auf welchem die Stadt sich zu erweitern, zu dehnen beginnt, dort wurden auch schöne Parkanlagen geschaffen, unter welchen der an hübschen Partien reiche, etwa 2 km lange Vondels-Park der be- suchteste ist. Ein 1867 dem bedeutendsten niederländischen Dichter Joost van den Vondel (gest. 1679) errichtetes Denkmal ziert den schönen Park.
Der durchsumpfte Moorboden, auf welchem Amsterdam erbaut wurde, legt jedem Bau grosse Hindernisse in den Weg. Noch mehr als in Venedig, wo eine starke Anschwemmungsschicht den Boden der Lagune bildet, häufen sich beim Bau der Häuser die Schwierig- keiten. In Amsterdam muss der schlammige Boden ausgehoben werden, bis man die Sandunterlage erreicht. In diese werden nun etwa 8 m lange Pfähle eingerammt und schliesslich zu einem Rost verbunden, auf dem erst die Fundamente des aufzuführenden Baues zu liegen kommen. So steht der königliche Palast, einst das Stadt- haus Amsterdams, auf einer gewaltigen Pilotenterrasse von 14.000 Pfählen. Die Rostwerke haben sich aber nicht immer als genügend widerstandsfähig erwiesen; wiederholt kamen Senkungen und Zu- sammenbrüche vor, und 1822 versank ein grosser Kornspeicher gänz- lich in dem Schlamm, nachdem das Rostwerk nachgegeben hatte. Es ist begreiflich, dass unter diesen Verhältnissen schwere Bauten sehr ge- fährliche Unternehmungen sind. Ein gefürchteter Schädling von Amsterdam ist der Holzwurm, der schon oft viele Gebäude gefährdet hat. Bei der erwähnten Bodenbeschaffenheit verschlingen der Bau, die Erhaltung und Beaufsichtigung der Brücken, Canäle, Deiche und Hafenbauten enorme Summen.
Zur Beurtheilung der äusseren Lage von Amsterdam, die bei der Schaffung der grossartigen Hafenanlagen bestimmend einwirkte, ist es nothwendig, einen Blick auf dieselbe zu werfen.
Die Stadt liegt, wie unser Uebersichtskärtchen von Ymuiden zeigt, an der Mündung des Y und des Amstelflusses in die Zuider- see. Da nun diese letztere auf weite Strecken versandet ist und grösseren Schiffen die Zufahrt nicht gestattet, so mussten künstliche Wasserwege geschaffen werden, da anderenfalls Amsterdam vom See- verkehre ausgeschlossen geblieben wäre. Zuerst wurde zwischen 1819 und 1825 der grosse, 80·4 km lange Nord-Holland'sche Canal mit einem Kostenaufwande von 8 Millionen Gulden geschaffen. Derselbe verbindet den Hafen von Helder mit Amsterdam und mündet, nachdem er die ganze Provinz Nord-Holland durchzogen, mittelst des gross- artigen Kunstbaues der Willemsschleusse gegenüber dem Central-
87*
Amsterdam.
auf welchem die Stadt sich zu erweitern, zu dehnen beginnt, dort wurden auch schöne Parkanlagen geschaffen, unter welchen der an hübschen Partien reiche, etwa 2 km lange Vondels-Park der be- suchteste ist. Ein 1867 dem bedeutendsten niederländischen Dichter Joost van den Vondel (gest. 1679) errichtetes Denkmal ziert den schönen Park.
Der durchsumpfte Moorboden, auf welchem Amsterdam erbaut wurde, legt jedem Bau grosse Hindernisse in den Weg. Noch mehr als in Venedig, wo eine starke Anschwemmungsschicht den Boden der Lagune bildet, häufen sich beim Bau der Häuser die Schwierig- keiten. In Amsterdam muss der schlammige Boden ausgehoben werden, bis man die Sandunterlage erreicht. In diese werden nun etwa 8 m lange Pfähle eingerammt und schliesslich zu einem Rost verbunden, auf dem erst die Fundamente des aufzuführenden Baues zu liegen kommen. So steht der königliche Palast, einst das Stadt- haus Amsterdams, auf einer gewaltigen Pilotenterrasse von 14.000 Pfählen. Die Rostwerke haben sich aber nicht immer als genügend widerstandsfähig erwiesen; wiederholt kamen Senkungen und Zu- sammenbrüche vor, und 1822 versank ein grosser Kornspeicher gänz- lich in dem Schlamm, nachdem das Rostwerk nachgegeben hatte. Es ist begreiflich, dass unter diesen Verhältnissen schwere Bauten sehr ge- fährliche Unternehmungen sind. Ein gefürchteter Schädling von Amsterdam ist der Holzwurm, der schon oft viele Gebäude gefährdet hat. Bei der erwähnten Bodenbeschaffenheit verschlingen der Bau, die Erhaltung und Beaufsichtigung der Brücken, Canäle, Deiche und Hafenbauten enorme Summen.
