerufen am 23.11.2024.
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