Entfaltung sich begeistert, so gab auch die Belagerung und der Fall von Fama- gosta leuchtende Beispiele von Seelengrösse, die das schwache Geschlecht erfüllte.
Die Türken beabsichtigten nämlich, die schönsten Mädchen der unglück- lichen Stadt in die Sclaverei des Harems zu schleppen. Doch die über ein solches Schicksal entsetzten Opfer sprengten die Pulverkammer des Schiffes, das sie ent- führte, in die Luft und starben den Heldentod. Es wird berichtet, dass die Türken während der Belagerung von Famagosta gegen 75.000 Mann verloren haben.
Seit dem Vertrag vom 4. Juni 1878 steht Cypern unter englischer Ver- waltung.
In diesem Vertrage verpflichten sich die Engländer, den Sultan in der Ver- theidigung seiner asiatischen Länder gegen Russland zu unterstützen. Als Basis für ihre militärischen Bewegungen tritt ihnen der Sultan die Insel Cypern ab; nur wenn er von Russland die Festung Kars zurückerhält, müssen sie Cypern räumen. Auch muss England aus den Einnahmen der Insel jährlich eine bestimmte Summe an die hohe Pforte zahlen.
England hat in Cypern einen neuen Stützpunkt auf seiner Route nach Indien gewonnen, es beherrscht mit Cypern den Weg durch Syrien und den durch den Suez-Canal. Nur scheint es gegenwärtig, wo seine Beamten und Soldaten Egypten wirksam controliren, auf Cypern weniger Gewicht zu legen.
Ein werthvoller Besitz ist Cypern nicht. In den Gräbern der heutigen Bewohner wird ein künftiger Cesnola nicht einmal vereinzelt solche wunderbare Schmucksachen aus Gold finden, von denen die grösste Sammlung das Metropolitan-Museum in New-York ver- wahrt.
Die Berge sind entwaldet, die Ebenen versumpft, die Häfen ver- schlammt. Heuschreckenschwärme vernichten die Ernten und bis heute haben die Massregeln der Engländer, welche die gesammelten Eier der Heuschrecken massenhaft um gutes Geld aufkaufen und ver- nichten, noch keinen besonderen Erfolg. Aber der Einfluss ihrer Strassenbauten spiegelt sich wieder in der Steigerung des Handels- und des Postverkehres. Die Insel zählt 200.000 Einwohner, meist Griechen.
Larnaka und Limasol, die wichtigsten Häfen der Insel, liegen beide auf der Südseite. Larnaka (7833 Einwohner) im Südosten ist wichtiger und wird von dem österreichisch-ungarischen Lloyd und den Messageries maritimes angelaufen. Das durchaus nüchterne Städtchen liegt etwa einen halben Kilometer von der Küste entfernt und besitzt nur eine Rhede, die keine Vorkehrungen für den Handels- verkehr aufweist.
Die Hauptartikel der Ausfuhr sind gemeine Weine (1888 50.000 q), Com- manderiewein (5000 q) und Trauben, von Alters her berühmt, aber erst durch die Engländer wieder auf den Weltmarkt eingeführt.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 29
Rhodos.
Entfaltung sich begeistert, so gab auch die Belagerung und der Fall von Fama- gosta leuchtende Beispiele von Seelengrösse, die das schwache Geschlecht erfüllte.
Die Türken beabsichtigten nämlich, die schönsten Mädchen der unglück- lichen Stadt in die Sclaverei des Harems zu schleppen. Doch die über ein solches Schicksal entsetzten Opfer sprengten die Pulverkammer des Schiffes, das sie ent- führte, in die Luft und starben den Heldentod. Es wird berichtet, dass die Türken während der Belagerung von Famagosta gegen 75.000 Mann verloren haben.
Seit dem Vertrag vom 4. Juni 1878 steht Cypern unter englischer Ver- waltung.
In diesem Vertrage verpflichten sich die Engländer, den Sultan in der Ver- theidigung seiner asiatischen Länder gegen Russland zu unterstützen. Als Basis für ihre militärischen Bewegungen tritt ihnen der Sultan die Insel Cypern ab; nur wenn er von Russland die Festung Kars zurückerhält, müssen sie Cypern räumen. Auch muss England aus den Einnahmen der Insel jährlich eine bestimmte Summe an die hohe Pforte zahlen.
England hat in Cypern einen neuen Stützpunkt auf seiner Route nach Indien gewonnen, es beherrscht mit Cypern den Weg durch Syrien und den durch den Suez-Canal. Nur scheint es gegenwärtig, wo seine Beamten und Soldaten Egypten wirksam controliren, auf Cypern weniger Gewicht zu legen.
