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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Algier.
Tunis erstrecken sich ausgedehnte Waldungen der Korkeiche. Hinter
diesen beiden Zonen erheben sich in einer Breite von 200 bis 300 km
weite Hochebenen mit einer bedeutenden Höhe über See, die an den
Grenzen Marokkos 1350 m, an denen von Tunis nur noch 900 m
beträgt. Hier sind die Winter kalt, sogar Schneefälle kommen vor,
und die Regenmenge ist zu gering, um noch den Ackerbau zu ge-
statten. In diesen Steppenlandschaften werden Halfa und Crin vege-
tal geschnitten, hier ist der Sitz der Viehzucht. Dann senkt sich das
Land nach Süden zu, im Osten sogar bis unter den Spiegel des Meeres.
Dies ist die algerische Sahara; an den wasserführendenStellen gedeiht
in grosser Ueppigkeit die Dattelpalme und liefert schmackhaftere
Früchte als in dem vom schlammigen Nilwasser gedüngten Egypten.

Die von der Natur gegebenen Verhältnisse des Landes zu ver-
bessern, ist seit 1856 die Hauptsorge der Franzosen, und sie haben
wahrhaft Grossartiges geleistet.

Sie setzten die Wasserleitungen des Alterthums wieder in Stand,
bauten mächtige Dämme quer durch die Betten der Flüsse, um die
Regenmengen des Winters zu sammeln, um damit in der regenlosen
Zeit die Gefilde zu befruchten; an den Flussläufen wurden ausge-
dehnte Anlagen zum Zwecke der Berieselung errichtet und in der
Sahara und auf den Abhängen der Plateaus folgten die Franzosen
dem Beispiele, welches die Eingebornen seit uralten Zeiten üben,
und bohrten, unterstützt von den Hilfsmitteln der modernen Technik,
Hunderte von artesischen Brunnen, welche zu Mittelpunkten von eben
so viel Oasen mit zusammen 3 Millionen Stück Bäumen wurden, die
einen Ertrag von 60 Millionen Francs abwerfen. Und um die sum-
pfigen Stellen der abflusslosen Gebiete des Innern von der Malaria
zu befreien, wurden Hunderttausende von Eucalyptus-Bäumen, diesen
Wohlthätern der warmen Länder, gepflanzt, welche ihre Wurzeln in
ungewöhnliche Tiefen hinabtreiben und das Grundwasser aufsaugen.
"Preparer le pays" nennen die Franzosen in ihrer präcisen Sprache
diese bewunderungswürdige Thätigkeit.

Da nun Algier handelspolitisch nicht eine Colonie von Frank-
reich, sondern ein Theil des grossen Vaterlandes ist, zahlen die
Waaren Frankreichs in Algier und die Algiers in Frankreich (mit
ganz wenigen Ausnahmen, die in den Monopolen Frankreichs be-
gründet sind) keinen Zoll.

Der ungewöhnlich grosse Antheil Frankreichs an dem Aussen-
handel von Algier, den wir oben nachgewiesen haben, erklärt sich
aus dieser zollpolitischen Massregel.


Algier.
Tunis erstrecken sich ausgedehnte Waldungen der Korkeiche. Hinter
diesen beiden Zonen erheben sich in einer Breite von 200 bis 300 km
weite Hochebenen mit einer bedeutenden Höhe über See, die an den
Grenzen Marokkos 1350 m, an denen von Tunis nur noch 900 m
beträgt. Hier sind die Winter kalt, sogar Schneefälle kommen vor,
und die Regenmenge ist zu gering, um noch den Ackerbau zu ge-
statten. In diesen Steppenlandschaften werden Halfa und Crin végé-
tal geschnitten, hier ist der Sitz der Viehzucht. Dann senkt sich das
Land nach Süden zu, im Osten sogar bis unter den Spiegel des Meeres.
Dies ist die algerische Sahara; an den wasserführendenStellen gedeiht
in grosser Ueppigkeit die Dattelpalme und liefert schmackhaftere
Früchte als in dem vom schlammigen Nilwasser gedüngten Egypten.

Die von der Natur gegebenen Verhältnisse des Landes zu ver-
bessern, ist seit 1856 die Hauptsorge der Franzosen, und sie haben
wahrhaft Grossartiges geleistet.

