Nicht so sehr der gegenwärtigen Handelsbedeutung halber, als vielmehr wegen seiner einstigen Seemächtigkeit und der wichtigen Rolle, die ihm in der Culturgeschichte zugefallen, darf Rhodos in die Reihe der vorliegenden Schilderungen einbezogen werden.
Die unermüdlich thätigen Phönikier gründeten hier eine Colonie, die sich länger hielt als die auf den anderen Inseln des Aegäischen Meeres. Aber erst dorische Einwanderer brachten Rhodos zu Glanz und Macht empor, und dieses ward ebenso gross und reich durch seine Industrie, seinen Seehandel, wie mächtig durch seine Kriegsflotte, die in den Kämpfen des Alterthums wiederholt entschieden aufge- treten war.
Kunst und Wissenschaft hatten in Rhodos seit jeher eine sichere Pflege- stätte gefunden.
Bekannt ist, dass die von dem Athener Aeschines (400 v. Chr.) hier ge- gründete Rednerschule, die auch der redegewandte Cicero besuchte, noch zur Zeit des Cäsar blühte. Von der Meisterschaft, zu welcher die bildende Kunst ge- diehen war, gibt die bewunderungswürdige Laokoon-Gruppe im Vatican ein beredtes Zeugniss; ihre Bildner waren Rhodiser.
Die berühmte Erzstatue des Sonnengottes (der Koloss von Rhodos), die 227 v. Chr. ein Erdbeben zertrümmerte, war 105 römische Fuss hoch. Nur starke Männer konnten die Daumen des Kolosses von Rhodus umfassen.
Von 227--168 v. Chr. ist die Zeit des höchsten Glanzes von Rhodus; jäh stürzt es durch die Macht Roms von seiner Höhe und spielt dann nur auf gei stigem Gebiete eine bedeutende Rolle.
Während der ersten christlichen Jahrhunderte verfiel, wie nahezu in allen Gebieten des römischen Reiches und jenen seiner Erben, auch die Cultur der Insel- bewohner immer mehr, und erst als 1309 die Johanniter Rhodus eroberten, kehrte für zwei Jahrhunderte wieder Glanz, Reichthum und edle Gesittung dahin zurück.
Der Halbmond trat aber das Erbe der heldenmüthigen Ritterschaft an. Das vorgeschobene Bollwerk der Christenheit kam in seine Gewalt, und an derselben Stelle, wo die Begeisterung des innigsten Christenglaubens zu den opferfreudigsten Thaten drängte, gewann der Islam -- sein erbitterster Gegner -- festen Fuss. Rhodos wurde für den Mohammedaner ein heiliger Ort; seine weisen oder auch fanatischen Derwische waren berühmt, und manche derselben standen selbst im Geruche der Heiligkeit.
Rhodos.
Nicht so sehr der gegenwärtigen Handelsbedeutung halber, als vielmehr wegen seiner einstigen Seemächtigkeit und der wichtigen Rolle, die ihm in der Culturgeschichte zugefallen, darf Rhodos in die Reihe der vorliegenden Schilderungen einbezogen werden.
Die unermüdlich thätigen Phönikier gründeten hier eine Colonie, die sich länger hielt als die auf den anderen Inseln des Aegäischen Meeres. Aber erst dorische Einwanderer brachten Rhodos zu Glanz und Macht empor, und dieses ward ebenso gross und reich durch seine Industrie, seinen Seehandel, wie mächtig durch seine Kriegsflotte, die in den Kämpfen des Alterthums wiederholt entschieden aufge- treten war.
Kunst und Wissenschaft hatten in Rhodos seit jeher eine sichere Pflege- stätte gefunden.
Bekannt ist, dass die von dem Athener Aeschines (400 v. Chr.) hier ge- gründete Rednerschule, die auch der redegewandte Cicero besuchte, noch zur Zeit des Cäsar blühte. Von der Meisterschaft, zu welcher die bildende Kunst ge- diehen war, gibt die bewunderungswürdige Laokoon-Gruppe im Vatican ein beredtes Zeugniss; ihre Bildner waren Rhodiser.
