Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Donauhäfen.

Galatz ist das Centrum des Einfuhrhandels an der unteren
Donau, für die auf dem Seewege eingeführten Waaren. In dieser
Beziehung steigt die Bedeutung des Platzes seit Ende 1886 unaus-
gesetzt, weil seit diesem Zeitpunkte Oesterreich-Ungarn und Rumä-
nien sich gegenseitig in einem Zollkriege befinden. Die Waaren aus
Oesterreich-Ungarn sind den hohen Sätzen des autonomen rumä-
nischen Zolltarifes unterworfen, die Vertragsstaaten geniessen für eine
grosse Reihe von Artikeln den Vortheil von Zollsätzen, welche oft
um ein sehr Bedeutendes niedriger sind als die autonomen. Daher
treten jetzt häufig Waaren aus Deutschland, Belgien, Frankreich,
England, Italien und Holland, welchen der Seeweg zur Verfügung
steht, dann auch aus der Schweitz an die Stelle solcher aus Oesterreich-
Ungarn, welche meist mit der Bahn über Verciorova, Predeal oder
Itzkany kamen und bis Ende 1886 den rumänischen Markt beherrscht
hatten. Auch die Frachtverhältnisse, welche beispielsweise billigere
Sätze von Antwerpen nach Galatz als von Wien nach Galatz auf-
weisen, wirken dahin, dass besonders für voluminösere Waarengattungen
der hiesige Hafen gegen das westliche und nördliche Rumänien im
Consum der Provenienzen aus Oesterreich-Ungarn zurückstehen muss
und dass diese Waaren aus Westeuropa bezogen werden.

Im Exporthandel, der zumeist Cerealien umfasst, steht Galatz weit
zurück gegen das an der Donau weiter oben gelegene Braila, indem von diesem
Hafen ungefähr viermal soviel Cerealien zur Ausfuhr kommen wie von Galatz.
Wegen der ungünstigen Eisenbahnverbindung über Barbosi hat Galatz allmälig
den grössten Theil seiner alten Bedeutung an Braila verloren. Auch Odessa con-
currirt mit Galatz; die Zufuhren aus der oberen Moldau wenden sich alle dem
russischen Hafen zu. Dieses Handelsgebiet wird aber durch Eisenbahnen, deren
Bau von der rumänischen Regierung betrieben wird, in Zukunft dem Einflusse von
Galatz zufallen. Die älteren Eisenbahnen der Moldau, welche die Bukowina mit
Galatz verbinden, gehen in ziemlicher Nähe von den Grenzen Siebenbürgens. Das
dicht bevölkerte, mit Naturschätzen gesegnete und gut cultivirte Gebiet auf der
Seite gegen Russland wurde nur in seinem nördlichen Theile von einer Eisen-
bahnlinie durchzogen, welche von Pascany über Jassy und den Grenzort Critesti
nach Odessa geht. Eine Eisenbahnverbindung von Galatz nach dem genau im
Norden gelegenen Berlad würde Galatz gegen Braila begünstigen, nachdem die
Fortsetzung derselben, die Linie Berlad-Vaslui-Jassy, Galatz in directe Verbindung
mit der untern und obern Moldau setzen würde. Auch der Bezirk von Dorohoiu,
der nördlichste Rumäniens, ist durch einen Flügel, der seinen Hauptort mit Lewida
an der Bahn Czernowitz-Jassy verbindet, dem Verkehre erschlossen. Für Rumänien
und Galatz ist aber viel wichtiger die bereits concessionirte Bahn von Jassy durch
das Thal der Jijia nach Dorohoiu; denn dann ist der Verkehr der östlichen Moldau
dauernd an Rumänien gefesselt. Die von Oesterreich-Ungarn, Russland und Rumä-
nien beschlossene Fortsetzung der Regulirung des Pruth bis in die Nähe der öster-
reichischen Grenze wird auch viel zur Belebung des Handels von Galatz beitragen.


20*
Die Donauhäfen.

