Aber ebensowenig darf man vergessen, dass auch am Balkan die Geschichte des XIX. und XX. Jahrhunderts von Tag zu Tag schneller rollt, und dass auch für den Balkan die Stunde der Entscheidung nahe gerückt erscheint. Wie nun auch diese Entscheidung ausfallen möge, soviel steht fest, sie bedeutet für diese einstmals blühenden, dann lange zertretenen Länder eine Epoche neuer Blüthe.
In erster Linie scheinen für Constantinopel, diesen Welt- handelsplatz ersten Ranges, der geographischen Lage nach, Tage neuen Glanzes im fernen Osten zu dämmern, seit die europäische Politik ihr Interesse mit dem Ausbau der kleinasiatischen Bahnen verwebt hat.
Wieder wird das unverwüstliche Byzanz der Angelpunkt des Handels zweier Welttheile werden, in seinem unvergleichlichem Hafen werden die Güter der Hinterländer gegen Seefrachten aller Nationen Umtausch finden, am goldenen Bosporus in Böjük Dere und den anderen reizenden Plätzen, wo so lange Muselmanen in verschwie- genen Harems ihr eigenes und das Glück der Balkanvölker ver- träumten, werden reiche Kaufherren den wohlverdienten Lohn schwerer Arbeit geniessen, dann werden aber auch die Balkanbahnen das sein, was unsere Zeitgenossen schon jetzt von ihnen verlangten, die Schlagadern der reichen, cultivirten Balkanstaaten und die inter- nationale Verbindung zwischen Westeuropa und dem fernen Asien. Denn die verkehrschaffende und culturfördende Kraft, welche in allen Bahnen liegt, ist eine ewige nationalökonomische Wahrheit, die nur in verschiedenen Ländern verschieden lange Zeit braucht, ehe ihre Blüthen sprossen und ihre Früchte reifen.
An Constantinopel schliessen wir einige Bemerkungen über die Bedeutung des schon genannten Dedeagatsch, in dessen Hafen der von der Station Kuleli-Burgas ausgehende, 112 km lange Flügel der rumelischen Eisenbahnen endet.
Dedeagatsch ist eine Gründung der Neuzeit, 20 km westlich von der Mündung der schiffbaren Maritza ins Meer geschaffen, denn das uralte Enos, welches in dem sumpfigen Delta des Flusses liegt, gleich schwer zugänglich von der See wie vom Lande, ein Herd böser Fieber, war ungeeignet zum Endpunkte einer Eisenbahn. Dieser verdankt auch die Stadt Dedeagatsch, welche etwa 10.000 Einwohner hat, ihre Entstehung.
Leider wurde der Hafen seit seiner Errichtung im Jahre 1872 nicht mehr gereinigt und seine Wassertiefe wird von Jahr zu Jahr schlechter.
Das Mittelmeerbecken.
Aber ebensowenig darf man vergessen, dass auch am Balkan die Geschichte des XIX. und XX. Jahrhunderts von Tag zu Tag schneller rollt, und dass auch für den Balkan die Stunde der Entscheidung nahe gerückt erscheint. Wie nun auch diese Entscheidung ausfallen möge, soviel steht fest, sie bedeutet für diese einstmals blühenden, dann lange zertretenen Länder eine Epoche neuer Blüthe.
In erster Linie scheinen für Constantinopel, diesen Welt- handelsplatz ersten Ranges, der geographischen Lage nach, Tage neuen Glanzes im fernen Osten zu dämmern, seit die europäische Politik ihr Interesse mit dem Ausbau der kleinasiatischen Bahnen verwebt hat.
