Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

sich Meldenden. Ferner wird unbedingt (nach dem Wortlaut der Statuten)
der Nachweis (schriftlich) der elterlichen oder vormundschaftlichen Ein-
willigung gefordert. Bei männlichen Schülern wird dies nur von Minder-
jährigen verlangt. Es scheint beinahe, als hielte man in Stuttgart die
Frauen für dauernd minderjährig. Außerdem geschieht die Aufnahme
nur in gewisse Klassen bei einzelnen Lehrern. Ferner beträgt die Höchst-
dauer der Studienzeit für Frauen zehn Semester, also fünf Studienjahre,
für Männer acht Jahre. Jch glaube nicht, daß dies geschieht, wie es fast
scheinen könnte, weil man die Frauen für so viel befähigter hält als die
Männer, so daß sie sich in fünf Jahren aneignen können, was jenen nur
in acht Jahren gelingt. Jch glaube vielmehr, daß man sie von den höheren
Klassen, in die man erst nach längerer Studienzeit aufrückt, ausschließt
oder ihnen nicht durch eingehenden Anfangsunterricht die genügende
Grundlage speziell im Zeichnen gegeben wird.

Außer diesen staatlichen Akademien bestehen für Frauen wesent-
lich drei staatlich subventionierte Lehranstalten, die älteste die 1868 ge-
gründete Zeichen- und Malschule des Vereins Berliner Künstlerinnen mit
angeschlossenem Zeichenlehrerinnenseminar, die "Damenakademie" des
Münchner Künstlerinnenvereins, die Malerinnenschule zu Karlsruhe. Da-
neben besteht in allen Kunststädten eine sehr große Zahl von privaten
Unterrichtsanstalten, die zum Teil nur einzelne Fächer lehren, zum Teil
ganz schulmäßig ausgestaltet sind, zum Teil alle Zwischenstufen dieser
beiden Formen zeigen. Auch die schulmäßig ausgestalteten haben aber
selbstverständlich nie einen Lehrplan, der annährend so umfassend ist wie
der einer Akademie. Was zunächst die privaten Lehranstalten betrifft,
so ist ebenso wie ihr Unterrichtsplan auch der Wert des erteilten Unter-
richts außerordentlich verschieden. Es gibt ganz vorzügliche private Lehr-
anstalten, und es gibt deren außerordentlich minderwertige. Tatsache ist,
daß eine ganze Reihe von Künstlern, die sich in dem schweren Erwerbs-
kampf des Künstlers aus diesem oder jenem Grunde nicht oder nur mühsam
behaupten können, Schülerklassen einrichten, um sich ein einigermaßen festes

sich Meldenden. Ferner wird unbedingt (nach dem Wortlaut der Statuten)
der Nachweis (schriftlich) der elterlichen oder vormundschaftlichen Ein-
willigung gefordert. Bei männlichen Schülern wird dies nur von Minder-
jährigen verlangt. Es scheint beinahe, als hielte man in Stuttgart die
Frauen für dauernd minderjährig. Außerdem geschieht die Aufnahme
nur in gewisse Klassen bei einzelnen Lehrern. Ferner beträgt die Höchst-
dauer der Studienzeit für Frauen zehn Semester, also fünf Studienjahre,
für Männer acht Jahre. Jch glaube nicht, daß dies geschieht, wie es fast
scheinen könnte, weil man die Frauen für so viel befähigter hält als die
Männer, so daß sie sich in fünf Jahren aneignen können, was jenen nur
in acht Jahren gelingt. Jch glaube vielmehr, daß man sie von den höheren
Klassen, in die man erst nach längerer Studienzeit aufrückt, ausschließt
oder ihnen nicht durch eingehenden Anfangsunterricht die genügende
Grundlage speziell im Zeichnen gegeben wird.

