eingedrungen waren. Das Meer war ihr Retter, seine Gestade bildeten in der Folge den Schauplatz der Handelsthätigkeit, den Standplatz ihrer Colonien, der "Menschen von röthlicher Farbe", wie der Name der Phönikier ausdrückt. Sie lenkten mit bewundernswerther Energie den Handel der östlichen Culturstaaten, Babyloniens, Assyriens, Per- siens und selbst den des damals sagenhaften Indiens über ihre Küsten. Von den Gestaden des Mittelmeeres brachten sie in der ersten Zeit Sklaven und Schafwolle und beschenkten die wenig entwickelten Völker mit ihrer hochentwickelten Cultur. Eine grosse Fabriksthätig- keit vermehrte neben dem Handel ihre Städte. In der That, die Phö- nikier waren die Engländer des Alterthums. Sie waren das erste Volk, welches sich von seiner Scholle freiwillig trennte, in der Ferne Colo- nien gründete, die immer ein fremdes Element unter den umgebenden Völkern bildeten, weil der Phönikier, wie der Engländer in unseren Tagen, auch in der Fremde nie seine Eigenart aufgab.
Der veränderte Zug des Welthandels, welchen Alexander der Grosse mit der Gründung Alexandrias anbahnte und seine Nachfolger in Egypten, die Ptolomäer, vollendeten, lenkte den Handel des öst- lichen Asiens von den Häfen Syriens nach Egypten ab. Nur in der Zeit der Kreuzzüge erlebten die Küstenorte Syriens eine kurze Nach- blüthe. Dasselbe Schauspiel des Verfalles vollzieht sich seit Eröffnung des Suezcanals im Kleinen vor unseren Augen. Denn seit 1869 ist der Einfuhrhandel von Beirut und Damaskus gesunken. Der Waarenverkehr mit Bagdad und Persien, welcher von Damaskus aus durch Kara- wanen vermittelt wurde, ist verloren gegangen, Mesopotamien und Persien versorgen sich durch den Suez-Canal und den persischen Meerbusen mit den Erzeugnissen der Industrien Europas. Auch die anderen Plätze Syriens, wie Aleppo, Tripolis, Latakieh, Akka-Haiffa, Jerusalem, sind nicht mehr ausschliesslich auf die Vermittlung von Beirut angewiesen, sondern treten mit Hilfe der Linie der Messa- geries maritimes zum Theile direct mit Europa in Verbindung. Dies gilt namentlich von dem volkreichen Handelscentrum Aleppo, das in Alexandrette seinen eigentlichen Hafen besitzt.
Auch für den Export Beiruts steht nicht viel zu erwarten. Den getreidereichen Districten liegen die Häfen Tripolis, Saida und Akka- Haiffa näher als Beirut, und der Exporthandel sucht diese Orte auf, um an Frachtkosten möglichst zu ersparen.
Das Sinken der Preise der wichtigsten Ausfuhrartikel Beiruts in den letzten 6--7 Jahren hat ebenfalls auf den Einfuhrhandel un- günstig eingewirkt. Denn wie fast alle Häfen in der Levante, ist
Das Mittelmeerbecken.
eingedrungen waren. Das Meer war ihr Retter, seine Gestade bildeten in der Folge den Schauplatz der Handelsthätigkeit, den Standplatz ihrer Colonien, der „Menschen von röthlicher Farbe“, wie der Name der Phönikier ausdrückt. Sie lenkten mit bewundernswerther Energie den Handel der östlichen Culturstaaten, Babyloniens, Assyriens, Per- siens und selbst den des damals sagenhaften Indiens über ihre Küsten. Von den Gestaden des Mittelmeeres brachten sie in der ersten Zeit Sklaven und Schafwolle und beschenkten die wenig entwickelten Völker mit ihrer hochentwickelten Cultur. Eine grosse Fabriksthätig- keit vermehrte neben dem Handel ihre Städte. In der That, die Phö- nikier waren die Engländer des Alterthums. Sie waren das erste Volk, welches sich von seiner Scholle freiwillig trennte, in der Ferne Colo- nien gründete, die immer ein fremdes Element unter den umgebenden Völkern bildeten, weil der Phönikier, wie der Engländer in unseren Tagen, auch in der Fremde nie seine Eigenart aufgab.
