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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Darstellung des Flusseisens.
welche allerdings der Tiegelgussstahl kaum anders als ausnahmsweise
herangezogen worden ist.

Dass auch bei Herstellung von Formguss das Martinmetall bereits
Verwendung findet und zwar mit gutem Erfolge, sofern der Process
diesem Zwecke entsprechend geleitet wird, wurde schon oben erwähnt
(S. 871). Es lässt sich erwarten, dass auf diesem Gebiete der Tiegel-
gussstahl dereinst ziemlich vollständig verdrängt werden wird.

Ein sehr wichtiges Feld aber eroberte sich der Martinprocess,
nachdem es gelungen war, die Haltbarkeit der Oefen auch in sehr
hohen Temperaturen durch zweckmässige Wahl der Ofenbaumaterialien
und entsprechende Ofenconstruction zu dem erforderlichen Maasse zu
steigern: es ist dieses die Herstellung weicherer Eisensorten mit Kohlen-
stoffgehalten von 0.3 Proc. abwärts bis zu wenigen Hundertstel Pro-
centen. Aus dem über das Arbeitsverfahren und den Verlauf des
Processes Gesagten ergiebt sich, dass, sofern jener Bedingung einer
grossen Feuerbeständigkeit des Ofens genügt wird, die Herstellung
solchen kohlenstoffarmen, weichen Martineisens keine besondere Schwierig-
keit bietet. Man setzt den Process bis zur erforderlichen Entkohlung
fort und verwendet als sauerstoffentziehenden Zusatz eine möglichst
manganreiche Legirung, um mit dem zur Beseitigung des Sauerstoffes
erforderlichen Mangan möglichst wenig Kohlenstoff dem Bade zuzu-
führen.

Auf diesem Gebiete ist der Tiegelgussstahlprocess dem Martin-
processe weder vorausgegangen noch wird er demselben nachfolgen;
die schwierigere Erhitzung des Metalles in den Tiegeln setzt eben, wie
schon bei Besprechung des ersteren Processes erwähnt wurde, der Her-
stellung kohlenstoffärmeren Eisens im Tiegel eine Grenze, welche nicht
ohne sehr grosse Schwierigkeiten überschritten werden kann.

Dieses kohlenstoffarme Martineisen bildet bereits jetzt ein geschätztes
Material für alle solche Verwendungen, wo eine grössere Festigkeit, als
sie das Schweisseisen besitzt, wünschenswerth, eine Schweissung aber
nicht unbedingt erforderlich ist 1): für Nieteisen, Hufstabeisen, Wellen
und ähnliche Maschinentheile, Achsen, auch Drähte u. s. f.; auch bei
Herstellung von Blechen für den Schiffsbau, für Dampfkessel u. s. w.
besitzt jenes weiche Martineisen bereits eine hohe Bedeutung, und es
lässt sich erwarten, dass auch hier das Puddeleisen allmählich, wenn
auch noch nicht in kürzester Zeit, vollständig durch ersteres verdrängt
werden wird.

Aus dem früher Gesagten ergiebt sich, dass eine Regelung der
Zusammensetzung des Martineisens innerhalb sehr weiter Grenzen mög-
lich ist. Die chemische Zusammensetzung des Einsatzes wie die mehr
oder minder starke Oxydationswirkung beim Schmelzen, endlich die
Höhe der Temperatur im Ofen, bedingen die Zusammensetzung des
fertigen Metalles. Eine Mittheilung von Analysen an dieser Stelle würde
daher kaum irgend einen Nutzen haben können; um so weniger, als
schon sowohl bei Besprechung der Festigkeitseigenschaften des schmied-
baren Eisens als des Darstellungsverfahrens des Martineisens und der

1) Dass alles Flusseisen und somit auch das Martineisen durchschnittlich
weniger gut schweissbar ist als Schweisseisen, wurde schon mehrfach erwähnt.

Die Darstellung des Flusseisens.
welche allerdings der Tiegelgussstahl kaum anders als ausnahmsweise
herangezogen worden ist.

Dass auch bei Herstellung von Formguss das Martinmetall bereits
Verwendung findet und zwar mit gutem Erfolge, sofern der Process
diesem Zwecke entsprechend geleitet wird, wurde schon oben erwähnt
(S. 871). Es lässt sich erwarten, dass auf diesem Gebiete der Tiegel-
gussstahl dereinst ziemlich vollständig verdrängt werden wird.

Ein sehr wichtiges Feld aber eroberte sich der Martinprocess,
nachdem es gelungen war, die Haltbarkeit der Oefen auch in sehr
hohen Temperaturen durch zweckmässige Wahl der Ofenbaumaterialien
und entsprechende Ofenconstruction zu dem erforderlichen Maasse zu
steigern: es ist dieses die Herstellung weicherer Eisensorten mit Kohlen-
stoffgehalten von 0.3 Proc. abwärts bis zu wenigen Hundertstel Pro-
centen. Aus dem über das Arbeitsverfahren und den Verlauf des
Processes Gesagten ergiebt sich, dass, sofern jener Bedingung einer
grossen Feuerbeständigkeit des Ofens genügt wird, die Herstellung
solchen kohlenstoffarmen, weichen Martineisens keine besondere Schwierig-
keit bietet. Man setzt den Process bis zur erforderlichen Entkohlung
fort und verwendet als sauerstoffentziehenden Zusatz eine möglichst
manganreiche Legirung, um mit dem zur Beseitigung des Sauerstoffes
erforderlichen Mangan möglichst wenig Kohlenstoff dem Bade zuzu-
führen.

