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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
infolge dessen der zur Kirche gehörende Glockenthurm (Beffroi) jetzt
isolirt steht. Dieser ist ein imposanter Bau von 90 m Höhe, welcher
ein Glockenspiel enthält, das sich durch die unter dessen Namen
(Carillon) volksthümlich gewordene Arie einer gewissen Berühmtheit
erfreut.

Von Interesse ist auch die Capelle Notre-Dame des Dunes am
nördlichsten Ende der Stadt. Dieselbe stammt aus dem Beginn des
XV. Jahrhunderts, als im Sande der Dünen eine Statuette der Mutter
Gottes an der Küste aufgefunden worden war. Die Capelle ist seit-
her ein sehr besuchter Andachtsort, besonders für Fischer, welche
dort einen reichen Stockfischfang erflehen, und für Seeleute. Zahlreiche
Votivgaben, bestehend aus Schiffsmodellen, Bildern, Kerzen, bedecken
die Wände oder hängen an Schnüren befestigt von der Decke herab.

Das Musee communal enthält gegen 250 Oelgemälde und einige
Sculpturen, eine Medaillensammlung, verschiedene Antiquitäten und
eine naturhistorische Sammlung. Im Museumsgebäude ist auch die
20.000 Bände zählende städtische Bibliothek untergebracht.

In der nächsten Umgebung der Stadt entstanden einige öffent-
liche Gärten, und nächst der Villenstadt Rosendael wurde eine präch-
tige und mit allem Comfort ausgestattete Badeanstalt errichtet, welche
unter dem Namen Casino-Hotel de Rosendael in bestem Rufe steht.
In dem nächstliegenden schönen Cursaale werden Concerte, Bälle
und sonstige Unterhaltungen gegeben, überhaupt ist Rosendael mit
seinen malerischen Villen und Gärten, seinem herrlichen Badestrand
und dem animirten Leben, das sich dorthin verpflanzt, ein sehr be-
suchter und beliebter Ausflugsort für Einheimische und Fremde.

Dünkirchen hat letzterer Zeit auch als Industrieplatz einen be-
deutenden Aufschwung genommen. Es besitzt Spinnereien und Webe-
reien, eine Dampfmühle, Werften, Schmieden und Giessereien, Seile-
reien, Brauereien, Oel- und Seifenfabriken.

Dünkirchens Einfuhr hat sich in den letzten Jahren derart ge-
steigert, dass ihr Werth achtmal so gross ist als der Werth der
Ausfuhr. Als Einfuhrplatz hat Dünkirchen bereits Bordeaux über-
flügelt. Diesen Aufschwung als Importplatz verdankt Dünkirchen in
erster Linie seiner günstigen geographischen Lage gegenüber den
Hinterländern, deren guten Binnenverbindungen und endlich der
Rührigkeit seiner durch Staatshülfe unterstützten Kaufleute.

Leider machte 1889 der Bau der neuen Schleusse, welche
Schiffen, die bis 10·4 m tauchen, den Zugang sichern soll, nur wenig
Fortschritte, und die Erfüllung des Traumes der Handelskammer von

Der atlantische Ocean.
infolge dessen der zur Kirche gehörende Glockenthurm (Beffroi) jetzt
isolirt steht. Dieser ist ein imposanter Bau von 90 m Höhe, welcher
ein Glockenspiel enthält, das sich durch die unter dessen Namen
(Carillon) volksthümlich gewordene Arie einer gewissen Berühmtheit
erfreut.

Von Interesse ist auch die Capelle Notre-Dame des Dunes am
nördlichsten Ende der Stadt. Dieselbe stammt aus dem Beginn des
XV. Jahrhunderts, als im Sande der Dünen eine Statuette der Mutter
Gottes an der Küste aufgefunden worden war. Die Capelle ist seit-
her ein sehr besuchter Andachtsort, besonders für Fischer, welche
dort einen reichen Stockfischfang erflehen, und für Seeleute. Zahlreiche
Votivgaben, bestehend aus Schiffsmodellen, Bildern, Kerzen, bedecken
die Wände oder hängen an Schnüren befestigt von der Decke herab.

Das Musée communal enthält gegen 250 Oelgemälde und einige
Sculpturen, eine Medaillensammlung, verschiedene Antiquitäten und
eine naturhistorische Sammlung. Im Museumsgebäude ist auch die
20.000 Bände zählende städtische Bibliothek untergebracht.