Galatz ist das Centrum des Einfuhrhandels an der unteren
Donau, für die auf dem Seewege eingeführten Waaren. In dieser
Beziehung steigt die Bedeutung des Platzes seit Ende 1886 unaus-
gesetzt, weil seit diesem Zeitpunkte Oesterreich-Ungarn und Rumä-
nien sich gegenseitig in einem Zollkriege befinden. Die Waaren aus
Oesterreich-Ungarn sind den hohen Sätzen des autonomen rumä-
nischen Zolltarifes unterworfen, die Vertragsstaaten geniessen für eine
grosse Reihe von Artikeln den Vortheil von Zollsätzen, welche oft
um ein sehr Bedeutendes niedriger sind als die autonomen. Daher
treten jetzt häufig Waaren aus Deutschland, Belgien, Frankreich,
England, Italien und Holland, welchen der Seeweg zur Verfügung
steht, dann auch aus der Schweitz an die Stelle solcher aus Oesterreich-
Ungarn, welche meist mit der Bahn über Verciorova, Predeal oder
Itzkany kamen und bis Ende 1886 den rumänischen Markt beherrscht
hatten. Auch die Frachtverhältnisse, welche beispielsweise billigere
Sätze von Antwerpen nach Galatz als von Wien nach Galatz auf-
weisen, wirken dahin, dass besonders für voluminösere Waarengattungen
der hiesige Hafen gegen das westliche und nördliche Rumänien im
Consum der Provenienzen aus Oesterreich-Ungarn zurückstehen muss
und dass diese Waaren aus Westeuropa bezogen werden.

Im Exporthandel, der zumeist Cerealien umfasst, steht Galatz weit
zurück gegen das an der Donau weiter oben gelegene Braila, indem von diesem
Hafen ungefähr viermal soviel Cerealien zur Ausfuhr kommen wie von Galatz.
Wegen der ungünstigen Eisenbahnverbindung über Barbosi hat Galatz allmälig
den grössten Theil seiner alten Bedeutung an Braila verloren. Auch Odessa con-
currirt mit Galatz; die Zufuhren aus der oberen Moldau wenden sich alle dem
russischen Hafen zu. Dieses Handelsgebiet wird aber durch Eisenbahnen, deren
Bau von der rumänischen Regierung betrieben wird, in Zukunft dem Einflusse von
Galatz zufallen. Die älteren Eisenbahnen der Moldau, welche die Bukowina mit
Galatz verbinden, gehen in ziemlicher Nähe von den Grenzen Siebenbürgens. Das
dicht bevölkerte, mit Naturschätzen gesegnete und gut cultivirte Gebiet auf der
Seite gegen Russland wurde nur in seinem nördlichen Theile von einer Eisen-
bahnlinie durchzogen, welche von Pascany über Jassy und den Grenzort Critesti
nach Odessa geht. Eine Eisenbahnverbindung von Galatz nach dem genau im
Norden gelegenen Berlad würde Galatz gegen Braila begünstigen, nachdem die
Fortsetzung derselben, die Linie Berlad-Vaslui-Jassy, Galatz in directe Verbindung
mit der untern und obern Moldau setzen würde. Auch der Bezirk von Dorohoiu,
der nördlichste Rumäniens, ist durch einen Flügel, der seinen Hauptort mit Lewida
an der Bahn Czernowitz-Jassy verbindet, dem Verkehre erschlossen. Für Rumänien
und Galatz ist aber viel wichtiger die bereits concessionirte Bahn von Jassy durch
das Thal der Jijia nach Dorohoiu; denn dann ist der Verkehr der östlichen Moldau
dauernd an Rumänien gefesselt. Die von Oesterreich-Ungarn, Russland und Rumä-
nien beschlossene Fortsetzung der Regulirung des Pruth bis in die Nähe der öster-
reichischen Grenze wird auch viel zur Belebung des Handels von Galatz beitragen.


