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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
Strande, nördlich des Städtchens gegen das Sommerpalais Khair-eddin
und dem kleinen Ort El Kram zu, entstanden. Mit Tunis und
La Marsa ist Goletta durch Eisenbahnen verbunden.

Auf der Stätte des alten Carthago gewahrt man gegenwärtig
Felder, Gärten und Villeggiaturen. Tiefer Humus deckt die Grundmauern
und ermöglichte bisher nicht, einen Situationsplan der berühmten Stadt
zu entwerfen. Man weiss nur, dass die Stadt im Norden bis zum Cap
Kamart, in dessen Nähe die Nekropole war, gereicht hatte. Die Höhe
Byrsa trug die Festung, die Burg der Dido und einen Tempel des
Aesculap. Jetzt glänzt dort die von Ludwig Philipp, König von Frank-
reich, 1841 erbaute Capelle St. Louis zur Erinnerung an den heiligen
Ludwig (König Ludwig IX. von Frankreich), der an jener Stelle am
25. August 1270, auf einem Kreuzzuge begriffen, der Pest erlag. Die
Capelle entsprach weder der Grösse der Erinnerung, noch der patrio-
tischen Begeisterung der Franzosen für die Ruhmesthaten ihrer helden-
müthigen Vorfahren, und dieser Umstand bewog den als Philanthropen
bekannten Cardinal Lavigerie, Erzbischof von Tunis, auf der Höhe von
Byrsa ein prächtiges Gebäude in maurischem Style zu erbauen und
als Seminar einzurichten. Ebenso erbaute er aus gesammelten Spenden
in der Nähe der Capelle eine herrliche Kathedrale in byzantinisch-
maurischem Style, welche 1890 eingeweiht werden wird.

Eine Sehenswürdigkeit ist das dort befindliche Museum Alavui, das
durch den Vorsteher der Mission, Abbe Delattre, archäologisch geordnet,
eine Sammlung schöner Marmorsculpturen, Mosaiken, Bronzen, punischer
Waffen, Münzen, Cameen und Schmuckgegenstände enthält.

Nördlich von diesen Gebäuden liegt nächst des carthagischen
ungeheueren Amphitheaters, das mehr als 200 m Durchmesser besass,
das Dorf la Malka, mit einer Eisenbahnstation. Dort befinden sich
die ausgedehnten, gegenwärtig durch die Compagnie des eaux restau-
rirten Cisternen von Carthago.

Nordwärts von Malka ist das Gebiet la Marsa, eine prächtige
Landschaft mit reizenden Gärten und Villen. Hier lag der Stadttheil
Megara des alten Carthago. Auf dem blühenden Terrain von la Marsa,
das kühlende Seeluft bestreicht, residiren während des Sommers in poesie-
vollen, mitunter eines Ariosto würdigen Villeggiaturen und hübschen
Palais der weise, als Gelehrter und Schriftsteller hochangesehene Bey
Ali von Tunis (geb. 1817), Prinz Saieb, der Khasnadar, der französische
General-Resident und viele andere Würdenträger. La Marsa ist ein
reizender Aufenthaltsort. Mit dessen prächtiger Lage wetteifert das
nächst Cap Carthago auf der Höhe liegende freundliche Dorf Sidi-bu-

Das Mittelmeerbecken.
Strande, nördlich des Städtchens gegen das Sommerpalais Khair-eddin
und dem kleinen Ort El Kram zu, entstanden. Mit Tunis und
La Marsa ist Goletta durch Eisenbahnen verbunden.

Auf der Stätte des alten Carthago gewahrt man gegenwärtig
Felder, Gärten und Villeggiaturen. Tiefer Humus deckt die Grundmauern
und ermöglichte bisher nicht, einen Situationsplan der berühmten Stadt
zu entwerfen. Man weiss nur, dass die Stadt im Norden bis zum Cap
Kamart, in dessen Nähe die Nekropole war, gereicht hatte. Die Höhe
Byrsa trug die Festung, die Burg der Dido und einen Tempel des
Aesculap. Jetzt glänzt dort die von Ludwig Philipp, König von Frank-
reich, 1841 erbaute Capelle St. Louis zur Erinnerung an den heiligen
Ludwig (König Ludwig IX. von Frankreich), der an jener Stelle am
25. August 1270, auf einem Kreuzzuge begriffen, der Pest erlag. Die
Capelle entsprach weder der Grösse der Erinnerung, noch der patrio-
tischen Begeisterung der Franzosen für die Ruhmesthaten ihrer helden-
müthigen Vorfahren, und dieser Umstand bewog den als Philanthropen
bekannten Cardinal Lavigerie, Erzbischof von Tunis, auf der Höhe von
Byrsa ein prächtiges Gebäude in maurischem Style zu erbauen und
als Seminar einzurichten. Ebenso erbaute er aus gesammelten Spenden
in der Nähe der Capelle eine herrliche Kathedrale in byzantinisch-
maurischem Style, welche 1890 eingeweiht werden wird.