Außer diesen staatlichen Akademien bestehen für Frauen wesent-
lich drei staatlich subventionierte Lehranstalten, die älteste die 1868 ge-
gründete Zeichen- und Malschule des Vereins Berliner Künstlerinnen mit
angeschlossenem Zeichenlehrerinnenseminar, die „Damenakademie“ des
Münchner Künstlerinnenvereins, die Malerinnenschule zu Karlsruhe. Da-
neben besteht in allen Kunststädten eine sehr große Zahl von privaten
Unterrichtsanstalten, die zum Teil nur einzelne Fächer lehren, zum Teil
ganz schulmäßig ausgestaltet sind, zum Teil alle Zwischenstufen dieser
beiden Formen zeigen. Auch die schulmäßig ausgestalteten haben aber
selbstverständlich nie einen Lehrplan, der annährend so umfassend ist wie
der einer Akademie. Was zunächst die privaten Lehranstalten betrifft,
so ist ebenso wie ihr Unterrichtsplan auch der Wert des erteilten Unter-
richts außerordentlich verschieden. Es gibt ganz vorzügliche private Lehr-
anstalten, und es gibt deren außerordentlich minderwertige. Tatsache ist,
daß eine ganze Reihe von Künstlern, die sich in dem schweren Erwerbs-
kampf des Künstlers aus diesem oder jenem Grunde nicht oder nur mühsam
behaupten können, Schülerklassen einrichten, um sich ein einigermaßen festes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="5"/>
sich Meldenden. Ferner wird unbedingt (nach dem Wortlaut der Statuten)<lb/>
der Nachweis (schriftlich) der elterlichen oder vormundschaftlichen Ein-<lb/>
willigung gefordert. Bei männlichen Schülern wird dies nur von Minder-<lb/>
jährigen verlangt. Es scheint beinahe, als hielte man in Stuttgart die<lb/>
Frauen für dauernd minderjährig. Außerdem geschieht die Aufnahme<lb/>
nur in gewisse Klassen bei einzelnen Lehrern. Ferner beträgt die Höchst-<lb/>
dauer der Studienzeit für Frauen zehn Semester, also fünf Studienjahre,<lb/>
für Männer acht Jahre. Jch glaube nicht, daß dies geschieht, wie es fast<lb/>
scheinen könnte, weil man die Frauen für so viel befähigter hält als die<lb/>
Männer, so daß sie sich in fünf Jahren aneignen können, was jenen nur<lb/>
in acht Jahren gelingt. Jch glaube vielmehr, daß man sie von den höheren<lb/>
Klassen, in die man erst nach längerer Studienzeit aufrückt, ausschließt<lb/>
oder ihnen nicht durch eingehenden Anfangsunterricht die genügende<lb/>
Grundlage speziell im Zeichnen gegeben wird.</p><lb/>
        <p>Außer diesen staatlichen Akademien bestehen für Frauen wesent-<lb/>
lich drei staatlich subventionierte Lehranstalten, die älteste die 1868 ge-<lb/>
gründete Zeichen- und Malschule des Vereins Berliner Künstlerinnen mit<lb/>
angeschlossenem Zeichenlehrerinnenseminar, die &#x201E;Damenakademie&#x201C; des<lb/>
Münchner Künstlerinnenvereins, die Malerinnenschule zu Karlsruhe. Da-<lb/>
neben besteht in allen Kunststädten eine sehr große Zahl von privaten<lb/>
Unterrichtsanstalten, die zum Teil nur einzelne Fächer lehren, zum Teil<lb/>
ganz schulmäßig ausgestaltet sind, zum Teil alle Zwischenstufen dieser<lb/>
beiden Formen zeigen. Auch die schulmäßig ausgestalteten haben aber<lb/>
selbstverständlich nie einen Lehrplan, der annährend so umfassend ist wie<lb/>
der einer Akademie. Was zunächst die privaten Lehranstalten betrifft,<lb/>
so ist ebenso wie ihr Unterrichtsplan auch der Wert des erteilten Unter-<lb/>
richts außerordentlich verschieden. Es gibt ganz vorzügliche private Lehr-<lb/>
anstalten, und es gibt deren außerordentlich minderwertige. Tatsache ist,<lb/>
daß eine ganze Reihe von Künstlern, die sich in dem schweren Erwerbs-<lb/>
kampf des Künstlers aus diesem oder jenem Grunde nicht oder nur mühsam<lb/>
behaupten können, Schülerklassen einrichten, um sich ein einigermaßen festes<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0011] sich Meldenden. Ferner wird unbedingt (nach dem Wortlaut der Statuten) der Nachweis (schriftlich) der elterlichen oder vormundschaftlichen Ein- willigung gefordert. Bei männlichen Schülern wird dies nur von Minder- jährigen verlangt. Es scheint beinahe, als hielte man in Stuttgart die Frauen für dauernd minderjährig. Außerdem geschieht die Aufnahme nur in gewisse Klassen bei einzelnen Lehrern. Ferner beträgt die Höchst- dauer der Studienzeit für Frauen zehn Semester, also fünf Studienjahre, für Männer acht Jahre. Jch glaube nicht, daß dies geschieht, wie es fast scheinen könnte, weil man die Frauen für so viel befähigter hält als die Männer, so daß sie sich in fünf Jahren aneignen können, was jenen nur in acht Jahren gelingt. Jch glaube vielmehr, daß man sie von den höheren Klassen, in die man erst nach längerer Studienzeit aufrückt, ausschließt oder ihnen nicht durch eingehenden Anfangsunterricht die genügende Grundlage speziell im Zeichnen gegeben wird. Außer diesen staatlichen Akademien bestehen für Frauen wesent- lich drei staatlich subventionierte Lehranstalten, die älteste die 1868 ge- gründete Zeichen- und Malschule des Vereins Berliner Künstlerinnen mit angeschlossenem Zeichenlehrerinnenseminar, die „Damenakademie“ des Münchner Künstlerinnenvereins, die Malerinnenschule zu Karlsruhe. Da- neben besteht in allen Kunststädten eine sehr große Zahl von privaten Unterrichtsanstalten, die zum Teil nur einzelne Fächer lehren, zum Teil ganz schulmäßig ausgestaltet sind, zum Teil alle Zwischenstufen dieser beiden Formen zeigen. Auch die schulmäßig ausgestalteten haben aber selbstverständlich nie einen Lehrplan, der annährend so umfassend ist wie der einer Akademie. Was zunächst die privaten Lehranstalten betrifft, so ist ebenso wie ihr Unterrichtsplan auch der Wert des erteilten Unter- richts außerordentlich verschieden. Es gibt ganz vorzügliche private Lehr- anstalten, und es gibt deren außerordentlich minderwertige. Tatsache ist, daß eine ganze Reihe von Künstlern, die sich in dem schweren Erwerbs- kampf des Künstlers aus diesem oder jenem Grunde nicht oder nur mühsam behaupten können, Schülerklassen einrichten, um sich ein einigermaßen festes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-11T15:25:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-07-11T15:25:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/11
Zitationshilfe: Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/11>, abgerufen am 17.06.2024.