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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Alexandria.
griechischer Typus vor und bewahrt so auch äusserlich das Andenken
an seinen Ursprung.

"Ueber siebzig Städte hat", nach dem angeblichen Plutarch,
"Alexander der Grosse unter den barbarischen Völkern gegründet und
Asien mit hellenischen Städten besäet." Aber Alexandria ist seine
glänzendste Schöpfung. Mit dem wunderbaren Scharfblicke, den wir
bei allen Städtegründungen Alexander's erkennen, ist die Stelle aus-
gewählt, die einzige der egyptischen Küste, die ein erträgliches Hafen-
bassin bieten konnte, das frei war von der Gefahr, durch die An-
schwemmungen des Nil verschlammt zu werden, weil die Strömung
des Meeres an diesem Theile der Nordküste Afrikas nach Osten zieht.
Alexandria wurde nicht gegründet, um die Herrschaft über Egypten
zu behaupten, es liegt ja mehr neben als in Egypten. Auch hier
war für Alexander, wie bei so vielen anderen seiner Städtegründungen,
nicht die militärische Bedeutung des Platzes entscheidend. Nicht durch
Soldaten allein sollte die Welt des Orientes der Herrschaft des
hellenischen Geistes gesichert bleiben, sondern auch durch Kaufleute.
Er schuf für den wiedererweckten Handel neue Centralpunkte, gab
ihm eine neue Richtung und verknüpfte so das Interesse der Einge-
borenen mit dem der Hellenen, welche er in diesem Emporien an-
siedelte. Die Rücksicht auf den Handel war auch entscheidend für
die Städtegründungen seiner Nachfolger, und die Ptolemäer vollendeten
in Alexandrien, was er begonnen. Als Ptolemaeus II. Philadelphus, so
genannt, weil er seine Halbschwester Assinoe geheiratet hatte, die
Leiche des Gründers der Stadt nach Alexandria brachte, war dieses
nicht nur das Centrum der Regierungsgewalt einer militärischen Mon-
archie, nicht allein der Brennpunkt eines neu gestalteten geistigen
Lebens der Hellenen, sondern auch eine mächtige Stätte des Welt-
handels.

Vor den Lagiden hatte Egypten nur Getreide ausgeführt. Sie
stellten den alten Canal, der den Nil mit dem Rothen Meere verband,
wieder her und säuberten dieses von den Seeräubern. Der Handel
Indiens, Arabiens und Aethiopiens wurde dadurch auf dem bequemen und
sicheren Weg durch Egypten geleitet, und die berühmten Städte
Phönikiens verloren ihren Speditionshandel, die Hauptquelle ihrer
Blüthe.

Alexandria blieb seitdem ein Sitz des Welthandels, und wenn
auch später die Gewaltthätigkeit vieler mohammedanischer Herrscher
Egyptens dem Handel Indiens mit dem Abendlande oft die grössten
Hindernisse in den Weg legte, immer wieder suchte der Handel mit

Alexandria.
griechischer Typus vor und bewahrt so auch äusserlich das Andenken
an seinen Ursprung.

„Ueber siebzig Städte hat“, nach dem angeblichen Plutarch,
„Alexander der Grosse unter den barbarischen Völkern gegründet und
Asien mit hellenischen Städten besäet.“ Aber Alexandria ist seine
glänzendste Schöpfung. Mit dem wunderbaren Scharfblicke, den wir
bei allen Städtegründungen Alexander’s erkennen, ist die Stelle aus-
gewählt, die einzige der egyptischen Küste, die ein erträgliches Hafen-
bassin bieten konnte, das frei war von der Gefahr, durch die An-
schwemmungen des Nil verschlammt zu werden, weil die Strömung
des Meeres an diesem Theile der Nordküste Afrikas nach Osten zieht.
Alexandria wurde nicht gegründet, um die Herrschaft über Egypten
zu behaupten, es liegt ja mehr neben als in Egypten. Auch hier
war für Alexander, wie bei so vielen anderen seiner Städtegründungen,
nicht die militärische Bedeutung des Platzes entscheidend. Nicht durch
Soldaten allein sollte die Welt des Orientes der Herrschaft des
hellenischen Geistes gesichert bleiben, sondern auch durch Kaufleute.
Er schuf für den wiedererweckten Handel neue Centralpunkte, gab
ihm eine neue Richtung und verknüpfte so das Interesse der Einge-
borenen mit dem der Hellenen, welche er in diesem Emporien an-
siedelte. Die Rücksicht auf den Handel war auch entscheidend für
die Städtegründungen seiner Nachfolger, und die Ptolemäer vollendeten
in Alexandrien, was er begonnen. Als Ptolemaeus II. Philadelphus, so
genannt, weil er seine Halbschwester Assinoë geheiratet hatte, die
Leiche des Gründers der Stadt nach Alexandria brachte, war dieses
nicht nur das Centrum der Regierungsgewalt einer militärischen Mon-
archie, nicht allein der Brennpunkt eines neu gestalteten geistigen
Lebens der Hellenen, sondern auch eine mächtige Stätte des Welt-
handels.

