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Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914.

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Damenklassen für vorgeschrittene Schülerinnen wegen Raummangels
wieder aufgehoben worden, und Frauen können dort nur ausnahms-
weise in die Klassen, in denen nicht Akt gezeichnet oder gemalt wird,
aufgenommen werden. Auch werden nur Vorgeschrittene aufgenommen,
die das figürliche Zeichnen in der Hauptsache beherrschen. Jm Winter-
semester 1912/13 war eine Russin zugelassen, ob auch Deutsche, habe ich
nicht festgestellt. Es ist auch für das Prinzip unerheblich, da eben von Fall
zu Fall entschieden wird, die Aufnahme also nicht Regel sondern Aus-
nahme, nicht Recht sondern Gunst ist. Jn Breslau wird bei der Aufnahme
zwischen Männern und Frauen kein Unterschied gemacht. Jn Weimar
dürften tatsächlich keine Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Schüle-
rinnen bestehen, da dort neben 99 Schülern 55 Schülerinnen eingeschrieben
sind im Wintersemester 1912/13. Formal macht der Lehrplan einen Unter-
schied, denn als Zweck der Hochschule ist genannt: "Junge, mit Talent
begabte Männer zu künstlerischer Selbständigkeit auszubilden". - Schüle-
rinnen werden "nach Ermessen der Direktion und des Lehrerkollegiums
zum Zwecke einer gründlichen künstlerischen Ausbildung zugelassen."
Auch Kassel drückt sich nicht ganz klar aus, wenn es heißt: "Über die Auf-
nahme in die unterste Abteilung der Akademie befindet der Direktor
auf Grund des ihm zu führenden Nachweises der Erfüllung der gesetzlichen
Schulpflicht, sowie bei Minderjährigen des Nachweises der Einwilligung
der Eltern und des Vormundes. - Das gleiche gilt in Betreff der Auf-
nahme von Ausländern, Damen und Hospitanten". Dies ist wohl so zu
verstehen, daß Frauen allgemein unter gleichen Bedingungen wie Männer
nach Befinden des Direktors aufgenommen werden können, aber es ist
bedauerlich, daß der Wortlaut des Statuts ihnen immerhin eine Sonder-
stellung zuweist neben Ausländern und Hospitanten.

Etwas seltsam muten mich einige der Aufnahme- und sonstigen Be-
stimmungen in Stuttgart an. Das Aufnahmegesuch hat Auskunft zu
geben nicht nur über die persönlichen Verhältnisse, wie dies bei männlichen
Studierenden der Fall ist, sondern auch über die Familienverhältnisse der

Damenklassen für vorgeschrittene Schülerinnen wegen Raummangels
wieder aufgehoben worden, und Frauen können dort nur ausnahms-
weise in die Klassen, in denen nicht Akt gezeichnet oder gemalt wird,
aufgenommen werden. Auch werden nur Vorgeschrittene aufgenommen,
die das figürliche Zeichnen in der Hauptsache beherrschen. Jm Winter-
semester 1912/13 war eine Russin zugelassen, ob auch Deutsche, habe ich
nicht festgestellt. Es ist auch für das Prinzip unerheblich, da eben von Fall
zu Fall entschieden wird, die Aufnahme also nicht Regel sondern Aus-
nahme, nicht Recht sondern Gunst ist. Jn Breslau wird bei der Aufnahme
zwischen Männern und Frauen kein Unterschied gemacht. Jn Weimar
dürften tatsächlich keine Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Schüle-
rinnen bestehen, da dort neben 99 Schülern 55 Schülerinnen eingeschrieben
sind im Wintersemester 1912/13. Formal macht der Lehrplan einen Unter-
schied, denn als Zweck der Hochschule ist genannt: „Junge, mit Talent
begabte Männer zu künstlerischer Selbständigkeit auszubilden“. – Schüle-
rinnen werden „nach Ermessen der Direktion und des Lehrerkollegiums
zum Zwecke einer gründlichen künstlerischen Ausbildung zugelassen.“
Auch Kassel drückt sich nicht ganz klar aus, wenn es heißt: „Über die Auf-
nahme in die unterste Abteilung der Akademie befindet der Direktor
auf Grund des ihm zu führenden Nachweises der Erfüllung der gesetzlichen
Schulpflicht, sowie bei Minderjährigen des Nachweises der Einwilligung
der Eltern und des Vormundes. – Das gleiche gilt in Betreff der Auf-
nahme von Ausländern, Damen und Hospitanten“. Dies ist wohl so zu
verstehen, daß Frauen allgemein unter gleichen Bedingungen wie Männer
nach Befinden des Direktors aufgenommen werden können, aber es ist
bedauerlich, daß der Wortlaut des Statuts ihnen immerhin eine Sonder-
stellung zuweist neben Ausländern und Hospitanten.

Etwas seltsam muten mich einige der Aufnahme- und sonstigen Be-
stimmungen in Stuttgart an. Das Aufnahmegesuch hat Auskunft zu
geben nicht nur über die persönlichen Verhältnisse, wie dies bei männlichen
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[4/0010] Damenklassen für vorgeschrittene Schülerinnen wegen Raummangels wieder aufgehoben worden, und Frauen können dort nur ausnahms- weise in die Klassen, in denen nicht Akt gezeichnet oder gemalt wird, aufgenommen werden. Auch werden nur Vorgeschrittene aufgenommen, die das figürliche Zeichnen in der Hauptsache beherrschen. Jm Winter- semester 1912/13 war eine Russin zugelassen, ob auch Deutsche, habe ich nicht festgestellt. Es ist auch für das Prinzip unerheblich, da eben von Fall zu Fall entschieden wird, die Aufnahme also nicht Regel sondern Aus- nahme, nicht Recht sondern Gunst ist. Jn Breslau wird bei der Aufnahme zwischen Männern und Frauen kein Unterschied gemacht. Jn Weimar dürften tatsächlich keine Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Schüle- rinnen bestehen, da dort neben 99 Schülern 55 Schülerinnen eingeschrieben sind im Wintersemester 1912/13. Formal macht der Lehrplan einen Unter- schied, denn als Zweck der Hochschule ist genannt: „Junge, mit Talent begabte Männer zu künstlerischer Selbständigkeit auszubilden“. – Schüle- rinnen werden „nach Ermessen der Direktion und des Lehrerkollegiums zum Zwecke einer gründlichen künstlerischen Ausbildung zugelassen.“ Auch Kassel drückt sich nicht ganz klar aus, wenn es heißt: „Über die Auf- nahme in die unterste Abteilung der Akademie befindet der Direktor auf Grund des ihm zu führenden Nachweises der Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht, sowie bei Minderjährigen des Nachweises der Einwilligung der Eltern und des Vormundes. – Das gleiche gilt in Betreff der Auf- nahme von Ausländern, Damen und Hospitanten“. Dies ist wohl so zu verstehen, daß Frauen allgemein unter gleichen Bedingungen wie Männer nach Befinden des Direktors aufgenommen werden können, aber es ist bedauerlich, daß der Wortlaut des Statuts ihnen immerhin eine Sonder- stellung zuweist neben Ausländern und Hospitanten. Etwas seltsam muten mich einige der Aufnahme- und sonstigen Be- stimmungen in Stuttgart an. Das Aufnahmegesuch hat Auskunft zu geben nicht nur über die persönlichen Verhältnisse, wie dies bei männlichen Studierenden der Fall ist, sondern auch über die Familienverhältnisse der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-11T15:25:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-07-11T15:25:44Z)

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Zitationshilfe: Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/10>, abgerufen am 17.06.2024.