Sie setzten die Wasserleitungen des Alterthums wieder in Stand,
bauten mächtige Dämme quer durch die Betten der Flüsse, um die
Regenmengen des Winters zu sammeln, um damit in der regenlosen
Zeit die Gefilde zu befruchten; an den Flussläufen wurden ausge-
dehnte Anlagen zum Zwecke der Berieselung errichtet und in der
Sahara und auf den Abhängen der Plateaus folgten die Franzosen
dem Beispiele, welches die Eingebornen seit uralten Zeiten üben,
und bohrten, unterstützt von den Hilfsmitteln der modernen Technik,
Hunderte von artesischen Brunnen, welche zu Mittelpunkten von eben
so viel Oasen mit zusammen 3 Millionen Stück Bäumen wurden, die
einen Ertrag von 60 Millionen Francs abwerfen. Und um die sum-
pfigen Stellen der abflusslosen Gebiete des Innern von der Malaria
zu befreien, wurden Hunderttausende von Eucalyptus-Bäumen, diesen
Wohlthätern der warmen Länder, gepflanzt, welche ihre Wurzeln in
ungewöhnliche Tiefen hinabtreiben und das Grundwasser aufsaugen.
„Préparer le pays“ nennen die Franzosen in ihrer präcisen Sprache
diese bewunderungswürdige Thätigkeit.

Da nun Algier handelspolitisch nicht eine Colonie von Frank-
reich, sondern ein Theil des grossen Vaterlandes ist, zahlen die
Waaren Frankreichs in Algier und die Algiers in Frankreich (mit
ganz wenigen Ausnahmen, die in den Monopolen Frankreichs be-
gründet sind) keinen Zoll.

Der ungewöhnlich grosse Antheil Frankreichs an dem Aussen-
handel von Algier, den wir oben nachgewiesen haben, erklärt sich
aus dieser zollpolitischen Massregel.


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[429/0449] Algier. Tunis erstrecken sich ausgedehnte Waldungen der Korkeiche. Hinter diesen beiden Zonen erheben sich in einer Breite von 200 bis 300 km weite Hochebenen mit einer bedeutenden Höhe über See, die an den Grenzen Marokkos 1350 m, an denen von Tunis nur noch 900 m beträgt. Hier sind die Winter kalt, sogar Schneefälle kommen vor, und die Regenmenge ist zu gering, um noch den Ackerbau zu ge- statten. In diesen Steppenlandschaften werden Halfa und Crin végé- tal geschnitten, hier ist der Sitz der Viehzucht. Dann senkt sich das Land nach Süden zu, im Osten sogar bis unter den Spiegel des Meeres. Dies ist die algerische Sahara; an den wasserführendenStellen gedeiht in grosser Ueppigkeit die Dattelpalme und liefert schmackhaftere Früchte als in dem vom schlammigen Nilwasser gedüngten Egypten. Die von der Natur gegebenen Verhältnisse des Landes zu ver- bessern, ist seit 1856 die Hauptsorge der Franzosen, und sie haben wahrhaft Grossartiges geleistet. Sie setzten die Wasserleitungen des Alterthums wieder in Stand, bauten mächtige Dämme quer durch die Betten der Flüsse, um die Regenmengen des Winters zu sammeln, um damit in der regenlosen Zeit die Gefilde zu befruchten; an den Flussläufen wurden ausge- dehnte Anlagen zum Zwecke der Berieselung errichtet und in der Sahara und auf den Abhängen der Plateaus folgten die Franzosen dem Beispiele, welches die Eingebornen seit uralten Zeiten üben, und bohrten, unterstützt von den Hilfsmitteln der modernen Technik, Hunderte von artesischen Brunnen, welche zu Mittelpunkten von eben so viel Oasen mit zusammen 3 Millionen Stück Bäumen wurden, die einen Ertrag von 60 Millionen Francs abwerfen. Und um die sum- pfigen Stellen der abflusslosen Gebiete des Innern von der Malaria zu befreien, wurden Hunderttausende von Eucalyptus-Bäumen, diesen Wohlthätern der warmen Länder, gepflanzt, welche ihre Wurzeln in ungewöhnliche Tiefen hinabtreiben und das Grundwasser aufsaugen. „Préparer le pays“ nennen die Franzosen in ihrer präcisen Sprache diese bewunderungswürdige Thätigkeit. Da nun Algier handelspolitisch nicht eine Colonie von Frank- reich, sondern ein Theil des grossen Vaterlandes ist, zahlen die Waaren Frankreichs in Algier und die Algiers in Frankreich (mit ganz wenigen Ausnahmen, die in den Monopolen Frankreichs be- gründet sind) keinen Zoll. Der ungewöhnlich grosse Antheil Frankreichs an dem Aussen- handel von Algier, den wir oben nachgewiesen haben, erklärt sich aus dieser zollpolitischen Massregel.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/449>, abgerufen am 23.05.2024.