Eine Sehenswürdigkeit ist das dort befindliche Museum Alavuï, das
durch den Vorsteher der Mission, Abbé Delattre, archäologisch geordnet,
eine Sammlung schöner Marmorsculpturen, Mosaiken, Bronzen, punischer
Waffen, Münzen, Cameen und Schmuckgegenstände enthält.

Nördlich von diesen Gebäuden liegt nächst des carthagischen
ungeheueren Amphitheaters, das mehr als 200 m Durchmesser besass,
das Dorf la Malka, mit einer Eisenbahnstation. Dort befinden sich
die ausgedehnten, gegenwärtig durch die Compagnie des eaux restau-
rirten Cisternen von Carthago.

Nordwärts von Malka ist das Gebiet la Marsa, eine prächtige
Landschaft mit reizenden Gärten und Villen. Hier lag der Stadttheil
Megara des alten Carthago. Auf dem blühenden Terrain von la Marsa,
das kühlende Seeluft bestreicht, residiren während des Sommers in poesie-
vollen, mitunter eines Ariosto würdigen Villeggiaturen und hübschen
Palais der weise, als Gelehrter und Schriftsteller hochangesehene Bey
Ali von Tunis (geb. 1817), Prinz Saïeb, der Khasnadar, der französische
General-Resident und viele andere Würdenträger. La Marsa ist ein
reizender Aufenthaltsort. Mit dessen prächtiger Lage wetteifert das
nächst Cap Carthago auf der Höhe liegende freundliche Dorf Sidi-bu-

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[304/0324] Das Mittelmeerbecken. Strande, nördlich des Städtchens gegen das Sommerpalais Khair-eddin und dem kleinen Ort El Kram zu, entstanden. Mit Tunis und La Marsa ist Goletta durch Eisenbahnen verbunden. Auf der Stätte des alten Carthago gewahrt man gegenwärtig Felder, Gärten und Villeggiaturen. Tiefer Humus deckt die Grundmauern und ermöglichte bisher nicht, einen Situationsplan der berühmten Stadt zu entwerfen. Man weiss nur, dass die Stadt im Norden bis zum Cap Kamart, in dessen Nähe die Nekropole war, gereicht hatte. Die Höhe Byrsa trug die Festung, die Burg der Dido und einen Tempel des Aesculap. Jetzt glänzt dort die von Ludwig Philipp, König von Frank- reich, 1841 erbaute Capelle St. Louis zur Erinnerung an den heiligen Ludwig (König Ludwig IX. von Frankreich), der an jener Stelle am 25. August 1270, auf einem Kreuzzuge begriffen, der Pest erlag. Die Capelle entsprach weder der Grösse der Erinnerung, noch der patrio- tischen Begeisterung der Franzosen für die Ruhmesthaten ihrer helden- müthigen Vorfahren, und dieser Umstand bewog den als Philanthropen bekannten Cardinal Lavigerie, Erzbischof von Tunis, auf der Höhe von Byrsa ein prächtiges Gebäude in maurischem Style zu erbauen und als Seminar einzurichten. Ebenso erbaute er aus gesammelten Spenden in der Nähe der Capelle eine herrliche Kathedrale in byzantinisch- maurischem Style, welche 1890 eingeweiht werden wird. Eine Sehenswürdigkeit ist das dort befindliche Museum Alavuï, das durch den Vorsteher der Mission, Abbé Delattre, archäologisch geordnet, eine Sammlung schöner Marmorsculpturen, Mosaiken, Bronzen, punischer Waffen, Münzen, Cameen und Schmuckgegenstände enthält. Nördlich von diesen Gebäuden liegt nächst des carthagischen ungeheueren Amphitheaters, das mehr als 200 m Durchmesser besass, das Dorf la Malka, mit einer Eisenbahnstation. Dort befinden sich die ausgedehnten, gegenwärtig durch die Compagnie des eaux restau- rirten Cisternen von Carthago. Nordwärts von Malka ist das Gebiet la Marsa, eine prächtige Landschaft mit reizenden Gärten und Villen. Hier lag der Stadttheil Megara des alten Carthago. Auf dem blühenden Terrain von la Marsa, das kühlende Seeluft bestreicht, residiren während des Sommers in poesie- vollen, mitunter eines Ariosto würdigen Villeggiaturen und hübschen Palais der weise, als Gelehrter und Schriftsteller hochangesehene Bey Ali von Tunis (geb. 1817), Prinz Saïeb, der Khasnadar, der französische General-Resident und viele andere Würdenträger. La Marsa ist ein reizender Aufenthaltsort. Mit dessen prächtiger Lage wetteifert das nächst Cap Carthago auf der Höhe liegende freundliche Dorf Sidi-bu-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/324>, abgerufen am 24.11.2024.