Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Der atlantische Ocean.

Die geographische Lage macht Hamburg unangreifbar. Niemals
haben derartige Widerwärtigkeiten die Kraft Hamburgs gebrochen,
das schon 1558 eine Börse erhielt; ja gerade aus solchen Kämpfen
ging Hamburg immer kräftiger hervor, weil da manches Veraltete
gestürzt wurde.

Die Politik der Dänen, welche aus Neid auf die reiche und
unabhängige Hansastadt 1664 den benachbarten Flecken Altona zur
Stadt und zum Freihafen erhoben, brachte Hamburg dahin, den so
lange festgehaltenen Stapelzwang aufzugeben und als Kampfmittel seit
1713 schrittweise die Zollfreiheit einzuführen.

Allmälig traten an die Stelle des altgewohnten Proprehandels
der Commissionshandel und das Speditionsgeschäft, und Altona wurde
dadurch von der Stelle eines Concurrenten zu einem Anhängsel Ham-
burgs herabgedrückt, das es heute noch ist.

In ähnlicher Weise und nach langem Erwägen vollzog sich vor
unseren Augen am 15. October 1888 die Aufhebung, oder besser
gesagt Beschränkung des Freihafens, der jetzt statt eines Wohnplatzes
von fast 600.000 Einwohnern eine kleine Stadt von Waarenhäusern
und Fabriken derjenigen Exportindustrien Hamburgs umfasst, welche
zu ihrer Entwicklung unbedingt frei sein müssen von Zollplackereien.

Man erhielt dadurch den alten charakteristischen Verkehr Ham-
burgs, die für das Ausland und die Versorgung der Schiffe berechnete
Fabriksthätigkeit, und gab der fleissigen Bevölkerung die Möglich-
keit, Hamburg eine Industriestadt für das grosse Absatzgebiet des
Deutschen Reiches werden zu sehen.

Der beispiellose Aufschwung, den Hamburg in der letzten
Zeit genommen hat, beweist, dass man das Richtige getroffen.

Wie überall treibt auch hier der Aufschwung zu neuen Ver-
besserungen, zu neuen Opfern, so fehlt auch heute in Hamburg schon
wieder so manches an den Hafeneinrichtungen. Die Quaianlagen
genügen nicht mehr dem so riesig anwachsenden Frachtenverkehre,
es fehlen Vorrichtungen zum Löschen der Tankschiffe, weshalb sich
diese Petroleumfahrzeuge jetzt nach Harburg wenden.

Die Bahnhofsanlagen im Freihafen bedürfen einer Erweiterung,
die Errichtung eines Centralbahnhofes wird mit Recht gewünscht.

Man wird diese Hindernisse gewiss beseitigen, und der für den
Augenblick von Hamburg abgelenkte Theil des Verkehres wird den
günstigen Hafen sofort wieder aufsuchen, so wie Krupp aus Essen
seine schweren Schiffsgeschütze nicht mehr über Antwerpen versendet,

Der atlantische Ocean.

Die geographische Lage macht Hamburg unangreifbar. Niemals
haben derartige Widerwärtigkeiten die Kraft Hamburgs gebrochen,
das schon 1558 eine Börse erhielt; ja gerade aus solchen Kämpfen
ging Hamburg immer kräftiger hervor, weil da manches Veraltete
gestürzt wurde.

Die Politik der Dänen, welche aus Neid auf die reiche und
unabhängige Hansastadt 1664 den benachbarten Flecken Altona zur
Stadt und zum Freihafen erhoben, brachte Hamburg dahin, den so
lange festgehaltenen Stapelzwang aufzugeben und als Kampfmittel seit
1713 schrittweise die Zollfreiheit einzuführen.

Allmälig traten an die Stelle des altgewohnten Proprehandels
der Commissionshandel und das Speditionsgeschäft, und Altona wurde
dadurch von der Stelle eines Concurrenten zu einem Anhängsel Ham-
burgs herabgedrückt, das es heute noch ist.