Zur Beurtheilung der äusseren Lage von Amsterdam, die bei der Schaffung der grossartigen Hafenanlagen bestimmend einwirkte, ist es nothwendig, einen Blick auf dieselbe zu werfen.
Die Stadt liegt, wie unser Uebersichtskärtchen von Ymuiden zeigt, an der Mündung des Y und des Amstelflusses in die Zuider- see. Da nun diese letztere auf weite Strecken versandet ist und grösseren Schiffen die Zufahrt nicht gestattet, so mussten künstliche Wasserwege geschaffen werden, da anderenfalls Amsterdam vom See- verkehre ausgeschlossen geblieben wäre. Zuerst wurde zwischen 1819 und 1825 der grosse, 80·4 km lange Nord-Holland’sche Canal mit einem Kostenaufwande von 8 Millionen Gulden geschaffen. Derselbe verbindet den Hafen von Helder mit Amsterdam und mündet, nachdem er die ganze Provinz Nord-Holland durchzogen, mittelst des gross- artigen Kunstbaues der Willemsschleusse gegenüber dem Central-
87*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0711"n="691"/><fwplace="top"type="header">Amsterdam.</fw><lb/>
auf welchem die Stadt sich zu erweitern, zu dehnen beginnt, dort<lb/>
wurden auch schöne Parkanlagen geschaffen, unter welchen der an<lb/>
hübschen Partien reiche, etwa 2 <hirendition="#i">km</hi> lange Vondels-Park der be-<lb/>
suchteste ist. Ein 1867 dem bedeutendsten niederländischen Dichter<lb/>
Joost van den Vondel (gest. 1679) errichtetes Denkmal ziert den<lb/>
schönen Park.</p><lb/><p>Der durchsumpfte Moorboden, auf welchem Amsterdam erbaut<lb/>
wurde, legt jedem Bau grosse Hindernisse in den Weg. Noch mehr<lb/>
als in Venedig, wo eine starke Anschwemmungsschicht den Boden<lb/>
der Lagune bildet, häufen sich beim Bau der Häuser die Schwierig-<lb/>
keiten. In Amsterdam muss der schlammige Boden ausgehoben<lb/>
werden, bis man die Sandunterlage erreicht. In diese werden nun<lb/>
etwa 8 <hirendition="#i">m</hi> lange Pfähle eingerammt und schliesslich zu einem Rost<lb/>
verbunden, auf dem erst die Fundamente des aufzuführenden Baues<lb/>
zu liegen kommen. So steht der königliche Palast, einst das Stadt-<lb/>
haus Amsterdams, auf einer gewaltigen Pilotenterrasse von 14.000<lb/>
Pfählen. Die Rostwerke haben sich aber nicht immer als genügend<lb/>
widerstandsfähig erwiesen; wiederholt kamen Senkungen und Zu-<lb/>
sammenbrüche vor, und 1822 versank ein grosser Kornspeicher gänz-<lb/>
lich in dem Schlamm, nachdem das Rostwerk nachgegeben hatte. Es<lb/>
ist begreiflich, dass unter diesen Verhältnissen schwere Bauten sehr ge-<lb/>
fährliche Unternehmungen sind. Ein gefürchteter Schädling von<lb/>
Amsterdam ist der Holzwurm, der schon oft viele Gebäude gefährdet<lb/>
hat. Bei der erwähnten Bodenbeschaffenheit verschlingen der Bau,<lb/>
die Erhaltung und Beaufsichtigung der Brücken, Canäle, Deiche<lb/>
und Hafenbauten enorme Summen.</p><lb/><p>Zur Beurtheilung der äusseren Lage von Amsterdam, die bei<lb/>
der Schaffung der grossartigen Hafenanlagen bestimmend einwirkte,<lb/>
ist es nothwendig, einen Blick auf dieselbe zu werfen.</p><lb/><p>Die Stadt liegt, wie unser Uebersichtskärtchen von Ymuiden<lb/>
zeigt, an der Mündung des Y und des Amstelflusses in die Zuider-<lb/>
see. Da nun diese letztere auf weite Strecken versandet ist und<lb/>
grösseren Schiffen die Zufahrt nicht gestattet, so mussten künstliche<lb/>
Wasserwege geschaffen werden, da anderenfalls Amsterdam vom See-<lb/>
verkehre ausgeschlossen geblieben wäre. Zuerst wurde zwischen 1819<lb/>
und 1825 der grosse, 80·4 <hirendition="#i">km</hi> lange <hirendition="#g">Nord-Holland’sche Canal</hi><lb/>
mit einem Kostenaufwande von 8 Millionen Gulden geschaffen. Derselbe<lb/>
verbindet den Hafen von Helder mit Amsterdam und mündet, nachdem<lb/>
er die ganze Provinz Nord-Holland durchzogen, mittelst des gross-<lb/>
artigen Kunstbaues der Willemsschleusse gegenüber dem Central-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">87*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[691/0711]
Amsterdam.