Der veränderte Zug des Welthandels, welchen Alexander der Grosse mit der Gründung Alexandrias anbahnte und seine Nachfolger in Egypten, die Ptolomäer, vollendeten, lenkte den Handel des öst- lichen Asiens von den Häfen Syriens nach Egypten ab. Nur in der Zeit der Kreuzzüge erlebten die Küstenorte Syriens eine kurze Nach- blüthe. Dasselbe Schauspiel des Verfalles vollzieht sich seit Eröffnung des Suezcanals im Kleinen vor unseren Augen. Denn seit 1869 ist der Einfuhrhandel von Beirut und Damaskus gesunken. Der Waarenverkehr mit Bagdad und Persien, welcher von Damaskus aus durch Kara- wanen vermittelt wurde, ist verloren gegangen, Mesopotamien und Persien versorgen sich durch den Suez-Canal und den persischen Meerbusen mit den Erzeugnissen der Industrien Europas. Auch die anderen Plätze Syriens, wie Aleppo, Tripolis, Latakieh, Akka-Haiffa, Jerusalem, sind nicht mehr ausschliesslich auf die Vermittlung von Beirut angewiesen, sondern treten mit Hilfe der Linie der Messa- geries maritimes zum Theile direct mit Europa in Verbindung. Dies gilt namentlich von dem volkreichen Handelscentrum Aleppo, das in Alexandrette seinen eigentlichen Hafen besitzt.
Auch für den Export Beiruts steht nicht viel zu erwarten. Den getreidereichen Districten liegen die Häfen Tripolis, Saida und Akka- Haiffa näher als Beirut, und der Exporthandel sucht diese Orte auf, um an Frachtkosten möglichst zu ersparen.
Das Sinken der Preise der wichtigsten Ausfuhrartikel Beiruts in den letzten 6—7 Jahren hat ebenfalls auf den Einfuhrhandel un- günstig eingewirkt. Denn wie fast alle Häfen in der Levante, ist
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Das Mittelmeerbecken.
eingedrungen waren. Das Meer war ihr Retter, seine Gestade bildeten
in der Folge den Schauplatz der Handelsthätigkeit, den Standplatz
ihrer Colonien, der „Menschen von röthlicher Farbe“, wie der Name
der Phönikier ausdrückt. Sie lenkten mit bewundernswerther Energie
den Handel der östlichen Culturstaaten, Babyloniens, Assyriens, Per-
siens und selbst den des damals sagenhaften Indiens über ihre Küsten.
Von den Gestaden des Mittelmeeres brachten sie in der ersten Zeit
Sklaven und Schafwolle und beschenkten die wenig entwickelten
Völker mit ihrer hochentwickelten Cultur. Eine grosse Fabriksthätig-
keit vermehrte neben dem Handel ihre Städte. In der That, die Phö-
nikier waren die Engländer des Alterthums. Sie waren das erste Volk,
welches sich von seiner Scholle freiwillig trennte, in der Ferne Colo-
nien gründete, die immer ein fremdes Element unter den umgebenden
Völkern bildeten, weil der Phönikier, wie der Engländer in unseren
Tagen, auch in der Fremde nie seine Eigenart aufgab.
Der veränderte Zug des Welthandels, welchen Alexander der
Grosse mit der Gründung Alexandrias anbahnte und seine Nachfolger
in Egypten, die Ptolomäer, vollendeten, lenkte den Handel des öst-
lichen Asiens von den Häfen Syriens nach Egypten ab. Nur in der
Zeit der Kreuzzüge erlebten die Küstenorte Syriens eine kurze Nach-
blüthe. Dasselbe Schauspiel des Verfalles vollzieht sich seit Eröffnung
des Suezcanals im Kleinen vor unseren Augen. Denn seit 1869 ist der
Einfuhrhandel von Beirut und Damaskus gesunken. Der Waarenverkehr
mit Bagdad und Persien, welcher von Damaskus aus durch Kara-
wanen vermittelt wurde, ist verloren gegangen, Mesopotamien und
Persien versorgen sich durch den Suez-Canal und den persischen
Meerbusen mit den Erzeugnissen der Industrien Europas. Auch die
anderen Plätze Syriens, wie Aleppo, Tripolis, Latakieh, Akka-Haiffa,
Jerusalem, sind nicht mehr ausschliesslich auf die Vermittlung von
Beirut angewiesen, sondern treten mit Hilfe der Linie der Messa-
geries maritimes zum Theile direct mit Europa in Verbindung. Dies
gilt namentlich von dem volkreichen Handelscentrum Aleppo, das in
Alexandrette seinen eigentlichen Hafen besitzt.
Auch für den Export Beiruts steht nicht viel zu erwarten. Den
getreidereichen Districten liegen die Häfen Tripolis, Saida und Akka-
Haiffa näher als Beirut, und der Exporthandel sucht diese Orte auf,
um an Frachtkosten möglichst zu ersparen.
Das Sinken der Preise der wichtigsten Ausfuhrartikel Beiruts
in den letzten 6—7 Jahren hat ebenfalls auf den Einfuhrhandel un-
günstig eingewirkt. Denn wie fast alle Häfen in der Levante, ist
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/268>, abgerufen am 23.11.2024.
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