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Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.

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La nature est un temple ou de vivants piliers ple_132.002
Laissent parfois sortir de confuses paroles; ple_132.003
L'homme y passe a travers des forets de symboles ple_132.004
Qui l'observent avec des regards familiers.
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Comme de longs echos qui de loin se confondent, ple_132.006
Dans une tenebreuse et profonde unite, ple_132.007
Vaste comme la nuit et comme la clarte, ple_132.008
Les parfums, les couleurs, et les sons se repondent.1)

ple_132.009
Diese Verse Beaudelaires bezeichnen die charakteristische Grundanschauung. ple_132.010
Bisweilen wird diese Methode mit einer eigentümlichen Mischung von ple_132.011
Raffinement und Pedanterie durchgeführt; das berüchtigte Sonett Artur ple_132.012
Rimbauds über die Bedeutung der Vokale gibt eine naiv drastische Anleitung ple_132.013
dazu. Bisweilen auch gelingt es einem wirklichen Dichter wie Verlaine, ple_132.014
der übrigens keineswegs im Banne der Schule geblieben ist, ein ple_132.015
echtes Gedicht auf dieser Grundlage zu schaffen; das S. 83 angeführte ple_132.016
ist ein Beispiel davon. Im ganzen aber fehlt dieser Art von Poesie der ple_132.017
Inhalt. Jedes Sinnbild bedarf eines Sinnes, wenn es nicht, wie ein loses ple_132.018
Märchen verklingend, täuschen soll: und gerade dieser wird ihm hier versagt.2) ple_132.019
Es ist die bloße Stimmung, die hier die verschiedensten Elemente ple_132.020
zusammenhalten soll. Nichts als der Ausdruck einer solchen Stimmung ple_132.021
will das symbolistische Gedicht sein und es nähert sich auch hierin wieder ple_132.022
der Musik.

ple_132.023
Die Einseitigkeit der französischen Lyrik erklärt sich, wie gesagt, aus ple_132.024
ihrer Vorgeschichte. Dem französischen Dichter kann es, wenn er die ältere ple_132.025
Lyrik seiner Literatur betrachtet, wohl scheinen, als ob Faßlichkeit des Inhalts ple_132.026
und Bestimmtheit der Anschauung ein für allemal Kraft und Tiefe der ple_132.027
Stimmung beeinträchtigen müssen. Nicht so dem Deutschen. Ihm müssen ple_132.028
die großen Lyriker seines Volks von Goethe bis Heine, ihm müssen besonders ple_132.029
Eichendorff und Mörike, deren Formbehandlung sehr oft der der ple_132.030
modernsten Dichtung nahe kommt, gelehrt haben, daß sich Bestimmtheit ple_132.031
des Erlebnisses und der Anschauung sehr wohl mit jener Zartheit der Umrisse, ple_132.032
jener Tiefe der Stimmung, jenem musikalischen Elemente der Poesie ple_132.033
vereinigen lassen, die der Symbolismus sucht. Es ist daher eine Verirrung,

1) ple_132.034
Interessant ist es, mit diesen Versen folgende Zeilen Friedrich de la Motte ple_132.035
Fouques
zu vergleichen: ple_132.036
Linde säuseln kühle Lüfte, ple_132.037
Und im süßen Himmelsglanze ple_132.038
Bilden spielend sich zum Kranze ple_132.039
Töne, Worte, Farb' und Düfte.
2) ple_132.040
Sehr richtig sagt Ferd. Brunetiere (L'evolution de la poesie lyrique en France. ple_132.041
Paris 1901. S. 253): "Tout symbole suppose une idee sans le support de laquelle il n'est ple_132.042
qu'un conte de nourrice; et toute symbolique implique ou exige, a vrai dire, une metaphysique, ple_132.043
j'entends une certaine conception des rapports de l'homme avec la nature ple_132.044
ambiante ou, si vous l'aimez mieux, avec l'inconnaissable."
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La nature est un temple où de vivants piliers ple_132.002
Laissent parfois sortir de confuses paroles; ple_132.003
L'homme y passe à travers des forêts de symboles ple_132.004
Qui l'observent avec des regards familiers.
ple_132.005
Comme de longs échos qui de loin se confondent, ple_132.006
Dans une ténébreuse et profonde unité, ple_132.007
Vaste comme la nuit et comme la clarté, ple_132.008
Les parfums, les couleurs, et les sons se répondent.1)

ple_132.009
Diese Verse Beaudelaires bezeichnen die charakteristische Grundanschauung. ple_132.010
Bisweilen wird diese Methode mit einer eigentümlichen Mischung von ple_132.011
Raffinement und Pedanterie durchgeführt; das berüchtigte Sonett Artur ple_132.012
Rimbauds über die Bedeutung der Vokale gibt eine naiv drastische Anleitung ple_132.013
dazu. Bisweilen auch gelingt es einem wirklichen Dichter wie Verlaine, ple_132.014
der übrigens keineswegs im Banne der Schule geblieben ist, ein ple_132.015
echtes Gedicht auf dieser Grundlage zu schaffen; das S. 83 angeführte ple_132.016
ist ein Beispiel davon. Im ganzen aber fehlt dieser Art von Poesie der ple_132.017
Inhalt. Jedes Sinnbild bedarf eines Sinnes, wenn es nicht, wie ein loses ple_132.018
Märchen verklingend, täuschen soll: und gerade dieser wird ihm hier versagt.2) ple_132.019
Es ist die bloße Stimmung, die hier die verschiedensten Elemente ple_132.020
zusammenhalten soll. Nichts als der Ausdruck einer solchen Stimmung ple_132.021
will das symbolistische Gedicht sein und es nähert sich auch hierin wieder ple_132.022
der Musik.