In ähnlicher Weise und nach langem Erwägen vollzog sich vor
unseren Augen am 15. October 1888 die Aufhebung, oder besser
gesagt Beschränkung des Freihafens, der jetzt statt eines Wohnplatzes
von fast 600.000 Einwohnern eine kleine Stadt von Waarenhäusern
und Fabriken derjenigen Exportindustrien Hamburgs umfasst, welche
zu ihrer Entwicklung unbedingt frei sein müssen von Zollplackereien.

Man erhielt dadurch den alten charakteristischen Verkehr Ham-
burgs, die für das Ausland und die Versorgung der Schiffe berechnete
Fabriksthätigkeit, und gab der fleissigen Bevölkerung die Möglich-
keit, Hamburg eine Industriestadt für das grosse Absatzgebiet des
Deutschen Reiches werden zu sehen.

Der beispiellose Aufschwung, den Hamburg in der letzten
Zeit genommen hat, beweist, dass man das Richtige getroffen.

Wie überall treibt auch hier der Aufschwung zu neuen Ver-
besserungen, zu neuen Opfern, so fehlt auch heute in Hamburg schon
wieder so manches an den Hafeneinrichtungen. Die Quaianlagen
genügen nicht mehr dem so riesig anwachsenden Frachtenverkehre,
es fehlen Vorrichtungen zum Löschen der Tankschiffe, weshalb sich
diese Petroleumfahrzeuge jetzt nach Harburg wenden.

Die Bahnhofsanlagen im Freihafen bedürfen einer Erweiterung,
die Errichtung eines Centralbahnhofes wird mit Recht gewünscht.