Wieder wird das unverwüstliche Byzanz der Angelpunkt des Handels zweier Welttheile werden, in seinem unvergleichlichem Hafen werden die Güter der Hinterländer gegen Seefrachten aller Nationen Umtausch finden, am goldenen Bosporus in Böjük Dere und den anderen reizenden Plätzen, wo so lange Muselmanen in verschwie- genen Harems ihr eigenes und das Glück der Balkanvölker ver- träumten, werden reiche Kaufherren den wohlverdienten Lohn schwerer Arbeit geniessen, dann werden aber auch die Balkanbahnen das sein, was unsere Zeitgenossen schon jetzt von ihnen verlangten, die Schlagadern der reichen, cultivirten Balkanstaaten und die inter- nationale Verbindung zwischen Westeuropa und dem fernen Asien. Denn die verkehrschaffende und culturfördende Kraft, welche in allen Bahnen liegt, ist eine ewige nationalökonomische Wahrheit, die nur in verschiedenen Ländern verschieden lange Zeit braucht, ehe ihre Blüthen sprossen und ihre Früchte reifen.
An Constantinopel schliessen wir einige Bemerkungen über die Bedeutung des schon genannten Dedeagatsch, in dessen Hafen der von der Station Kuleli-Burgas ausgehende, 112 km lange Flügel der rumelischen Eisenbahnen endet.
Dedeagatsch ist eine Gründung der Neuzeit, 20 km westlich von der Mündung der schiffbaren Maritza ins Meer geschaffen, denn das uralte Enos, welches in dem sumpfigen Delta des Flusses liegt, gleich schwer zugänglich von der See wie vom Lande, ein Herd böser Fieber, war ungeeignet zum Endpunkte einer Eisenbahn. Dieser verdankt auch die Stadt Dedeagatsch, welche etwa 10.000 Einwohner hat, ihre Entstehung.
Leider wurde der Hafen seit seiner Errichtung im Jahre 1872 nicht mehr gereinigt und seine Wassertiefe wird von Jahr zu Jahr schlechter.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0154"n="134"/><fwplace="top"type="header">Das Mittelmeerbecken.</fw><lb/><p>Aber ebensowenig darf man vergessen, dass auch am Balkan die<lb/>
Geschichte des XIX. und XX. Jahrhunderts von Tag zu Tag schneller<lb/>
rollt, und dass auch für den Balkan die Stunde der Entscheidung<lb/>
nahe gerückt erscheint. Wie nun auch diese Entscheidung ausfallen<lb/>
möge, soviel steht fest, sie bedeutet für diese einstmals blühenden,<lb/>
dann lange zertretenen Länder eine Epoche neuer Blüthe.</p><lb/><p>In erster Linie scheinen für <hirendition="#g">Constantinopel</hi>, diesen Welt-<lb/>
handelsplatz ersten Ranges, der geographischen Lage nach, Tage neuen<lb/>
Glanzes im fernen Osten zu dämmern, seit die europäische Politik ihr<lb/>
Interesse mit dem Ausbau der kleinasiatischen Bahnen verwebt hat.</p><lb/><p>Wieder wird das unverwüstliche Byzanz der Angelpunkt des<lb/>
Handels zweier Welttheile werden, in seinem unvergleichlichem Hafen<lb/>
werden die Güter der Hinterländer gegen Seefrachten aller Nationen<lb/>
Umtausch finden, am goldenen Bosporus in Böjük Dere und den<lb/>
anderen reizenden Plätzen, wo so lange Muselmanen in verschwie-<lb/>
genen Harems ihr eigenes und das Glück der Balkanvölker ver-<lb/>
träumten, werden reiche Kaufherren den wohlverdienten Lohn schwerer<lb/>
Arbeit geniessen, dann werden aber auch die Balkanbahnen das<lb/>
sein, was unsere Zeitgenossen schon jetzt von ihnen verlangten, die<lb/>
Schlagadern der reichen, cultivirten Balkanstaaten und die inter-<lb/>
nationale Verbindung zwischen Westeuropa und dem fernen Asien.<lb/>
Denn die verkehrschaffende und culturfördende Kraft, welche in allen<lb/>
Bahnen liegt, ist eine ewige nationalökonomische Wahrheit, die nur<lb/>
in verschiedenen Ländern verschieden lange Zeit braucht, ehe ihre<lb/>
Blüthen sprossen und ihre Früchte reifen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>An Constantinopel schliessen wir einige Bemerkungen über die<lb/>
Bedeutung des schon genannten <hirendition="#g">Dedeagatsch</hi>, in dessen Hafen der<lb/>
von der Station Kuleli-Burgas ausgehende, 112 <hirendition="#i">km</hi> lange Flügel der<lb/>
rumelischen Eisenbahnen endet.</p><lb/><p>Dedeagatsch ist eine Gründung der Neuzeit, 20 <hirendition="#i">km</hi> westlich<lb/>
von der Mündung der schiffbaren Maritza ins Meer geschaffen, denn<lb/>
das uralte Enos, welches in dem sumpfigen Delta des Flusses liegt,<lb/>
gleich schwer zugänglich von der See wie vom Lande, ein Herd<lb/>
böser Fieber, war ungeeignet zum Endpunkte einer Eisenbahn. Dieser<lb/>
verdankt auch die Stadt Dedeagatsch, welche etwa 10.000 Einwohner<lb/>
hat, ihre Entstehung.</p><lb/><p>Leider wurde der Hafen seit seiner Errichtung im Jahre 1872 nicht<lb/>
mehr gereinigt und seine Wassertiefe wird von Jahr zu Jahr schlechter.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[134/0154]
Das Mittelmeerbecken.