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Die Einseitigkeit der französischen Lyrik erklärt sich, wie gesagt, aus ple_132.024
ihrer Vorgeschichte. Dem französischen Dichter kann es, wenn er die ältere ple_132.025
Lyrik seiner Literatur betrachtet, wohl scheinen, als ob Faßlichkeit des Inhalts ple_132.026
und Bestimmtheit der Anschauung ein für allemal Kraft und Tiefe der ple_132.027
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die großen Lyriker seines Volks von Goethe bis Heine, ihm müssen besonders ple_132.029
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modernsten Dichtung nahe kommt, gelehrt haben, daß sich Bestimmtheit ple_132.031
des Erlebnisses und der Anschauung sehr wohl mit jener Zartheit der Umrisse, ple_132.032
jener Tiefe der Stimmung, jenem musikalischen Elemente der Poesie ple_132.033
vereinigen lassen, die der Symbolismus sucht. Es ist daher eine Verirrung,

1) ple_132.034
Interessant ist es, mit diesen Versen folgende Zeilen Friedrich de la Motte ple_132.035
Fouqués
zu vergleichen: ple_132.036
Linde säuseln kühle Lüfte, ple_132.037
Und im süßen Himmelsglanze ple_132.038
Bilden spielend sich zum Kranze ple_132.039
Töne, Worte, Farb' und Düfte.
2) ple_132.040
Sehr richtig sagt Ferd. Brunetière (L'évolution de la poésie lyrique en France. ple_132.041
Paris 1901. S. 253): „Tout symbole suppose une idée sans le support de laquelle il n'est ple_132.042
qu'un conte de nourrice; et toute symbolique implique ou exige, à vrai dire, une métaphysique, ple_132.043
j'entends une certaine conception des rapports de l'homme avec la nature ple_132.044
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[132/0146] ple_132.001 La nature est un temple où de vivants piliers ple_132.002 Laissent parfois sortir de confuses paroles; ple_132.003 L'homme y passe à travers des forêts de symboles ple_132.004 Qui l'observent avec des regards familiers. ple_132.005 Comme de longs échos qui de loin se confondent, ple_132.006 Dans une ténébreuse et profonde unité, ple_132.007 Vaste comme la nuit et comme la clarté, ple_132.008 Les parfums, les couleurs, et les sons se répondent. 1) ple_132.009 Diese Verse Beaudelaires bezeichnen die charakteristische Grundanschauung. ple_132.010 Bisweilen wird diese Methode mit einer eigentümlichen Mischung von ple_132.011 Raffinement und Pedanterie durchgeführt; das berüchtigte Sonett Artur ple_132.012 Rimbauds über die Bedeutung der Vokale gibt eine naiv drastische Anleitung ple_132.013 dazu. Bisweilen auch gelingt es einem wirklichen Dichter wie Verlaine, ple_132.014 der übrigens keineswegs im Banne der Schule geblieben ist, ein ple_132.015 echtes Gedicht auf dieser Grundlage zu schaffen; das S. 83 angeführte ple_132.016 ist ein Beispiel davon. Im ganzen aber fehlt dieser Art von Poesie der ple_132.017 Inhalt. Jedes Sinnbild bedarf eines Sinnes, wenn es nicht, wie ein loses ple_132.018 Märchen verklingend, täuschen soll: und gerade dieser wird ihm hier versagt. 2) ple_132.019 Es ist die bloße Stimmung, die hier die verschiedensten Elemente ple_132.020 zusammenhalten soll. Nichts als der Ausdruck einer solchen Stimmung ple_132.021 will das symbolistische Gedicht sein und es nähert sich auch hierin wieder ple_132.022 der Musik. ple_132.023 Die Einseitigkeit der französischen Lyrik erklärt sich, wie gesagt, aus ple_132.024 ihrer Vorgeschichte. Dem französischen Dichter kann es, wenn er die ältere ple_132.025 Lyrik seiner Literatur betrachtet, wohl scheinen, als ob Faßlichkeit des Inhalts ple_132.026 und Bestimmtheit der Anschauung ein für allemal Kraft und Tiefe der ple_132.027 Stimmung beeinträchtigen müssen. Nicht so dem Deutschen. Ihm müssen ple_132.028 die großen Lyriker seines Volks von Goethe bis Heine, ihm müssen besonders ple_132.029 Eichendorff und Mörike, deren Formbehandlung sehr oft der der ple_132.030 modernsten Dichtung nahe kommt, gelehrt haben, daß sich Bestimmtheit ple_132.031 des Erlebnisses und der Anschauung sehr wohl mit jener Zartheit der Umrisse, ple_132.032 jener Tiefe der Stimmung, jenem musikalischen Elemente der Poesie ple_132.033 vereinigen lassen, die der Symbolismus sucht. Es ist daher eine Verirrung, 1) ple_132.034 Interessant ist es, mit diesen Versen folgende Zeilen Friedrich de la Motte ple_132.035 Fouqués zu vergleichen: ple_132.036 Linde säuseln kühle Lüfte, ple_132.037 Und im süßen Himmelsglanze ple_132.038 Bilden spielend sich zum Kranze ple_132.039 Töne, Worte, Farb' und Düfte. 2) ple_132.040 Sehr richtig sagt Ferd. Brunetière (L'évolution de la poésie lyrique en France. ple_132.041 Paris 1901. S. 253): „Tout symbole suppose une idée sans le support de laquelle il n'est ple_132.042 qu'un conte de nourrice; et toute symbolique implique ou exige, à vrai dire, une métaphysique, ple_132.043 j'entends une certaine conception des rapports de l'homme avec la nature ple_132.044 ambiante ou, si vous l'aimez mieux, avec l'inconnaissable.“

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Zitationshilfe: Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_poetik_1908/146>, abgerufen am 22.11.2024.