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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Lissabon.
so kleines Volk, wie die Portugiesen, nicht nur nicht im Stande sei,
den Welthandel zu monopolisiren, wie man dieses in Lissabon so
lange anstrebte, sondern nicht einmal seine wirtschaftliche Unab-
hängigkeit behaupten kann.

Mit Hilfe bewaffneter Kriegsscharen aus Niederland, Westfalen, Friesland
und den Rheingegenden, die in Verbindung mit britischen Kreuzrittern auf eng-
lischen und flandrischen Schiffen nach Palästina zogen, um dort die Ungläubigen
zu bekriegen, wurde die Stadt 1147 den Mauren entrissen. Seitdem blieb sie eine
wichtige Etape für den Verkehr der Segelschiffe zwischen den Niederlanden und
Venedig, und unter dem strengen und gerechten Dom Pedro I. (1357--1367) zählte
man nicht selten im Hafen von Lissabon 400--500 ausländische und inländische
Kauffahrteischiffe, welche die Landesproducte, besonders Wein, Oel und Salz, und
den überaus reichen Ertrag des Küstenfischfanges nach allen Weltgegenden aus-
führten und Gold und Silber in Menge einbrachten.

Dann kam das Jahrhundert der grossen Entdeckungen, das Heldenzeitalter
des portugiesischen Volkes, dem Camoens in den Lusiaden ein unvergängliches
Denkmal gesetzt hat.

Die Portugiesen waren damals noch nicht besonders seetüchtig, sie über-
liessen noch immer den Verkehr nach dem Norden und dem Osten fremden
Schiffen. Nur auf Marokko und die südwärts gelegenen Küstenländer richteten sie
aus religiösen Beweggründen ihr Augenmerk.

Erst 1434 brachte der beharrliche Infant Heinrich (Dom Enrique) "der
Seefahrer" seine Portugiesen über das berüchtigte Cap Bojador hinaus. Nun
wurden Schritt für Schritt die Gestade Afrikas enthüllt, der Seeweg nach Indien
1498) und (1500) die waldigen Küsten Brasiliens entdeckt.

Als dann im Anfange des XVI. Jahrhunderts durch die Besetzung des
Zuganges in das Rothe Meer der alte Verkehr zwischen Malabar und Egypten ver-
nichtet war, wurde Lissabon der Sitz eines unermesslichen Waarenumsatzes, die
Niederlage und der Stapelplatz mehrerer Welttheile, den die orientalischen
Völker Pae takht Frang, "die Residenz von Europa" nannten. Hier mussten alle
Nationen des Abendlandes ihre Gewürze holen, denn die Portugiesen verschmähten
es, die Gewürze von Lissabon weiter zu führen.

Rasch sank jedoch die Macht des kleinen Portugal. Die unglückselige Ver-
einigung mit Spanien (1584) beschleunigte den Verfall, weil Philipp II. die
Handelsschiffe der Niederländer, welche seit Jahrzehnten gegen ihn im Aufstande
waren, von dem Markte Lissabons ausschloss und dadurch diese unternehmenden
Seeleute zwang, direct nach Indien zu segeln und ein holländisches Colonialreich
auf dem Boden des alten portugiesischen zu errichten.

Das seit 1640 wieder selbständige Portugal gab im Osten den "Koloss, der
keinen Nutzen gewährte", auf und vereinigte seine ganze Kraft auf Brasilien, das
1654 den eingedrungenen Holländern entrissen wurde. Bald entstanden dort grosse
Zuckerplantagen, deren Ernten über Lissabon nach dem übrigen Europa gelangten
der Verkehr mit Westafrika stieg durch den Sclavenhandel nach Brasilien, und die
Entdeckung von Goldlagern und Diamantenlagern machten den Ausspruch Joao IV.
wahr, welcher Brasilien seine "Melkkuh" nannte.