Die berühmte Erzstatue des Sonnengottes (der Koloss von Rhodos), die 227 v. Chr. ein Erdbeben zertrümmerte, war 105 römische Fuss hoch. Nur starke Männer konnten die Daumen des Kolosses von Rhodus umfassen.
Von 227—168 v. Chr. ist die Zeit des höchsten Glanzes von Rhodus; jäh stürzt es durch die Macht Roms von seiner Höhe und spielt dann nur auf gei stigem Gebiete eine bedeutende Rolle.
Während der ersten christlichen Jahrhunderte verfiel, wie nahezu in allen Gebieten des römischen Reiches und jenen seiner Erben, auch die Cultur der Insel- bewohner immer mehr, und erst als 1309 die Johanniter Rhodus eroberten, kehrte für zwei Jahrhunderte wieder Glanz, Reichthum und edle Gesittung dahin zurück.
Der Halbmond trat aber das Erbe der heldenmüthigen Ritterschaft an. Das vorgeschobene Bollwerk der Christenheit kam in seine Gewalt, und an derselben Stelle, wo die Begeisterung des innigsten Christenglaubens zu den opferfreudigsten Thaten drängte, gewann der Islam — sein erbitterster Gegner — festen Fuss. Rhodos wurde für den Mohammedaner ein heiliger Ort; seine weisen oder auch fanatischen Derwische waren berühmt, und manche derselben standen selbst im Geruche der Heiligkeit.
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Rhodos.
Nicht so sehr der gegenwärtigen Handelsbedeutung halber, als
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Reihe der vorliegenden Schilderungen einbezogen werden.
Die unermüdlich thätigen Phönikier gründeten hier eine Colonie, die sich
länger hielt als die auf den anderen Inseln des Aegäischen Meeres. Aber erst
dorische Einwanderer brachten Rhodos zu Glanz und Macht empor, und dieses ward
ebenso gross und reich durch seine Industrie, seinen Seehandel, wie mächtig durch
seine Kriegsflotte, die in den Kämpfen des Alterthums wiederholt entschieden aufge-
treten war.
Kunst und Wissenschaft hatten in Rhodos seit jeher eine sichere Pflege-
stätte gefunden.
Bekannt ist, dass die von dem Athener Aeschines (400 v. Chr.) hier ge-
gründete Rednerschule, die auch der redegewandte Cicero besuchte, noch zur Zeit
des Cäsar blühte. Von der Meisterschaft, zu welcher die bildende Kunst ge-
diehen war, gibt die bewunderungswürdige Laokoon-Gruppe im Vatican ein beredtes
Zeugniss; ihre Bildner waren Rhodiser.
Die berühmte Erzstatue des Sonnengottes (der Koloss von Rhodos), die
227 v. Chr. ein Erdbeben zertrümmerte, war 105 römische Fuss hoch. Nur starke
Männer konnten die Daumen des Kolosses von Rhodus umfassen.
Von 227—168 v. Chr. ist die Zeit des höchsten Glanzes von Rhodus; jäh
stürzt es durch die Macht Roms von seiner Höhe und spielt dann nur auf gei
stigem Gebiete eine bedeutende Rolle.
Während der ersten christlichen Jahrhunderte verfiel, wie nahezu in allen
Gebieten des römischen Reiches und jenen seiner Erben, auch die Cultur der Insel-
bewohner immer mehr, und erst als 1309 die Johanniter Rhodus eroberten, kehrte
für zwei Jahrhunderte wieder Glanz, Reichthum und edle Gesittung dahin zurück.
Der Halbmond trat aber das Erbe der heldenmüthigen Ritterschaft an. Das
vorgeschobene Bollwerk der Christenheit kam in seine Gewalt, und an derselben
Stelle, wo die Begeisterung des innigsten Christenglaubens zu den opferfreudigsten
Thaten drängte, gewann der Islam — sein erbitterster Gegner — festen Fuss.
Rhodos wurde für den Mohammedaner ein heiliger Ort; seine weisen oder auch
fanatischen Derwische waren berühmt, und manche derselben standen selbst im
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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