20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0175" n="155"/>
          <fw place="top" type="header">Die Donauhäfen.</fw><lb/>
          <p>Galatz ist das Centrum des Einfuhrhandels an der unteren<lb/>
Donau, für die auf dem Seewege eingeführten Waaren. In dieser<lb/>
Beziehung steigt die Bedeutung des Platzes seit Ende 1886 unaus-<lb/>
gesetzt, weil seit diesem Zeitpunkte Oesterreich-Ungarn und Rumä-<lb/>
nien sich gegenseitig in einem Zollkriege befinden. Die Waaren aus<lb/>
Oesterreich-Ungarn sind den hohen Sätzen des autonomen rumä-<lb/>
nischen Zolltarifes unterworfen, die Vertragsstaaten geniessen für eine<lb/>
grosse Reihe von Artikeln den Vortheil von Zollsätzen, welche oft<lb/>
um ein sehr Bedeutendes niedriger sind als die autonomen. Daher<lb/>
treten jetzt häufig Waaren aus Deutschland, Belgien, Frankreich,<lb/>
England, Italien und Holland, welchen der Seeweg zur Verfügung<lb/>
steht, dann auch aus der Schweitz an die Stelle solcher aus Oesterreich-<lb/>
Ungarn, welche meist mit der Bahn über Verciorova, Predeal oder<lb/>
Itzkany kamen und bis Ende 1886 den rumänischen Markt beherrscht<lb/>
hatten. Auch die Frachtverhältnisse, welche beispielsweise billigere<lb/>
Sätze von Antwerpen nach Galatz als von Wien nach Galatz auf-<lb/>
weisen, wirken dahin, dass besonders für voluminösere Waarengattungen<lb/>
der hiesige Hafen gegen das westliche und nördliche Rumänien im<lb/>
Consum der Provenienzen aus Oesterreich-Ungarn zurückstehen muss<lb/>
und dass diese Waaren aus Westeuropa bezogen werden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Im Exporthandel</hi>, der zumeist Cerealien umfasst, steht Galatz weit<lb/>
zurück gegen das an der Donau weiter oben gelegene Braila, indem von diesem<lb/>
Hafen ungefähr viermal soviel Cerealien zur Ausfuhr kommen wie von Galatz.<lb/>
Wegen der ungünstigen Eisenbahnverbindung über Barbosi hat Galatz allmälig<lb/>
den grössten Theil seiner alten Bedeutung an Braila verloren. Auch Odessa con-<lb/>
currirt mit Galatz; die Zufuhren aus der oberen Moldau wenden sich alle dem<lb/>
russischen Hafen zu. Dieses Handelsgebiet wird aber durch Eisenbahnen, deren<lb/>
Bau von der rumänischen Regierung betrieben wird, in Zukunft dem Einflusse von<lb/>
Galatz zufallen. Die älteren Eisenbahnen der Moldau, welche die Bukowina mit<lb/>
Galatz verbinden, gehen in ziemlicher Nähe von den Grenzen Siebenbürgens. Das<lb/>
dicht bevölkerte, mit Naturschätzen gesegnete und gut cultivirte Gebiet auf der<lb/>
Seite gegen Russland wurde nur in seinem nördlichen Theile von einer Eisen-<lb/>
bahnlinie durchzogen, welche von Pascany über Jassy und den Grenzort Critesti<lb/>
nach Odessa geht. Eine Eisenbahnverbindung von Galatz nach dem genau im<lb/>
Norden gelegenen Berlad würde Galatz gegen Braila begünstigen, nachdem die<lb/>
Fortsetzung derselben, die Linie Berlad-Vaslui-Jassy, Galatz in directe Verbindung<lb/>
mit der untern und obern Moldau setzen würde. Auch der Bezirk von Dorohoiu,<lb/>
der nördlichste Rumäniens, ist durch einen Flügel, der seinen Hauptort mit Lewida<lb/>
an der Bahn Czernowitz-Jassy verbindet, dem Verkehre erschlossen. Für Rumänien<lb/>
und Galatz ist aber viel wichtiger die bereits concessionirte Bahn von Jassy durch<lb/>
das Thal der Jijia nach Dorohoiu; denn dann ist der Verkehr der östlichen Moldau<lb/>
dauernd an Rumänien gefesselt. Die von Oesterreich-Ungarn, Russland und Rumä-<lb/>
nien beschlossene Fortsetzung der Regulirung des Pruth bis in die Nähe der öster-<lb/>
