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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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Die Frauenbewegung und die Frauenstimmrechts-
bewegung sind in ihrem geistigen Zusammenhang
nicht voneinander zu trennen. Ueberall, wo die
Frauenbewegung festen Boden gewonnen hat, wo
die vielseitigen Bestrebungen zur Hebung der sitt-
lichen, geistigen und rechtlichen Stellung der Frau
ein klares Programm, eine feste Organisation ge-
schaffen haben, wird die Frauenstimmrechtsbewe-
gung einsetzen. Sie wird bewußt oder unbewußt in
die Erscheinung treten, wenn es gilt, den Frauen ein
Mitbestimmungsrecht auf irgendeinem Gebiet einzu-
räumen, auf welchem weibliche Interessen zu ver-
treten sind und auf dem der Mann bisher allein
zu entscheiden hatte.

Frauenbewegung und Frauenstimmrechtsbewe-
gung als organisierte Bestrebungen sind die Errun-
genschaften des letzten Jahrhunderts.

Von jeher schon haben aber hervorragende
Denker beiderlei Geschlechts die Anerkennung der
Frauen als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen in
deren eigenem Interesse und zum Wohle des Staa-
tes gefordert.

Es sei an Platos Lehre vom Staat erinnert,
der den Frauen die Fälligkeit zuspricht, bei glei-
cher Ausbildung den besten, zur Volkserziehung be-
rufenen Bürgern zugesellt zu werden, an den Aus-
spruch Condorcets (1742-92), des Präsidenten
der gesetzgebenden Versammlung in Paris: "Wir
halten es für eines der natürlichsten Rechte des
Menschen, in gemeinschaftlichen Angelegenheiten ent-
weder persönlich oder durch frei gewählte Reprä-
sentanten zu stimmen. Ist es nicht in ihrer Eigen-

Die Frauenbewegung und die Frauenstimmrechts-
bewegung sind in ihrem geistigen Zusammenhang
nicht voneinander zu trennen. Ueberall, wo die
Frauenbewegung festen Boden gewonnen hat, wo
die vielseitigen Bestrebungen zur Hebung der sitt-
lichen, geistigen und rechtlichen Stellung der Frau
ein klares Programm, eine feste Organisation ge-
schaffen haben, wird die Frauenstimmrechtsbewe-
gung einsetzen. Sie wird bewußt oder unbewußt in
die Erscheinung treten, wenn es gilt, den Frauen ein
Mitbestimmungsrecht auf irgendeinem Gebiet einzu-
räumen, auf welchem weibliche Interessen zu ver-
treten sind und auf dem der Mann bisher allein
zu entscheiden hatte.

Frauenbewegung und Frauenstimmrechtsbewe-
gung als organisierte Bestrebungen sind die Errun-
genschaften des letzten Jahrhunderts.

Von jeher schon haben aber hervorragende
Denker beiderlei Geschlechts die Anerkennung der
Frauen als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen in
deren eigenem Interesse und zum Wohle des Staa-
tes gefordert.

Es sei an Platos Lehre vom Staat erinnert,
der den Frauen die Fälligkeit zuspricht, bei glei-
cher Ausbildung den besten, zur Volkserziehung be-
rufenen Bürgern zugesellt zu werden, an den Aus-
spruch Condorcets (1742-92), des Präsidenten
der gesetzgebenden Versammlung in Paris: „Wir
halten es für eines der natürlichsten Rechte des
Menschen, in gemeinschaftlichen Angelegenheiten ent-
weder persönlich oder durch frei gewählte Reprä-
sentanten zu stimmen. Ist es nicht in ihrer Eigen-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-06-26T14:08:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/5>, abgerufen am 29.03.2024.