Man wird diese Hindernisse gewiss beseitigen, und der für den
Augenblick von Hamburg abgelenkte Theil des Verkehres wird den
günstigen Hafen sofort wieder aufsuchen, so wie Krupp aus Essen
seine schweren Schiffsgeschütze nicht mehr über Antwerpen versendet,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0772" n="752"/>
          <fw place="top" type="header">Der atlantische Ocean.</fw><lb/>
          <p>Die geographische Lage macht Hamburg unangreifbar. Niemals<lb/>
haben derartige Widerwärtigkeiten die Kraft Hamburgs gebrochen,<lb/>
das schon 1558 eine Börse erhielt; ja gerade aus solchen Kämpfen<lb/>
ging Hamburg immer kräftiger hervor, weil da manches Veraltete<lb/>
gestürzt wurde.</p><lb/>
          <p>Die Politik der Dänen, welche aus Neid auf die reiche und<lb/>
unabhängige Hansastadt 1664 den benachbarten Flecken Altona zur<lb/>
Stadt und zum Freihafen erhoben, brachte Hamburg dahin, den so<lb/>
lange festgehaltenen Stapelzwang aufzugeben und als Kampfmittel seit<lb/>
1713 schrittweise die Zollfreiheit einzuführen.</p><lb/>
          <p>Allmälig traten an die Stelle des altgewohnten Proprehandels<lb/>
der Commissionshandel und das Speditionsgeschäft, und Altona wurde<lb/>
dadurch von der Stelle eines Concurrenten zu einem Anhängsel Ham-<lb/>
burgs herabgedrückt, das es heute noch ist.</p><lb/>
          <p>In ähnlicher Weise und nach langem Erwägen vollzog sich vor<lb/>
unseren Augen am 15. October 1888 die Aufhebung, oder besser<lb/>
gesagt Beschränkung des Freihafens, der jetzt statt eines Wohnplatzes<lb/>
von fast 600.000 Einwohnern eine kleine Stadt von Waarenhäusern<lb/>
und Fabriken derjenigen Exportindustrien Hamburgs umfasst, welche<lb/>
zu ihrer Entwicklung unbedingt frei sein müssen von Zollplackereien.</p><lb/>
          <p>Man erhielt dadurch den alten charakteristischen Verkehr Ham-<lb/>
burgs, die für das Ausland und die Versorgung der Schiffe berechnete<lb/>
Fabriksthätigkeit, und gab der fleissigen Bevölkerung die Möglich-<lb/>
keit, Hamburg eine Industriestadt für das grosse Absatzgebiet des<lb/>
Deutschen Reiches werden zu sehen.</p><lb/>
          <p>Der beispiellose Aufschwung, den Hamburg in der letzten<lb/>
Zeit genommen hat, beweist, dass man das Richtige getroffen.</p><lb/>
          <p>Wie überall treibt auch hier der Aufschwung zu neuen Ver-<lb/>
besserungen, zu neuen Opfern, so fehlt auch heute in Hamburg schon<lb/>
wieder so manches an den Hafeneinrichtungen. Die Quaianlagen<lb/>
genügen nicht mehr dem so riesig anwachsenden Frachtenverkehre,<lb/>
es fehlen Vorrichtungen zum Löschen der Tankschiffe, weshalb sich<lb/>
diese Petroleumfahrzeuge jetzt nach Harburg wenden.</p><lb/>
          <p>Die Bahnhofsanlagen im Freihafen bedürfen einer Erweiterung,<lb/>
die Errichtung eines Centralbahnhofes wird mit Recht gewünscht.</p><lb/>
          <p>Man wird diese Hindernisse gewiss beseitigen, und der für den<lb/>
Augenblick von Hamburg abgelenkte Theil des Verkehres wird den<lb/>
günstigen Hafen sofort wieder aufsuchen, so wie Krupp aus Essen<lb/>
seine schweren Schiffsgeschütze nicht mehr über Antwerpen versendet,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[752/0772] Der atlantische Ocean. Die geographische Lage macht Hamburg unangreifbar. Niemals haben derartige Widerwärtigkeiten die Kraft Hamburgs gebrochen, das schon 1558 eine Börse erhielt; ja gerade aus solchen Kämpfen ging Hamburg immer kräftiger hervor, weil da manches Veraltete gestürzt wurde. Die Politik der Dänen, welche aus Neid auf die reiche und unabhängige Hansastadt 1664 den benachbarten Flecken Altona zur Stadt und zum Freihafen erhoben, brachte Hamburg dahin, den so lange festgehaltenen Stapelzwang aufzugeben und als Kampfmittel seit 1713 schrittweise die Zollfreiheit einzuführen. Allmälig traten an die Stelle des altgewohnten Proprehandels der Commissionshandel und das Speditionsgeschäft, und Altona wurde dadurch von der Stelle eines Concurrenten zu einem Anhängsel Ham- burgs herabgedrückt, das es heute noch ist. In ähnlicher Weise und nach langem Erwägen vollzog sich vor unseren Augen am 15. October 1888 die Aufhebung, oder besser gesagt Beschränkung des Freihafens, der jetzt statt eines Wohnplatzes von fast 600.000 Einwohnern eine kleine Stadt von Waarenhäusern und Fabriken derjenigen Exportindustrien Hamburgs umfasst, welche zu ihrer Entwicklung unbedingt frei sein müssen von Zollplackereien. Man erhielt dadurch den alten charakteristischen Verkehr Ham- burgs, die für das Ausland und die Versorgung der Schiffe berechnete Fabriksthätigkeit, und gab der fleissigen Bevölkerung die Möglich- keit, Hamburg eine Industriestadt für das grosse Absatzgebiet des Deutschen Reiches werden zu sehen. Der beispiellose Aufschwung, den Hamburg in der letzten Zeit genommen hat, beweist, dass man das Richtige getroffen. Wie überall treibt auch hier der Aufschwung zu neuen Ver- besserungen, zu neuen Opfern, so fehlt auch heute in Hamburg schon wieder so manches an den Hafeneinrichtungen. Die Quaianlagen genügen nicht mehr dem so riesig anwachsenden Frachtenverkehre, es fehlen Vorrichtungen zum Löschen der Tankschiffe, weshalb sich diese Petroleumfahrzeuge jetzt nach Harburg wenden. Die Bahnhofsanlagen im Freihafen bedürfen einer Erweiterung, die Errichtung eines Centralbahnhofes wird mit Recht gewünscht. Man wird diese Hindernisse gewiss beseitigen, und der für den Augenblick von Hamburg abgelenkte Theil des Verkehres wird den günstigen Hafen sofort wieder aufsuchen, so wie Krupp aus Essen seine schweren Schiffsgeschütze nicht mehr über Antwerpen versendet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/772
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/772>, abgerufen am 16.06.2024.