Auf diesem Gebiete ist der Tiegelgussstahlprocess dem Martin-
processe weder vorausgegangen noch wird er demselben nachfolgen;
die schwierigere Erhitzung des Metalles in den Tiegeln setzt eben, wie
schon bei Besprechung des ersteren Processes erwähnt wurde, der Her-
stellung kohlenstoffärmeren Eisens im Tiegel eine Grenze, welche nicht
ohne sehr grosse Schwierigkeiten überschritten werden kann.

Dieses kohlenstoffarme Martineisen bildet bereits jetzt ein geschätztes
Material für alle solche Verwendungen, wo eine grössere Festigkeit, als
sie das Schweisseisen besitzt, wünschenswerth, eine Schweissung aber
nicht unbedingt erforderlich ist 1): für Nieteisen, Hufstabeisen, Wellen
und ähnliche Maschinentheile, Achsen, auch Drähte u. s. f.; auch bei
Herstellung von Blechen für den Schiffsbau, für Dampfkessel u. s. w.
besitzt jenes weiche Martineisen bereits eine hohe Bedeutung, und es
lässt sich erwarten, dass auch hier das Puddeleisen allmählich, wenn
auch noch nicht in kürzester Zeit, vollständig durch ersteres verdrängt
werden wird.

Aus dem früher Gesagten ergiebt sich, dass eine Regelung der
Zusammensetzung des Martineisens innerhalb sehr weiter Grenzen mög-
lich ist. Die chemische Zusammensetzung des Einsatzes wie die mehr
oder minder starke Oxydationswirkung beim Schmelzen, endlich die
Höhe der Temperatur im Ofen, bedingen die Zusammensetzung des
fertigen Metalles. Eine Mittheilung von Analysen an dieser Stelle würde
daher kaum irgend einen Nutzen haben können; um so weniger, als
schon sowohl bei Besprechung der Festigkeitseigenschaften des schmied-
baren Eisens als des Darstellungsverfahrens des Martineisens und der

1) Dass alles Flusseisen und somit auch das Martineisen durchschnittlich
weniger gut schweissbar ist als Schweisseisen, wurde schon mehrfach erwähnt.
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[878/0962] Die Darstellung des Flusseisens. welche allerdings der Tiegelgussstahl kaum anders als ausnahmsweise herangezogen worden ist. Dass auch bei Herstellung von Formguss das Martinmetall bereits Verwendung findet und zwar mit gutem Erfolge, sofern der Process diesem Zwecke entsprechend geleitet wird, wurde schon oben erwähnt (S. 871). Es lässt sich erwarten, dass auf diesem Gebiete der Tiegel- gussstahl dereinst ziemlich vollständig verdrängt werden wird. Ein sehr wichtiges Feld aber eroberte sich der Martinprocess, nachdem es gelungen war, die Haltbarkeit der Oefen auch in sehr hohen Temperaturen durch zweckmässige Wahl der Ofenbaumaterialien und entsprechende Ofenconstruction zu dem erforderlichen Maasse zu steigern: es ist dieses die Herstellung weicherer Eisensorten mit Kohlen- stoffgehalten von 0.3 Proc. abwärts bis zu wenigen Hundertstel Pro- centen. Aus dem über das Arbeitsverfahren und den Verlauf des Processes Gesagten ergiebt sich, dass, sofern jener Bedingung einer grossen Feuerbeständigkeit des Ofens genügt wird, die Herstellung solchen kohlenstoffarmen, weichen Martineisens keine besondere Schwierig- keit bietet. Man setzt den Process bis zur erforderlichen Entkohlung fort und verwendet als sauerstoffentziehenden Zusatz eine möglichst manganreiche Legirung, um mit dem zur Beseitigung des Sauerstoffes erforderlichen Mangan möglichst wenig Kohlenstoff dem Bade zuzu- führen. Auf diesem Gebiete ist der Tiegelgussstahlprocess dem Martin- processe weder vorausgegangen noch wird er demselben nachfolgen; die schwierigere Erhitzung des Metalles in den Tiegeln setzt eben, wie schon bei Besprechung des ersteren Processes erwähnt wurde, der Her- stellung kohlenstoffärmeren Eisens im Tiegel eine Grenze, welche nicht ohne sehr grosse Schwierigkeiten überschritten werden kann. Dieses kohlenstoffarme Martineisen bildet bereits jetzt ein geschätztes Material für alle solche Verwendungen, wo eine grössere Festigkeit, als sie das Schweisseisen besitzt, wünschenswerth, eine Schweissung aber nicht unbedingt erforderlich ist 1): für Nieteisen, Hufstabeisen, Wellen und ähnliche Maschinentheile, Achsen, auch Drähte u. s. f.; auch bei Herstellung von Blechen für den Schiffsbau, für Dampfkessel u. s. w. besitzt jenes weiche Martineisen bereits eine hohe Bedeutung, und es lässt sich erwarten, dass auch hier das Puddeleisen allmählich, wenn auch noch nicht in kürzester Zeit, vollständig durch ersteres verdrängt werden wird. Aus dem früher Gesagten ergiebt sich, dass eine Regelung der Zusammensetzung des Martineisens innerhalb sehr weiter Grenzen mög- lich ist. Die chemische Zusammensetzung des Einsatzes wie die mehr oder minder starke Oxydationswirkung beim Schmelzen, endlich die Höhe der Temperatur im Ofen, bedingen die Zusammensetzung des fertigen Metalles. Eine Mittheilung von Analysen an dieser Stelle würde daher kaum irgend einen Nutzen haben können; um so weniger, als schon sowohl bei Besprechung der Festigkeitseigenschaften des schmied- baren Eisens als des Darstellungsverfahrens des Martineisens und der 1) Dass alles Flusseisen und somit auch das Martineisen durchschnittlich weniger gut schweissbar ist als Schweisseisen, wurde schon mehrfach erwähnt.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 878. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/962>, abgerufen am 18.05.2024.