Aber ebensowenig darf man vergessen, dass auch am Balkan die
Geschichte des XIX. und XX. Jahrhunderts von Tag zu Tag schneller
rollt, und dass auch für den Balkan die Stunde der Entscheidung
nahe gerückt erscheint. Wie nun auch diese Entscheidung ausfallen
möge, soviel steht fest, sie bedeutet für diese einstmals blühenden,
dann lange zertretenen Länder eine Epoche neuer Blüthe.
In erster Linie scheinen für Constantinopel, diesen Welt-
handelsplatz ersten Ranges, der geographischen Lage nach, Tage neuen
Glanzes im fernen Osten zu dämmern, seit die europäische Politik ihr
Interesse mit dem Ausbau der kleinasiatischen Bahnen verwebt hat.
Wieder wird das unverwüstliche Byzanz der Angelpunkt des
Handels zweier Welttheile werden, in seinem unvergleichlichem Hafen
werden die Güter der Hinterländer gegen Seefrachten aller Nationen
Umtausch finden, am goldenen Bosporus in Böjük Dere und den
anderen reizenden Plätzen, wo so lange Muselmanen in verschwie-
genen Harems ihr eigenes und das Glück der Balkanvölker ver-
träumten, werden reiche Kaufherren den wohlverdienten Lohn schwerer
Arbeit geniessen, dann werden aber auch die Balkanbahnen das
sein, was unsere Zeitgenossen schon jetzt von ihnen verlangten, die
Schlagadern der reichen, cultivirten Balkanstaaten und die inter-
nationale Verbindung zwischen Westeuropa und dem fernen Asien.
Denn die verkehrschaffende und culturfördende Kraft, welche in allen
Bahnen liegt, ist eine ewige nationalökonomische Wahrheit, die nur
in verschiedenen Ländern verschieden lange Zeit braucht, ehe ihre
Blüthen sprossen und ihre Früchte reifen.
An Constantinopel schliessen wir einige Bemerkungen über die
Bedeutung des schon genannten Dedeagatsch, in dessen Hafen der
von der Station Kuleli-Burgas ausgehende, 112 km lange Flügel der
rumelischen Eisenbahnen endet.
Dedeagatsch ist eine Gründung der Neuzeit, 20 km westlich
von der Mündung der schiffbaren Maritza ins Meer geschaffen, denn
das uralte Enos, welches in dem sumpfigen Delta des Flusses liegt,
gleich schwer zugänglich von der See wie vom Lande, ein Herd
böser Fieber, war ungeeignet zum Endpunkte einer Eisenbahn. Dieser
verdankt auch die Stadt Dedeagatsch, welche etwa 10.000 Einwohner
hat, ihre Entstehung.
Leider wurde der Hafen seit seiner Errichtung im Jahre 1872 nicht
mehr gereinigt und seine Wassertiefe wird von Jahr zu Jahr schlechter.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/154>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.