Der am 15. October 1888 erfolgte Anschluss Bremens an das deutsche Zollgebiet bedingte zunächst die Auflassung des Freihafens; um aber den Transitoverkehr zu erleichtern, wurde ein besonderes Freihafengebiet geschaffen, innerhalb welchem die Waaren der zoll- ämtlichen Behandlung nicht unterworfen sind. Dieses Gebiet, von ungefähr 100 ha Fläche, befindet sich, wie unser Plan zeigt, im Westen der Stadt nächst der Eisenbahnbrücke und dehnt sich westwärts bis unterhalb des Winterhafens aus (die Grenzlinien haben wir mit N bezeichnet), die Wesser nicht inbegriffen.
Auf diesem Terrain, von welchem die Stadt 55 ha angekauft hatte, wurde das neue Hafenbassin ausgehoben. Dasselbe hat, der geometrischen Form des Terrains entsprechend, eine Länge von 2 km bei einer durchschnittlichen Breite von 120 m und einer Tiefe von 6·8 m, welch letztere aber auf 7·8 m gebracht werden kann. An der Einfahrt, welche 70 m Weite hat, wurde wegen der grossen Niveauschwankungen der Weser (7 m) und angesichts der Schwierigkeit, ein so grosses Bassin zu speisen, keine Schleusse errichtet.
Beiderseits der Langseiten des Bassins wurden Hangars mit 46.600 m2 Grundfläche zur Aufnahme der Transitowaaren und hinter diesen Bauten erst die Kornspeicher und Magazine mit 14.000 m2 Grundfläche erbaut. Die Hangars haben an den vorderen und hinteren Fronten breite Perrons in Eisenconstruction, auf welchen Dampf- krahne in grosser Zahl in Betrieb gesetzt sind. Die Drehkrahne sind so eingerichtet, dass sie die Waaren aus dem Schiffsraum entweder direct in die Hangars oder in die Waggons zu schaffen vermögen.
Mit ähnlichen Krahnen werden die Waaren bis in das zweite Stockwerk der Magazine gehoben. Mehrfache Eisenbahngeleise laufen längs der genannten Bauten, und wir sehen in der ganzen Anlage ein eben so grosses wie sinnreich erdachtes und solid durchgeführtes Werk vor uns.
Der Anschluss des Schienennetzes im Freihafengebiet an die in Bremen einmündenden Eisenbahnen hat bedeutende Schwierigkeiten geboten; man musste im westlichen Stadttheile Strassen verlegen, über- setzen und theilweise sogar abbrechen.
Der hafenbau verursachte eine Materialbewegung von 2·5 Mil- lionen Cubikmetern; die Arbeiten begannen im Juli 1885 und bereits im August 1887 konnte der Schutzdamm nächst der jetzigen Ein- fahrt durchstochen werden. Bis zum October 1887 hatte die Stadt
Bremen.
Der am 15. October 1888 erfolgte Anschluss Bremens an das deutsche Zollgebiet bedingte zunächst die Auflassung des Freihafens; um aber den Transitoverkehr zu erleichtern, wurde ein besonderes Freihafengebiet geschaffen, innerhalb welchem die Waaren der zoll- ämtlichen Behandlung nicht unterworfen sind. Dieses Gebiet, von ungefähr 100 ha Fläche, befindet sich, wie unser Plan zeigt, im Westen der Stadt nächst der Eisenbahnbrücke und dehnt sich westwärts bis unterhalb des Winterhafens aus (die Grenzlinien haben wir mit N bezeichnet), die Wesser nicht inbegriffen.
Auf diesem Terrain, von welchem die Stadt 55 ha angekauft hatte, wurde das neue Hafenbassin ausgehoben. Dasselbe hat, der geometrischen Form des Terrains entsprechend, eine Länge von 2 km bei einer durchschnittlichen Breite von 120 m und einer Tiefe von 6·8 m, welch letztere aber auf 7·8 m gebracht werden kann. An der Einfahrt, welche 70 m Weite hat, wurde wegen der grossen Niveauschwankungen der Weser (7 m) und angesichts der Schwierigkeit, ein so grosses Bassin zu speisen, keine Schleusse errichtet.