Vor den Lagiden hatte Egypten nur Getreide ausgeführt. Sie
stellten den alten Canal, der den Nil mit dem Rothen Meere verband,
wieder her und säuberten dieses von den Seeräubern. Der Handel
Indiens, Arabiens und Aethiopiens wurde dadurch auf dem bequemen und
sicheren Weg durch Egypten geleitet, und die berühmten Städte
Phönikiens verloren ihren Speditionshandel, die Hauptquelle ihrer
Blüthe.

Alexandria blieb seitdem ein Sitz des Welthandels, und wenn
auch später die Gewaltthätigkeit vieler mohammedanischer Herrscher
Egyptens dem Handel Indiens mit dem Abendlande oft die grössten
Hindernisse in den Weg legte, immer wieder suchte der Handel mit

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[285/0305] Alexandria. griechischer Typus vor und bewahrt so auch äusserlich das Andenken an seinen Ursprung. „Ueber siebzig Städte hat“, nach dem angeblichen Plutarch, „Alexander der Grosse unter den barbarischen Völkern gegründet und Asien mit hellenischen Städten besäet.“ Aber Alexandria ist seine glänzendste Schöpfung. Mit dem wunderbaren Scharfblicke, den wir bei allen Städtegründungen Alexander’s erkennen, ist die Stelle aus- gewählt, die einzige der egyptischen Küste, die ein erträgliches Hafen- bassin bieten konnte, das frei war von der Gefahr, durch die An- schwemmungen des Nil verschlammt zu werden, weil die Strömung des Meeres an diesem Theile der Nordküste Afrikas nach Osten zieht. Alexandria wurde nicht gegründet, um die Herrschaft über Egypten zu behaupten, es liegt ja mehr neben als in Egypten. Auch hier war für Alexander, wie bei so vielen anderen seiner Städtegründungen, nicht die militärische Bedeutung des Platzes entscheidend. Nicht durch Soldaten allein sollte die Welt des Orientes der Herrschaft des hellenischen Geistes gesichert bleiben, sondern auch durch Kaufleute. Er schuf für den wiedererweckten Handel neue Centralpunkte, gab ihm eine neue Richtung und verknüpfte so das Interesse der Einge- borenen mit dem der Hellenen, welche er in diesem Emporien an- siedelte. Die Rücksicht auf den Handel war auch entscheidend für die Städtegründungen seiner Nachfolger, und die Ptolemäer vollendeten in Alexandrien, was er begonnen. Als Ptolemaeus II. Philadelphus, so genannt, weil er seine Halbschwester Assinoë geheiratet hatte, die Leiche des Gründers der Stadt nach Alexandria brachte, war dieses nicht nur das Centrum der Regierungsgewalt einer militärischen Mon- archie, nicht allein der Brennpunkt eines neu gestalteten geistigen Lebens der Hellenen, sondern auch eine mächtige Stätte des Welt- handels. Vor den Lagiden hatte Egypten nur Getreide ausgeführt. Sie stellten den alten Canal, der den Nil mit dem Rothen Meere verband, wieder her und säuberten dieses von den Seeräubern. Der Handel Indiens, Arabiens und Aethiopiens wurde dadurch auf dem bequemen und sicheren Weg durch Egypten geleitet, und die berühmten Städte Phönikiens verloren ihren Speditionshandel, die Hauptquelle ihrer Blüthe. Alexandria blieb seitdem ein Sitz des Welthandels, und wenn auch später die Gewaltthätigkeit vieler mohammedanischer Herrscher Egyptens dem Handel Indiens mit dem Abendlande oft die grössten Hindernisse in den Weg legte, immer wieder suchte der Handel mit

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/305>, abgerufen am 23.11.2024.