chemischen Vorgänge dabei zu öfterem Analysen verschiedener Sorten von Martineisen mitgetheilt wurden, auf welche hier verwiesen wer- den kann.
9. Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Einleitung.
Bei beiden in der Ueberschrift genannten Processen wird gepresste Luft -- Gebläsewind -- durch flüssiges Roheisen geleitet, welches in einem entsprechend geformten Behälter befindlich ist und vorher in einem besonderen Apparate geschmolzen wurde (S. 597 ff.). Bei diesem Hindurchleiten werden die fremden Bestandtheile des Roheisens, ins- besondere Kohlenstoff, Silicium und Mangan, unter gewissen Bedin- gungen auch Phosphor, oxydirt und das Roheisen in schmiedbares Eisen umgewandelt.
Der Engländer Henry Bessemer nahm im Jahre 1855 ein Patent auf das Hindurchblasen von Luft oder Dampf 1) durch flüssiges Roh- eisen zur Umwandlung desselben in Stahl. Mehrere Jahre währte es, bis die ersten nicht geringen Schwierigkeiten, welche sich der prakti- schen Anwendung des Verfahrens entgegenstellten, glücklich über- wunden waren; seit dem Beginn der sechziger Jahre aber fand das- selbe rasch Eingang auf verschiedenen Werken und erreichte alsdann bald eine Ausdehnung, welche es vollkommen ebenbürtig den älteren Processen der Darstellung schmiedbaren Eisens zur Seite stellte und vollständige Umwälzungen in der Eisenindustrie hervorbrachte.
Bessemer benutzt zur Ausfutterung seines für die Durchführung des Processes bestimmten Apparates ein kieselsäurereiches Material. Die bei dem Frischen entstehenden Oxyde haben demnach, ebenso wie im Martinofen mit Quarzfutter, ausreichende Gelegenheit sich mit Kiesel- säure zu sättigen; Phosphor wird aus diesem Grunde ebenso wenig als in anderen Fällen, wo eine kieselsäurereiche Schlacke sich bilden kann, abgeschieden. Um phosphorreines schmiedbares Eisen darzu- stellen, ist man gezwungen, phosphorreines Roheisen zu verwenden.
Dieser Umstand bildet eine Erschwerung für die Anwendung des Processes in solchen Gegenden, wo phosphorfreie Erze nicht vorhanden sind. Grosse Mengen spanischer und afrikanischer Erze sind seit der Einführung des Bessemerprocesses auf englischen, deutschen und fran- zösischen Eisenwerken in Ermangelung eigener passender Erze ver- hüttet worden, um daraus ein für jenen Process geeignetes phosphor- armes Roheisen darzustellen.
Dass es möglich sein werde, eine Entphosphorung des Roheisens beim Bessemern herbeizuführen, wenn es gelänge, durch basische Aus- futterung des Apparates und Anwendung basischer Zuschläge eine stark basische Schlacke zu bilden, war schon öfters als Vermuthung, die durch Experimente im Kleinen gestützt wurde, ausgesprochen
1) Dass Dampf für diesen Zweck nicht benutzbar ist, da seine Zerlegung eine grosse Wärmemenge erfordert, welche dem Bade entzogen werden müsste, lässt sich leicht nachweisen.
Der Bessemer- und der Thomasprocess.
chemischen Vorgänge dabei zu öfterem Analysen verschiedener Sorten von Martineisen mitgetheilt wurden, auf welche hier verwiesen wer- den kann.
9. Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Einleitung.
Bei beiden in der Ueberschrift genannten Processen wird gepresste Luft — Gebläsewind — durch flüssiges Roheisen geleitet, welches in einem entsprechend geformten Behälter befindlich ist und vorher in einem besonderen Apparate geschmolzen wurde (S. 597 ff.). Bei diesem Hindurchleiten werden die fremden Bestandtheile des Roheisens, ins- besondere Kohlenstoff, Silicium und Mangan, unter gewissen Bedin- gungen auch Phosphor, oxydirt und das Roheisen in schmiedbares Eisen umgewandelt.
Der Engländer Henry Bessemer nahm im Jahre 1855 ein Patent auf das Hindurchblasen von Luft oder Dampf 1) durch flüssiges Roh- eisen zur Umwandlung desselben in Stahl. Mehrere Jahre währte es, bis die ersten nicht geringen Schwierigkeiten, welche sich der prakti- schen Anwendung des Verfahrens entgegenstellten, glücklich über- wunden waren; seit dem Beginn der sechziger Jahre aber fand das- selbe rasch Eingang auf verschiedenen Werken und erreichte alsdann bald eine Ausdehnung, welche es vollkommen ebenbürtig den älteren Processen der Darstellung schmiedbaren Eisens zur Seite stellte und vollständige Umwälzungen in der Eisenindustrie hervorbrachte.