Beiderseits der Langseiten des Bassins wurden Hangars mit 46.600 m2 Grundfläche zur Aufnahme der Transitowaaren und hinter diesen Bauten erst die Kornspeicher und Magazine mit 14.000 m2 Grundfläche erbaut. Die Hangars haben an den vorderen und hinteren Fronten breite Perrons in Eisenconstruction, auf welchen Dampf- krahne in grosser Zahl in Betrieb gesetzt sind. Die Drehkrahne sind so eingerichtet, dass sie die Waaren aus dem Schiffsraum entweder direct in die Hangars oder in die Waggons zu schaffen vermögen.
Mit ähnlichen Krahnen werden die Waaren bis in das zweite Stockwerk der Magazine gehoben. Mehrfache Eisenbahngeleise laufen längs der genannten Bauten, und wir sehen in der ganzen Anlage ein eben so grosses wie sinnreich erdachtes und solid durchgeführtes Werk vor uns.
Der Anschluss des Schienennetzes im Freihafengebiet an die in Bremen einmündenden Eisenbahnen hat bedeutende Schwierigkeiten geboten; man musste im westlichen Stadttheile Strassen verlegen, über- setzen und theilweise sogar abbrechen.
Der hafenbau verursachte eine Materialbewegung von 2·5 Mil- lionen Cubikmetern; die Arbeiten begannen im Juli 1885 und bereits im August 1887 konnte der Schutzdamm nächst der jetzigen Ein- fahrt durchstochen werden. Bis zum October 1887 hatte die Stadt
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Bremen.
Der am 15. October 1888 erfolgte Anschluss Bremens an das
deutsche Zollgebiet bedingte zunächst die Auflassung des Freihafens;
um aber den Transitoverkehr zu erleichtern, wurde ein besonderes
Freihafengebiet geschaffen, innerhalb welchem die Waaren der zoll-
ämtlichen Behandlung nicht unterworfen sind. Dieses Gebiet, von
ungefähr 100 ha Fläche, befindet sich, wie unser Plan zeigt, im
Westen der Stadt nächst der Eisenbahnbrücke und dehnt sich
westwärts bis unterhalb des Winterhafens aus (die Grenzlinien
haben wir mit N bezeichnet), die Wesser nicht inbegriffen.
Auf diesem Terrain, von welchem die Stadt 55 ha angekauft
hatte, wurde das neue Hafenbassin ausgehoben. Dasselbe hat, der
geometrischen Form des Terrains entsprechend, eine Länge von
2 km bei einer durchschnittlichen Breite von 120 m und einer
Tiefe von 6·8 m, welch letztere aber auf 7·8 m gebracht werden
kann. An der Einfahrt, welche 70 m Weite hat, wurde wegen
der grossen Niveauschwankungen der Weser (7 m) und angesichts
der Schwierigkeit, ein so grosses Bassin zu speisen, keine Schleusse
errichtet.
Beiderseits der Langseiten des Bassins wurden Hangars mit
46.600 m2 Grundfläche zur Aufnahme der Transitowaaren und hinter
diesen Bauten erst die Kornspeicher und Magazine mit 14.000 m2
Grundfläche erbaut. Die Hangars haben an den vorderen und hinteren
Fronten breite Perrons in Eisenconstruction, auf welchen Dampf-
krahne in grosser Zahl in Betrieb gesetzt sind. Die Drehkrahne sind
so eingerichtet, dass sie die Waaren aus dem Schiffsraum entweder
direct in die Hangars oder in die Waggons zu schaffen vermögen.
Mit ähnlichen Krahnen werden die Waaren bis in das zweite
Stockwerk der Magazine gehoben. Mehrfache Eisenbahngeleise laufen
längs der genannten Bauten, und wir sehen in der ganzen Anlage
ein eben so grosses wie sinnreich erdachtes und solid durchgeführtes
Werk vor uns.
Der Anschluss des Schienennetzes im Freihafengebiet an die in
Bremen einmündenden Eisenbahnen hat bedeutende Schwierigkeiten
geboten; man musste im westlichen Stadttheile Strassen verlegen, über-
setzen und theilweise sogar abbrechen.
Der hafenbau verursachte eine Materialbewegung von 2·5 Mil-
lionen Cubikmetern; die Arbeiten begannen im Juli 1885 und bereits
im August 1887 konnte der Schutzdamm nächst der jetzigen Ein-
fahrt durchstochen werden. Bis zum October 1887 hatte die Stadt
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/739>, abgerufen am 23.11.2024.
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