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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Smyrna.
Plan zeigt, weitgestreckt zu Füssen des 202 m hohen Berges Pagos
(Pagus), den die Ruinen des alten genuesischen Kastells, der einstigen
Akropolis, krönen. Im Osten der Stadt, hart an den steilen Abhängen
des Pagos vorbei, rieselt das meist wasserarme Flüsschen Meles dem
Meere zu. An seinen Ufern sollen Homer's unsterbliche Gesänge ent-
standen sein, denn Smyrna gilt als die Geburtsstadt und Heimat
des Dichters. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das damalige
Smyrna ungefähr vier Kilometer nordöstlich der heutigen Stadt an
der östlichsten Einbuchtung des Golfes lag. Die dort aufgefundenen
Ruinen eines Felsenschlosses werden als die Ueberreste der Akro-
polis von Alt-Smyrna gedeutet.

Auch die uralten Gräberanlagen in der Nähe von Burnabat
scheinen diese Annahme zu bestätigen. Die bedeutendste derselben,
welche deutliche Spuren der den ältesten griechischen Grabgemächern
eigenthümlichen spitzbogigen Gewölbe zeigt, gilt als das Grab-
mal des lydischen Königs Tantalos, dessen Gestalt in der griechischen
Mythologie Aufnahme gefunden hat und uns durch Homer geistig über-
liefert wurde.

Die Gründung von Alt-Smyrna verliert sich in mythische Zeiten, doch wird
sie den Aeolern aus Kyme (am Golf von Eläa gelegen) unter Theseus zugeschrieben.
Die älteste Geschichte weist der Stadt keine besonders hervorragende Rolle an.
Neben der Handelsthätigkeit der Phönikier und dem regen Schaffen der Schwester-
städte Milet und Phokäa konnte das von den Lydiern angefeindete Smyrna als
Seehandelsplatz zu keiner Geltung gelangen und verblieb grossentheils auf den
Verkehr mit dem Binnenlande angewiesen.

Die Stadt hatte sich zwar dem Aeolischen Bunde angeschlossen, fiel aber
688 v. Chr. durch Verrath in die Gewalt der Ionier, deren 13. Bundesstadt sie nun
wurde. Allein ohne nachhaltige Unterstützung der Verbündeten erlag sie im Jahre
627 dem lydischen Könige Alyates (616 bis 560 v. Chr.), der ihre Mauern schleifen
und die Bevölkerung in offene Ansiedlungen zerstreuen liess.

Jahrhunderte lang währte dieser Zustand. Nach der Zertrümmerung des
persischen Reiches soll Alexander der Grosse, in den Besitz Kleinasiens gelangt,
den Befehl zum Wiederaufbau Smyrnas ertheilt haben, allein dessen frühzeitiger
Tod verzögerte die Ausführung des Planes. Erst Antigonos, der einäugige Feldherr
Alexander's, dem die Verwaltung Lykiens zugefallen war, baute Smyrna an der
Stelle auf, wo es heute sich befindet. Nach dessen Tode, 301 v. Chr., führte
Lysimachus, der auch die Akropolis am Berge Pagos erbaute, das Werk zu Ende.
Die Stadt blühte rasch zu einem der schönsten und wohlhabendsten Plätze Klein-
asiens auf; ihr Handel nahm einen lebhaften Aufschwung. -- Die römische Herr-
schaft brachte keine Veränderung in die beneidenswerthen Verhältnisse, nur ein
starkes Erdbeben verursachte 178 n. Chr. bedeutende Zerstörungen, die Marc Aurel
(161 bis 180 n. Chr.) wieder beheben liess. Auch die Theilung des römischen
Reiches beeinträchtigte keineswegs das Wohl der Stadt. Erst die späteren Schick-
sale des oströmischen Reiches griffen, nachdem Ephesos den politischen Schlägen

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Smyrna.
Plan zeigt, weitgestreckt zu Füssen des 202 m hohen Berges Pagos
(Pagus), den die Ruinen des alten genuesischen Kastells, der einstigen
Akropolis, krönen. Im Osten der Stadt, hart an den steilen Abhängen
des Pagos vorbei, rieselt das meist wasserarme Flüsschen Meles dem
Meere zu. An seinen Ufern sollen Homer’s unsterbliche Gesänge ent-
standen sein, denn Smyrna gilt als die Geburtsstadt und Heimat
des Dichters. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das damalige
Smyrna ungefähr vier Kilometer nordöstlich der heutigen Stadt an
der östlichsten Einbuchtung des Golfes lag. Die dort aufgefundenen
Ruinen eines Felsenschlosses werden als die Ueberreste der Akro-
polis von Alt-Smyrna gedeutet.

Auch die uralten Gräberanlagen in der Nähe von Burnabat
scheinen diese Annahme zu bestätigen. Die bedeutendste derselben,
welche deutliche Spuren der den ältesten griechischen Grabgemächern
eigenthümlichen spitzbogigen Gewölbe zeigt, gilt als das Grab-
mal des lydischen Königs Tantalos, dessen Gestalt in der griechischen
Mythologie Aufnahme gefunden hat und uns durch Homer geistig über-
liefert wurde.

Die Gründung von Alt-Smyrna verliert sich in mythische Zeiten, doch wird
sie den Aeolern aus Kyme (am Golf von Eläa gelegen) unter Theseus zugeschrieben.
Die älteste Geschichte weist der Stadt keine besonders hervorragende Rolle an.
Neben der Handelsthätigkeit der Phönikier und dem regen Schaffen der Schwester-
städte Milet und Phokäa konnte das von den Lydiern angefeindete Smyrna als
Seehandelsplatz zu keiner Geltung gelangen und verblieb grossentheils auf den
Verkehr mit dem Binnenlande angewiesen.