Grosse Reichthümer gingen seit 1700 alljährlich nach Lissabon, sie wan-

Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 68

Lissabon.
so kleines Volk, wie die Portugiesen, nicht nur nicht im Stande sei,
den Welthandel zu monopolisiren, wie man dieses in Lissabon so
lange anstrebte, sondern nicht einmal seine wirtschaftliche Unab-
hängigkeit behaupten kann.

Mit Hilfe bewaffneter Kriegsscharen aus Niederland, Westfalen, Friesland
und den Rheingegenden, die in Verbindung mit britischen Kreuzrittern auf eng-
lischen und flandrischen Schiffen nach Palästina zogen, um dort die Ungläubigen
zu bekriegen, wurde die Stadt 1147 den Mauren entrissen. Seitdem blieb sie eine
wichtige Etape für den Verkehr der Segelschiffe zwischen den Niederlanden und
Venedig, und unter dem strengen und gerechten Dom Pedro I. (1357—1367) zählte
man nicht selten im Hafen von Lissabon 400—500 ausländische und inländische
Kauffahrteischiffe, welche die Landesproducte, besonders Wein, Oel und Salz, und
den überaus reichen Ertrag des Küstenfischfanges nach allen Weltgegenden aus-
führten und Gold und Silber in Menge einbrachten.

Dann kam das Jahrhundert der grossen Entdeckungen, das Heldenzeitalter
des portugiesischen Volkes, dem Camoens in den Lusiaden ein unvergängliches
Denkmal gesetzt hat.

Die Portugiesen waren damals noch nicht besonders seetüchtig, sie über-
liessen noch immer den Verkehr nach dem Norden und dem Osten fremden
Schiffen. Nur auf Marokko und die südwärts gelegenen Küstenländer richteten sie
aus religiösen Beweggründen ihr Augenmerk.

Erst 1434 brachte der beharrliche Infant Heinrich (Dom Enrique) „der
Seefahrer“ seine Portugiesen über das berüchtigte Cap Bojador hinaus. Nun
wurden Schritt für Schritt die Gestade Afrikas enthüllt, der Seeweg nach Indien
1498) und (1500) die waldigen Küsten Brasiliens entdeckt.

Als dann im Anfange des XVI. Jahrhunderts durch die Besetzung des
Zuganges in das Rothe Meer der alte Verkehr zwischen Malabar und Egypten ver-
nichtet war, wurde Lissabon der Sitz eines unermesslichen Waarenumsatzes, die
Niederlage und der Stapelplatz mehrerer Welttheile, den die orientalischen
Völker Pae takht Frang, „die Residenz von Europa“ nannten. Hier mussten alle
Nationen des Abendlandes ihre Gewürze holen, denn die Portugiesen verschmähten
es, die Gewürze von Lissabon weiter zu führen.

Rasch sank jedoch die Macht des kleinen Portugal. Die unglückselige Ver-
einigung mit Spanien (1584) beschleunigte den Verfall, weil Philipp II. die
Handelsschiffe der Niederländer, welche seit Jahrzehnten gegen ihn im Aufstande
waren, von dem Markte Lissabons ausschloss und dadurch diese unternehmenden
Seeleute zwang, direct nach Indien zu segeln und ein holländisches Colonialreich
auf dem Boden des alten portugiesischen zu errichten.

Das seit 1640 wieder selbständige Portugal gab im Osten den „Koloss, der
keinen Nutzen gewährte“, auf und vereinigte seine ganze Kraft auf Brasilien, das
1654 den eingedrungenen Holländern entrissen wurde. Bald entstanden dort grosse
Zuckerplantagen, deren Ernten über Lissabon nach dem übrigen Europa gelangten
der Verkehr mit Westafrika stieg durch den Sclavenhandel nach Brasilien, und die
Entdeckung von Goldlagern und Diamantenlagern machten den Ausspruch Joao IV.
wahr, welcher Brasilien seine „Melkkuh“ nannte.