Bessemer benutzt zur Ausfutterung seines für die Durchführung des Processes bestimmten Apparates ein kieselsäurereiches Material. Die bei dem Frischen entstehenden Oxyde haben demnach, ebenso wie im Martinofen mit Quarzfutter, ausreichende Gelegenheit sich mit Kiesel- säure zu sättigen; Phosphor wird aus diesem Grunde ebenso wenig als in anderen Fällen, wo eine kieselsäurereiche Schlacke sich bilden kann, abgeschieden. Um phosphorreines schmiedbares Eisen darzu- stellen, ist man gezwungen, phosphorreines Roheisen zu verwenden.
Dieser Umstand bildet eine Erschwerung für die Anwendung des Processes in solchen Gegenden, wo phosphorfreie Erze nicht vorhanden sind. Grosse Mengen spanischer und afrikanischer Erze sind seit der Einführung des Bessemerprocesses auf englischen, deutschen und fran- zösischen Eisenwerken in Ermangelung eigener passender Erze ver- hüttet worden, um daraus ein für jenen Process geeignetes phosphor- armes Roheisen darzustellen.
Dass es möglich sein werde, eine Entphosphorung des Roheisens beim Bessemern herbeizuführen, wenn es gelänge, durch basische Aus- futterung des Apparates und Anwendung basischer Zuschläge eine stark basische Schlacke zu bilden, war schon öfters als Vermuthung, die durch Experimente im Kleinen gestützt wurde, ausgesprochen
1) Dass Dampf für diesen Zweck nicht benutzbar ist, da seine Zerlegung eine grosse Wärmemenge erfordert, welche dem Bade entzogen werden müsste, lässt sich leicht nachweisen.
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Der Bessemer- und der Thomasprocess.
chemischen Vorgänge dabei zu öfterem Analysen verschiedener Sorten
von Martineisen mitgetheilt wurden, auf welche hier verwiesen wer-
den kann.
9. Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Einleitung.
Bei beiden in der Ueberschrift genannten Processen wird gepresste
Luft — Gebläsewind — durch flüssiges Roheisen geleitet, welches in
einem entsprechend geformten Behälter befindlich ist und vorher in
einem besonderen Apparate geschmolzen wurde (S. 597 ff.). Bei diesem
Hindurchleiten werden die fremden Bestandtheile des Roheisens, ins-
besondere Kohlenstoff, Silicium und Mangan, unter gewissen Bedin-
gungen auch Phosphor, oxydirt und das Roheisen in schmiedbares Eisen
umgewandelt.
Der Engländer Henry Bessemer nahm im Jahre 1855 ein Patent
auf das Hindurchblasen von Luft oder Dampf 1) durch flüssiges Roh-
eisen zur Umwandlung desselben in Stahl. Mehrere Jahre währte es,
bis die ersten nicht geringen Schwierigkeiten, welche sich der prakti-
schen Anwendung des Verfahrens entgegenstellten, glücklich über-
wunden waren; seit dem Beginn der sechziger Jahre aber fand das-
selbe rasch Eingang auf verschiedenen Werken und erreichte alsdann
bald eine Ausdehnung, welche es vollkommen ebenbürtig den älteren
Processen der Darstellung schmiedbaren Eisens zur Seite stellte und
vollständige Umwälzungen in der Eisenindustrie hervorbrachte.
Bessemer benutzt zur Ausfutterung seines für die Durchführung
des Processes bestimmten Apparates ein kieselsäurereiches Material. Die
bei dem Frischen entstehenden Oxyde haben demnach, ebenso wie im
Martinofen mit Quarzfutter, ausreichende Gelegenheit sich mit Kiesel-
säure zu sättigen; Phosphor wird aus diesem Grunde ebenso wenig
als in anderen Fällen, wo eine kieselsäurereiche Schlacke sich bilden
kann, abgeschieden. Um phosphorreines schmiedbares Eisen darzu-
stellen, ist man gezwungen, phosphorreines Roheisen zu verwenden.
Dieser Umstand bildet eine Erschwerung für die Anwendung des
Processes in solchen Gegenden, wo phosphorfreie Erze nicht vorhanden
sind. Grosse Mengen spanischer und afrikanischer Erze sind seit der
Einführung des Bessemerprocesses auf englischen, deutschen und fran-
zösischen Eisenwerken in Ermangelung eigener passender Erze ver-
hüttet worden, um daraus ein für jenen Process geeignetes phosphor-
armes Roheisen darzustellen.
Dass es möglich sein werde, eine Entphosphorung des Roheisens
beim Bessemern herbeizuführen, wenn es gelänge, durch basische Aus-
futterung des Apparates und Anwendung basischer Zuschläge eine
stark basische Schlacke zu bilden, war schon öfters als Vermuthung,
die durch Experimente im Kleinen gestützt wurde, ausgesprochen
1) Dass Dampf für diesen Zweck nicht benutzbar ist, da seine Zerlegung eine
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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 879. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/963>, abgerufen am 21.11.2024.
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