Die Stadt hatte sich zwar dem Aeolischen Bunde angeschlossen, fiel aber
688 v. Chr. durch Verrath in die Gewalt der Ionier, deren 13. Bundesstadt sie nun
wurde. Allein ohne nachhaltige Unterstützung der Verbündeten erlag sie im Jahre
627 dem lydischen Könige Alyates (616 bis 560 v. Chr.), der ihre Mauern schleifen
und die Bevölkerung in offene Ansiedlungen zerstreuen liess.

Jahrhunderte lang währte dieser Zustand. Nach der Zertrümmerung des
persischen Reiches soll Alexander der Grosse, in den Besitz Kleinasiens gelangt,
den Befehl zum Wiederaufbau Smyrnas ertheilt haben, allein dessen frühzeitiger
Tod verzögerte die Ausführung des Planes. Erst Antigonos, der einäugige Feldherr
Alexander’s, dem die Verwaltung Lykiens zugefallen war, baute Smyrna an der
Stelle auf, wo es heute sich befindet. Nach dessen Tode, 301 v. Chr., führte
Lysimachus, der auch die Akropolis am Berge Pagos erbaute, das Werk zu Ende.
Die Stadt blühte rasch zu einem der schönsten und wohlhabendsten Plätze Klein-
asiens auf; ihr Handel nahm einen lebhaften Aufschwung. — Die römische Herr-
schaft brachte keine Veränderung in die beneidenswerthen Verhältnisse, nur ein
starkes Erdbeben verursachte 178 n. Chr. bedeutende Zerstörungen, die Marc Aurel
(161 bis 180 n. Chr.) wieder beheben liess. Auch die Theilung des römischen
Reiches beeinträchtigte keineswegs das Wohl der Stadt. Erst die späteren Schick-
sale des oströmischen Reiches griffen, nachdem Ephesos den politischen Schlägen

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[203/0223] Smyrna. Plan zeigt, weitgestreckt zu Füssen des 202 m hohen Berges Pagos (Pagus), den die Ruinen des alten genuesischen Kastells, der einstigen Akropolis, krönen. Im Osten der Stadt, hart an den steilen Abhängen des Pagos vorbei, rieselt das meist wasserarme Flüsschen Meles dem Meere zu. An seinen Ufern sollen Homer’s unsterbliche Gesänge ent- standen sein, denn Smyrna gilt als die Geburtsstadt und Heimat des Dichters. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das damalige Smyrna ungefähr vier Kilometer nordöstlich der heutigen Stadt an der östlichsten Einbuchtung des Golfes lag. Die dort aufgefundenen Ruinen eines Felsenschlosses werden als die Ueberreste der Akro- polis von Alt-Smyrna gedeutet. Auch die uralten Gräberanlagen in der Nähe von Burnabat scheinen diese Annahme zu bestätigen. Die bedeutendste derselben, welche deutliche Spuren der den ältesten griechischen Grabgemächern eigenthümlichen spitzbogigen Gewölbe zeigt, gilt als das Grab- mal des lydischen Königs Tantalos, dessen Gestalt in der griechischen Mythologie Aufnahme gefunden hat und uns durch Homer geistig über- liefert wurde. Die Gründung von Alt-Smyrna verliert sich in mythische Zeiten, doch wird sie den Aeolern aus Kyme (am Golf von Eläa gelegen) unter Theseus zugeschrieben. Die älteste Geschichte weist der Stadt keine besonders hervorragende Rolle an. Neben der Handelsthätigkeit der Phönikier und dem regen Schaffen der Schwester- städte Milet und Phokäa konnte das von den Lydiern angefeindete Smyrna als Seehandelsplatz zu keiner Geltung gelangen und verblieb grossentheils auf den Verkehr mit dem Binnenlande angewiesen. Die Stadt hatte sich zwar dem Aeolischen Bunde angeschlossen, fiel aber 688 v. Chr. durch Verrath in die Gewalt der Ionier, deren 13. Bundesstadt sie nun wurde. Allein ohne nachhaltige Unterstützung der Verbündeten erlag sie im Jahre 627 dem lydischen Könige Alyates (616 bis 560 v. Chr.), der ihre Mauern schleifen und die Bevölkerung in offene Ansiedlungen zerstreuen liess. Jahrhunderte lang währte dieser Zustand. Nach der Zertrümmerung des persischen Reiches soll Alexander der Grosse, in den Besitz Kleinasiens gelangt, den Befehl zum Wiederaufbau Smyrnas ertheilt haben, allein dessen frühzeitiger Tod verzögerte die Ausführung des Planes. Erst Antigonos, der einäugige Feldherr Alexander’s, dem die Verwaltung Lykiens zugefallen war, baute Smyrna an der Stelle auf, wo es heute sich befindet. Nach dessen Tode, 301 v. Chr., führte Lysimachus, der auch die Akropolis am Berge Pagos erbaute, das Werk zu Ende. Die Stadt blühte rasch zu einem der schönsten und wohlhabendsten Plätze Klein- asiens auf; ihr Handel nahm einen lebhaften Aufschwung. — Die römische Herr- schaft brachte keine Veränderung in die beneidenswerthen Verhältnisse, nur ein starkes Erdbeben verursachte 178 n. Chr. bedeutende Zerstörungen, die Marc Aurel (161 bis 180 n. Chr.) wieder beheben liess. Auch die Theilung des römischen Reiches beeinträchtigte keineswegs das Wohl der Stadt. Erst die späteren Schick- sale des oströmischen Reiches griffen, nachdem Ephesos den politischen Schlägen 26*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/223>, abgerufen am 29.11.2024.