auf welchem die Stadt sich zu erweitern, zu dehnen beginnt, dort
wurden auch schöne Parkanlagen geschaffen, unter welchen der an
hübschen Partien reiche, etwa 2 km lange Vondels-Park der be-
suchteste ist. Ein 1867 dem bedeutendsten niederländischen Dichter
Joost van den Vondel (gest. 1679) errichtetes Denkmal ziert den
schönen Park.
Der durchsumpfte Moorboden, auf welchem Amsterdam erbaut
wurde, legt jedem Bau grosse Hindernisse in den Weg. Noch mehr
als in Venedig, wo eine starke Anschwemmungsschicht den Boden
der Lagune bildet, häufen sich beim Bau der Häuser die Schwierig-
keiten. In Amsterdam muss der schlammige Boden ausgehoben
werden, bis man die Sandunterlage erreicht. In diese werden nun
etwa 8 m lange Pfähle eingerammt und schliesslich zu einem Rost
verbunden, auf dem erst die Fundamente des aufzuführenden Baues
zu liegen kommen. So steht der königliche Palast, einst das Stadt-
haus Amsterdams, auf einer gewaltigen Pilotenterrasse von 14.000
Pfählen. Die Rostwerke haben sich aber nicht immer als genügend
widerstandsfähig erwiesen; wiederholt kamen Senkungen und Zu-
sammenbrüche vor, und 1822 versank ein grosser Kornspeicher gänz-
lich in dem Schlamm, nachdem das Rostwerk nachgegeben hatte. Es
ist begreiflich, dass unter diesen Verhältnissen schwere Bauten sehr ge-
fährliche Unternehmungen sind. Ein gefürchteter Schädling von
Amsterdam ist der Holzwurm, der schon oft viele Gebäude gefährdet
hat. Bei der erwähnten Bodenbeschaffenheit verschlingen der Bau,
die Erhaltung und Beaufsichtigung der Brücken, Canäle, Deiche
und Hafenbauten enorme Summen.
Zur Beurtheilung der äusseren Lage von Amsterdam, die bei
der Schaffung der grossartigen Hafenanlagen bestimmend einwirkte,
ist es nothwendig, einen Blick auf dieselbe zu werfen.
Die Stadt liegt, wie unser Uebersichtskärtchen von Ymuiden
zeigt, an der Mündung des Y und des Amstelflusses in die Zuider-
see. Da nun diese letztere auf weite Strecken versandet ist und
grösseren Schiffen die Zufahrt nicht gestattet, so mussten künstliche
Wasserwege geschaffen werden, da anderenfalls Amsterdam vom See-
verkehre ausgeschlossen geblieben wäre. Zuerst wurde zwischen 1819
und 1825 der grosse, 80·4 km lange Nord-Holland’sche Canal
mit einem Kostenaufwande von 8 Millionen Gulden geschaffen. Derselbe
verbindet den Hafen von Helder mit Amsterdam und mündet, nachdem
er die ganze Provinz Nord-Holland durchzogen, mittelst des gross-
artigen Kunstbaues der Willemsschleusse gegenüber dem Central-
87*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/711>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.