Grosse Reichthümer gingen seit 1700 alljährlich nach Lissabon, sie wan-

Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 68
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[537/0557] Lissabon. so kleines Volk, wie die Portugiesen, nicht nur nicht im Stande sei, den Welthandel zu monopolisiren, wie man dieses in Lissabon so lange anstrebte, sondern nicht einmal seine wirtschaftliche Unab- hängigkeit behaupten kann. Mit Hilfe bewaffneter Kriegsscharen aus Niederland, Westfalen, Friesland und den Rheingegenden, die in Verbindung mit britischen Kreuzrittern auf eng- lischen und flandrischen Schiffen nach Palästina zogen, um dort die Ungläubigen zu bekriegen, wurde die Stadt 1147 den Mauren entrissen. Seitdem blieb sie eine wichtige Etape für den Verkehr der Segelschiffe zwischen den Niederlanden und Venedig, und unter dem strengen und gerechten Dom Pedro I. (1357—1367) zählte man nicht selten im Hafen von Lissabon 400—500 ausländische und inländische Kauffahrteischiffe, welche die Landesproducte, besonders Wein, Oel und Salz, und den überaus reichen Ertrag des Küstenfischfanges nach allen Weltgegenden aus- führten und Gold und Silber in Menge einbrachten. Dann kam das Jahrhundert der grossen Entdeckungen, das Heldenzeitalter des portugiesischen Volkes, dem Camoens in den Lusiaden ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Die Portugiesen waren damals noch nicht besonders seetüchtig, sie über- liessen noch immer den Verkehr nach dem Norden und dem Osten fremden Schiffen. Nur auf Marokko und die südwärts gelegenen Küstenländer richteten sie aus religiösen Beweggründen ihr Augenmerk. Erst 1434 brachte der beharrliche Infant Heinrich (Dom Enrique) „der Seefahrer“ seine Portugiesen über das berüchtigte Cap Bojador hinaus. Nun wurden Schritt für Schritt die Gestade Afrikas enthüllt, der Seeweg nach Indien 1498) und (1500) die waldigen Küsten Brasiliens entdeckt. Als dann im Anfange des XVI. Jahrhunderts durch die Besetzung des Zuganges in das Rothe Meer der alte Verkehr zwischen Malabar und Egypten ver- nichtet war, wurde Lissabon der Sitz eines unermesslichen Waarenumsatzes, die Niederlage und der Stapelplatz mehrerer Welttheile, den die orientalischen Völker Pae takht Frang, „die Residenz von Europa“ nannten. Hier mussten alle Nationen des Abendlandes ihre Gewürze holen, denn die Portugiesen verschmähten es, die Gewürze von Lissabon weiter zu führen. Rasch sank jedoch die Macht des kleinen Portugal. Die unglückselige Ver- einigung mit Spanien (1584) beschleunigte den Verfall, weil Philipp II. die Handelsschiffe der Niederländer, welche seit Jahrzehnten gegen ihn im Aufstande waren, von dem Markte Lissabons ausschloss und dadurch diese unternehmenden Seeleute zwang, direct nach Indien zu segeln und ein holländisches Colonialreich auf dem Boden des alten portugiesischen zu errichten. Das seit 1640 wieder selbständige Portugal gab im Osten den „Koloss, der keinen Nutzen gewährte“, auf und vereinigte seine ganze Kraft auf Brasilien, das 1654 den eingedrungenen Holländern entrissen wurde. Bald entstanden dort grosse Zuckerplantagen, deren Ernten über Lissabon nach dem übrigen Europa gelangten der Verkehr mit Westafrika stieg durch den Sclavenhandel nach Brasilien, und die Entdeckung von Goldlagern und Diamantenlagern machten den Ausspruch Joao IV. wahr, welcher Brasilien seine „Melkkuh“ nannte. Grosse Reichthümer gingen seit 1700 alljährlich nach Lissabon, sie wan- Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 68

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/557>, abgerufen am 22.11.2024.