In der nächsten Umgebung der Stadt entstanden einige öffent-
liche Gärten, und nächst der Villenstadt Rosendaël wurde eine präch-
tige und mit allem Comfort ausgestattete Badeanstalt errichtet, welche
unter dem Namen Casino-Hôtel de Rosendaël in bestem Rufe steht.
In dem nächstliegenden schönen Cursaale werden Concerte, Bälle
und sonstige Unterhaltungen gegeben, überhaupt ist Rosendaël mit
seinen malerischen Villen und Gärten, seinem herrlichen Badestrand
und dem animirten Leben, das sich dorthin verpflanzt, ein sehr be-
suchter und beliebter Ausflugsort für Einheimische und Fremde.

Dünkirchen hat letzterer Zeit auch als Industrieplatz einen be-
deutenden Aufschwung genommen. Es besitzt Spinnereien und Webe-
reien, eine Dampfmühle, Werften, Schmieden und Giessereien, Seile-
reien, Brauereien, Oel- und Seifenfabriken.

Dünkirchens Einfuhr hat sich in den letzten Jahren derart ge-
steigert, dass ihr Werth achtmal so gross ist als der Werth der
Ausfuhr. Als Einfuhrplatz hat Dünkirchen bereits Bordeaux über-
flügelt. Diesen Aufschwung als Importplatz verdankt Dünkirchen in
erster Linie seiner günstigen geographischen Lage gegenüber den
Hinterländern, deren guten Binnenverbindungen und endlich der
Rührigkeit seiner durch Staatshülfe unterstützten Kaufleute.

Leider machte 1889 der Bau der neuen Schleusse, welche
Schiffen, die bis 10·4 m tauchen, den Zugang sichern soll, nur wenig
Fortschritte, und die Erfüllung des Traumes der Handelskammer von

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[642/0662] Der atlantische Ocean. infolge dessen der zur Kirche gehörende Glockenthurm (Beffroi) jetzt isolirt steht. Dieser ist ein imposanter Bau von 90 m Höhe, welcher ein Glockenspiel enthält, das sich durch die unter dessen Namen (Carillon) volksthümlich gewordene Arie einer gewissen Berühmtheit erfreut. Von Interesse ist auch die Capelle Notre-Dame des Dunes am nördlichsten Ende der Stadt. Dieselbe stammt aus dem Beginn des XV. Jahrhunderts, als im Sande der Dünen eine Statuette der Mutter Gottes an der Küste aufgefunden worden war. Die Capelle ist seit- her ein sehr besuchter Andachtsort, besonders für Fischer, welche dort einen reichen Stockfischfang erflehen, und für Seeleute. Zahlreiche Votivgaben, bestehend aus Schiffsmodellen, Bildern, Kerzen, bedecken die Wände oder hängen an Schnüren befestigt von der Decke herab. Das Musée communal enthält gegen 250 Oelgemälde und einige Sculpturen, eine Medaillensammlung, verschiedene Antiquitäten und eine naturhistorische Sammlung. Im Museumsgebäude ist auch die 20.000 Bände zählende städtische Bibliothek untergebracht. In der nächsten Umgebung der Stadt entstanden einige öffent- liche Gärten, und nächst der Villenstadt Rosendaël wurde eine präch- tige und mit allem Comfort ausgestattete Badeanstalt errichtet, welche unter dem Namen Casino-Hôtel de Rosendaël in bestem Rufe steht. In dem nächstliegenden schönen Cursaale werden Concerte, Bälle und sonstige Unterhaltungen gegeben, überhaupt ist Rosendaël mit seinen malerischen Villen und Gärten, seinem herrlichen Badestrand und dem animirten Leben, das sich dorthin verpflanzt, ein sehr be- suchter und beliebter Ausflugsort für Einheimische und Fremde. Dünkirchen hat letzterer Zeit auch als Industrieplatz einen be- deutenden Aufschwung genommen. Es besitzt Spinnereien und Webe- reien, eine Dampfmühle, Werften, Schmieden und Giessereien, Seile- reien, Brauereien, Oel- und Seifenfabriken. Dünkirchens Einfuhr hat sich in den letzten Jahren derart ge- steigert, dass ihr Werth achtmal so gross ist als der Werth der Ausfuhr. Als Einfuhrplatz hat Dünkirchen bereits Bordeaux über- flügelt. Diesen Aufschwung als Importplatz verdankt Dünkirchen in erster Linie seiner günstigen geographischen Lage gegenüber den Hinterländern, deren guten Binnenverbindungen und endlich der Rührigkeit seiner durch Staatshülfe unterstützten Kaufleute. Leider machte 1889 der Bau der neuen Schleusse, welche Schiffen, die bis 10·4 m tauchen, den Zugang sichern soll, nur wenig Fortschritte, und die Erfüllung des Traumes der Handelskammer von

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/662>, abgerufen am 23.11.2024.