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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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lung beiwohnte, konnte sich damals dem großen
Eindruck entziehen, als die Frauen aller Länder sich
einander im Kampfe zur Befreiung ihres Geschlechts
verbanden und das Bekenntnis ihrer Solidarität vor
der Oeffentlichkeit ablegten. Die Mitglieder des Welt-
bundes dürfen stolz darauf sein, daß es ihnen unter
vollster Wahrung der nationalen Würde und der
vaterländischen Pflichterfüllung gelungen ist, ihre
internationale Organisation aufrecht zu erhalten und
in ihrem Verbandsorgan "jus suffragii" Berichte
über die Leistungen der Frauen aller Länder im
Kriege, die Fortschritte der Stimmrechtsbewegung
und die Flüchtlingsfürsorge an den Frauen der Ver-
bündeten und Feinde auszutauschen. Der 1911 in
Stockholm gebildete Männer-Weltbund für
Frauenstimmrecht
hat infolge seines kurzen
Bestehens die gleiche Aufgabe und weitgreifende
Werbearbeit nicht leisten können. Im Anschluß an
die Tagung des Weltbundes, bei der mit den füh-
renden Stimmrechtlerinnen des Auslandes Frauen aus
allen Teilen Deutschlands zusammentrafen, nahm die
Bewegung einen lebhaften Aufschwung. Die Ereig-
nisse waren stärker als das hemmende Vereinsrecht.
Die Regierung duldete die Konstituierung von Stimm-
rechtsvereinen in Mitteldeutschland, Baden, Hessen,
Sachsen. Unabhängig davon wurde zur Vermeidung
des ominösen Titels 1906 in Breslau ein Ausschuß
zur Förderung der öffentlichen Rechte der Frau, also
ein Ersatz für einen Stimmrechtsverein gebildet. 1907
gründete man in Liegnitz in Schlesien eine Stimm-
rechtsgruppe.

Das Jahr 1908 ist mit goldenen Lettern in die
Geschichte der Stimmrechtsbewegung einzuzeichnen.
Die Schranken des Vereinsgesetzes fielen, und die
Frauen durften sich überall in Deutschland in Stimm-
rechtsvereinen und Parteien organisieren. Es wurden

lung beiwohnte, konnte sich damals dem großen
Eindruck entziehen, als die Frauen aller Länder sich
einander im Kampfe zur Befreiung ihres Geschlechts
verbanden und das Bekenntnis ihrer Solidarität vor
der Oeffentlichkeit ablegten. Die Mitglieder des Welt-
bundes dürfen stolz darauf sein, daß es ihnen unter
vollster Wahrung der nationalen Würde und der
vaterländischen Pflichterfüllung gelungen ist, ihre
internationale Organisation aufrecht zu erhalten und
in ihrem Verbandsorgan „jus suffragii‟ Berichte
über die Leistungen der Frauen aller Länder im
Kriege, die Fortschritte der Stimmrechtsbewegung
und die Flüchtlingsfürsorge an den Frauen der Ver-
bündeten und Feinde auszutauschen. Der 1911 in
Stockholm gebildete Männer-Weltbund für
Frauenstimmrecht
hat infolge seines kurzen
Bestehens die gleiche Aufgabe und weitgreifende
Werbearbeit nicht leisten können. Im Anschluß an
die Tagung des Weltbundes, bei der mit den füh-
renden Stimmrechtlerinnen des Auslandes Frauen aus
allen Teilen Deutschlands zusammentrafen, nahm die
Bewegung einen lebhaften Aufschwung. Die Ereig-
nisse waren stärker als das hemmende Vereinsrecht.
Die Regierung duldete die Konstituierung von Stimm-
rechtsvereinen in Mitteldeutschland, Baden, Hessen,
Sachsen. Unabhängig davon wurde zur Vermeidung
des ominösen Titels 1906 in Breslau ein Ausschuß
zur Förderung der öffentlichen Rechte der Frau, also
ein Ersatz für einen Stimmrechtsverein gebildet. 1907
gründete man in Liegnitz in Schlesien eine Stimm-
rechtsgruppe.

Das Jahr 1908 ist mit goldenen Lettern in die
Geschichte der Stimmrechtsbewegung einzuzeichnen.
Die Schranken des Vereinsgesetzes fielen, und die
Frauen durften sich überall in Deutschland in Stimm-
rechtsvereinen und Parteien organisieren. Es wurden

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[22/0022] lung beiwohnte, konnte sich damals dem großen Eindruck entziehen, als die Frauen aller Länder sich einander im Kampfe zur Befreiung ihres Geschlechts verbanden und das Bekenntnis ihrer Solidarität vor der Oeffentlichkeit ablegten. Die Mitglieder des Welt- bundes dürfen stolz darauf sein, daß es ihnen unter vollster Wahrung der nationalen Würde und der vaterländischen Pflichterfüllung gelungen ist, ihre internationale Organisation aufrecht zu erhalten und in ihrem Verbandsorgan „jus suffragii‟ Berichte über die Leistungen der Frauen aller Länder im Kriege, die Fortschritte der Stimmrechtsbewegung und die Flüchtlingsfürsorge an den Frauen der Ver- bündeten und Feinde auszutauschen. Der 1911 in Stockholm gebildete Männer-Weltbund für Frauenstimmrecht hat infolge seines kurzen Bestehens die gleiche Aufgabe und weitgreifende Werbearbeit nicht leisten können. Im Anschluß an die Tagung des Weltbundes, bei der mit den füh- renden Stimmrechtlerinnen des Auslandes Frauen aus allen Teilen Deutschlands zusammentrafen, nahm die Bewegung einen lebhaften Aufschwung. Die Ereig- nisse waren stärker als das hemmende Vereinsrecht. Die Regierung duldete die Konstituierung von Stimm- rechtsvereinen in Mitteldeutschland, Baden, Hessen, Sachsen. Unabhängig davon wurde zur Vermeidung des ominösen Titels 1906 in Breslau ein Ausschuß zur Förderung der öffentlichen Rechte der Frau, also ein Ersatz für einen Stimmrechtsverein gebildet. 1907 gründete man in Liegnitz in Schlesien eine Stimm- rechtsgruppe. Das Jahr 1908 ist mit goldenen Lettern in die Geschichte der Stimmrechtsbewegung einzuzeichnen. Die Schranken des Vereinsgesetzes fielen, und die Frauen durften sich überall in Deutschland in Stimm- rechtsvereinen und Parteien organisieren. Es wurden

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-06-26T14:08:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/22>, abgerufen am 18.04.2024.