Ein werthvoller Besitz ist Cypern nicht. In den Gräbern der heutigen Bewohner wird ein künftiger Cesnola nicht einmal vereinzelt solche wunderbare Schmucksachen aus Gold finden, von denen die grösste Sammlung das Metropolitan-Museum in New-York ver- wahrt.
Die Berge sind entwaldet, die Ebenen versumpft, die Häfen ver- schlammt. Heuschreckenschwärme vernichten die Ernten und bis heute haben die Massregeln der Engländer, welche die gesammelten Eier der Heuschrecken massenhaft um gutes Geld aufkaufen und ver- nichten, noch keinen besonderen Erfolg. Aber der Einfluss ihrer Strassenbauten spiegelt sich wieder in der Steigerung des Handels- und des Postverkehres. Die Insel zählt 200.000 Einwohner, meist Griechen.
Larnaka und Limasol, die wichtigsten Häfen der Insel, liegen beide auf der Südseite. Larnaka (7833 Einwohner) im Südosten ist wichtiger und wird von dem österreichisch-ungarischen Lloyd und den Messageries maritimes angelaufen. Das durchaus nüchterne Städtchen liegt etwa einen halben Kilometer von der Küste entfernt und besitzt nur eine Rhede, die keine Vorkehrungen für den Handels- verkehr aufweist.
Die Hauptartikel der Ausfuhr sind gemeine Weine (1888 50.000 q), Com- manderiewein (5000 q) und Trauben, von Alters her berühmt, aber erst durch die Engländer wieder auf den Weltmarkt eingeführt.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 29
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Entfaltung sich begeistert, so gab auch die Belagerung und der Fall von Fama-
gosta leuchtende Beispiele von Seelengrösse, die das schwache Geschlecht erfüllte.
Die Türken beabsichtigten nämlich, die schönsten Mädchen der unglück-
lichen Stadt in die Sclaverei des Harems zu schleppen. Doch die über ein solches
Schicksal entsetzten Opfer sprengten die Pulverkammer des Schiffes, das sie ent-
führte, in die Luft und starben den Heldentod. Es wird berichtet, dass die Türken
während der Belagerung von Famagosta gegen 75.000 Mann verloren haben.
Seit dem Vertrag vom 4. Juni 1878 steht Cypern unter englischer Ver-
waltung.
In diesem Vertrage verpflichten sich die Engländer, den Sultan in der Ver-
theidigung seiner asiatischen Länder gegen Russland zu unterstützen. Als Basis
für ihre militärischen Bewegungen tritt ihnen der Sultan die Insel Cypern ab;
nur wenn er von Russland die Festung Kars zurückerhält, müssen sie Cypern
räumen. Auch muss England aus den Einnahmen der Insel jährlich eine bestimmte
Summe an die hohe Pforte zahlen.
England hat in Cypern einen neuen Stützpunkt auf seiner Route
nach Indien gewonnen, es beherrscht mit Cypern den Weg durch
Syrien und den durch den Suez-Canal. Nur scheint es gegenwärtig,
wo seine Beamten und Soldaten Egypten wirksam controliren, auf
Cypern weniger Gewicht zu legen.
Ein werthvoller Besitz ist Cypern nicht. In den Gräbern der
heutigen Bewohner wird ein künftiger Cesnola nicht einmal vereinzelt
solche wunderbare Schmucksachen aus Gold finden, von denen
die grösste Sammlung das Metropolitan-Museum in New-York ver-
wahrt.
Die Berge sind entwaldet, die Ebenen versumpft, die Häfen ver-
schlammt. Heuschreckenschwärme vernichten die Ernten und bis
heute haben die Massregeln der Engländer, welche die gesammelten
Eier der Heuschrecken massenhaft um gutes Geld aufkaufen und ver-
nichten, noch keinen besonderen Erfolg. Aber der Einfluss ihrer
Strassenbauten spiegelt sich wieder in der Steigerung des Handels-
und des Postverkehres. Die Insel zählt 200.000 Einwohner, meist
Griechen.
Larnaka und Limasol, die wichtigsten Häfen der Insel, liegen
beide auf der Südseite. Larnaka (7833 Einwohner) im Südosten ist
wichtiger und wird von dem österreichisch-ungarischen Lloyd und
den Messageries maritimes angelaufen. Das durchaus nüchterne
Städtchen liegt etwa einen halben Kilometer von der Küste entfernt
und besitzt nur eine Rhede, die keine Vorkehrungen für den Handels-
verkehr aufweist.
Die Hauptartikel der Ausfuhr sind gemeine Weine (1888 50.000 q), Com-
manderiewein (5000 q) und Trauben, von Alters her berühmt, aber erst durch die
Engländer wieder auf den Weltmarkt eingeführt.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 29
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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