reichischen Grenze wird auch viel zur Belebung des Handels von Galatz beitragen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">20*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0175] Die Donauhäfen. Galatz ist das Centrum des Einfuhrhandels an der unteren Donau, für die auf dem Seewege eingeführten Waaren. In dieser Beziehung steigt die Bedeutung des Platzes seit Ende 1886 unaus- gesetzt, weil seit diesem Zeitpunkte Oesterreich-Ungarn und Rumä- nien sich gegenseitig in einem Zollkriege befinden. Die Waaren aus Oesterreich-Ungarn sind den hohen Sätzen des autonomen rumä- nischen Zolltarifes unterworfen, die Vertragsstaaten geniessen für eine grosse Reihe von Artikeln den Vortheil von Zollsätzen, welche oft um ein sehr Bedeutendes niedriger sind als die autonomen. Daher treten jetzt häufig Waaren aus Deutschland, Belgien, Frankreich, England, Italien und Holland, welchen der Seeweg zur Verfügung steht, dann auch aus der Schweitz an die Stelle solcher aus Oesterreich- Ungarn, welche meist mit der Bahn über Verciorova, Predeal oder Itzkany kamen und bis Ende 1886 den rumänischen Markt beherrscht hatten. Auch die Frachtverhältnisse, welche beispielsweise billigere Sätze von Antwerpen nach Galatz als von Wien nach Galatz auf- weisen, wirken dahin, dass besonders für voluminösere Waarengattungen der hiesige Hafen gegen das westliche und nördliche Rumänien im Consum der Provenienzen aus Oesterreich-Ungarn zurückstehen muss und dass diese Waaren aus Westeuropa bezogen werden. Im Exporthandel, der zumeist Cerealien umfasst, steht Galatz weit zurück gegen das an der Donau weiter oben gelegene Braila, indem von diesem Hafen ungefähr viermal soviel Cerealien zur Ausfuhr kommen wie von Galatz. Wegen der ungünstigen Eisenbahnverbindung über Barbosi hat Galatz allmälig den grössten Theil seiner alten Bedeutung an Braila verloren. Auch Odessa con- currirt mit Galatz; die Zufuhren aus der oberen Moldau wenden sich alle dem russischen Hafen zu. Dieses Handelsgebiet wird aber durch Eisenbahnen, deren Bau von der rumänischen Regierung betrieben wird, in Zukunft dem Einflusse von Galatz zufallen. Die älteren Eisenbahnen der Moldau, welche die Bukowina mit Galatz verbinden, gehen in ziemlicher Nähe von den Grenzen Siebenbürgens. Das dicht bevölkerte, mit Naturschätzen gesegnete und gut cultivirte Gebiet auf der Seite gegen Russland wurde nur in seinem nördlichen Theile von einer Eisen- bahnlinie durchzogen, welche von Pascany über Jassy und den Grenzort Critesti nach Odessa geht. Eine Eisenbahnverbindung von Galatz nach dem genau im Norden gelegenen Berlad würde Galatz gegen Braila begünstigen, nachdem die Fortsetzung derselben, die Linie Berlad-Vaslui-Jassy, Galatz in directe Verbindung mit der untern und obern Moldau setzen würde. Auch der Bezirk von Dorohoiu, der nördlichste Rumäniens, ist durch einen Flügel, der seinen Hauptort mit Lewida an der Bahn Czernowitz-Jassy verbindet, dem Verkehre erschlossen. Für Rumänien und Galatz ist aber viel wichtiger die bereits concessionirte Bahn von Jassy durch das Thal der Jijia nach Dorohoiu; denn dann ist der Verkehr der östlichen Moldau dauernd an Rumänien gefesselt. Die von Oesterreich-Ungarn, Russland und Rumä- nien beschlossene Fortsetzung der Regulirung des Pruth bis in die Nähe der öster- reichischen Grenze wird auch viel zur Belebung des Handels von Galatz beitragen. 20*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/175
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/175>, abgerufen am 02.05.2024.